Geburtsdatum als Pflichtangabe im Bestellformular?
In vielen Online-Shops ist die Eingabe des Geburtsdatums im Bestellprozess verpflichtend. Dies gilt nicht nur für Shops, die Tabak oder Alkohol anbieten. Auch der Erwerb von Textilien, Kosmetika und Literatur ist häufig nur unter Angabe des Geburtsdatums möglich. Doch ist dies datenschutzrechtlich zulässig?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Datenschutzrechtliche Grundlage der Altersabfrage
- 2. Altersabfrage stets zur Abwicklung des Vertrags erforderlich?
- 3. Zwingende Altersprüfung beim Versand jugendgefährdender Waren
- a. Altersprüfung bei Bildträgern
- b. Altersprüfung bei Alkohol
- c. Altersprüfung bei Tabakwaren und E-Zigaretten
- d. Wie sollte die Altersprüfung erfolgen?
- 4. Fazit
1. Datenschutzrechtliche Grundlage der Altersabfrage
Grundsätzlich gilt: Verarbeiten, nutzen oder erheben Online-Händler auf ihrer Webseite unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen sogenannte personenbezogene Daten, müssen sie bestimmte Informationspflichten erfüllen. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) definiert personenbezogene Daten als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (§ 3 Abs. 1). Aus dieser doch recht schwammigen Definition lässt sich der Grundsatz ableiten, dass alle Informationen, über die irgendwie ein Personenbezug hergestellt werden kann, auch unter den Begriff der personenbezogenen Daten fallen. Dazu gehören unter anderem Informationen, die eine Identifizierung der Person ermöglichen, wie der Name, die Anschrift und auch das Geburtsdatum.
Bei der Verarbeitung von solchen personenbezogenen Daten gilt im deutschen Datenschutzrecht der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit (§ 3a BDSG). Nach diesem sind so wenige personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Soweit möglich, sind personenbezogene Daten zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren. Die Erhebung, Speicherung und Weitergabe personenbezogener Daten muss darüber hinaus immer durch ein Gesetz erlaubt sein oder es muss eine Einwilligung der betroffenen Person vorliegen. Gesetzlich erlaubt ist das Erheben, Speichern und die Weitergabe personenbezogener Daten bspw. nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG, wenn es zur Erfüllung und Abwicklung eines Vertragsverhältnisses, also z. B. des Kaufvertrages bei einem Online-Kauf, erforderlich ist.
2. Altersabfrage stets zur Abwicklung des Vertrags erforderlich?
In der juristischen Diskussion wird teilweise vertreten, dass die Abfrage des Geburtsdatums bzw. eine Checkbox, mit der die Volljährigkeit im Bestellprozess bestätigt werden kann, für die Abwicklung eines Vertragsverhältnisses stets notwendig sein soll. Hintergrund dieser Ansicht ist, dass Vertragsabschlüsse mit Minderjährigen grundsätzlich schwebend unwirksam sind und der Genehmigung der gesetzlichen Vertreter, bspw. der Eltern bedürfen. Shop-Betreiber sind also stets dem Risiko ausgesetzt, dass diese den Vertrag nicht genehmigen und der Händler daher auf dem Kaufpreis "sitzen bleibt", ihn also nicht gerichtlich durchsetzen kann. Um dieses Risiko zu minimieren, soll eine Abfrage des Geburtsdatums stets notwendig sein.
Nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei ist diese Ansicht jedoch nicht überzeugend, da eine Altersprüfung über die Angabe des Geburtsdatums bzw. eine Checkbox nicht die Gewähr der Richtigkeit der Angaben bietet. Die Angaben können ohne weiteres gefälscht werden und minimieren das wirtschaftliche Risiko des Händlers deshalb nicht. Die Abfrage des Geburtsdatums ist daher für die Erfüllung und die Abwicklung eines Vertragsverhältnisses grundsätzlich nicht erforderlich.
3. Zwingende Altersprüfung beim Versand jugendgefährdender Waren
Es gibt jedoch Bereiche, in denen eine Altersprüfung zwingend notwendig ist. Gesetzliche Grundlage für die Anforderungen an den Verkauf von Bildträgern (z.B. DVDs, Blu-Rays oder Computer- und Konsolenspiele), Alkohol, Tabak und E-Zigaretten bildet das Jugendschutzgesetz (JuSchG).
a. Altersprüfung bei Bildträgern
Der Verkauf von Bildträgern wie DVDs oder Konsolenspiele an Kinder und Jugendliche ist nach dem Jugendschutzrecht nur gestattet, wenn diese eine Alterskennzeichnung erhalten haben und die jeweilige Freigabe eine Abgabe an Personen der betreffenden Altersstufe vorsieht (§ 12 Abs. 1 JuSchG) . Die Vorschrift gilt insbesondere auch für den Bereich des Versandhandels.
Nicht gekennzeichnete bzw. als „keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnete Medien dürfen im Versandhandel nur angeboten werden, wenn technische oder sonstige Vorkehrungen sicherstellen, dass solche Trägermedien nicht an Kinder oder Jugendliche versendet werden (vgl. § 1 Abs. 4 JuSchG) . Dementsprechend ist beim Versand solcher Bildträger eine Altersprüfung zwingend notwendig.
b. Altersprüfung bei Alkohol
Nach dem Jugendschutzrecht dürfen in Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit keine branntweinhaltigen Getränke an Minderjährige abgegeben werden. Bei anderen alkoholischen Getränken wie Bier oder Wein gilt eine Altersgrenze von 16 Jahren (§ 9 Abs. 1 JuSchG) .
Anders als bei der Regelung zu den Trägermedien in § 12 JuSchG wird bei dem Verkauf von hochprozentigem Alkohol nicht explizit auf den Versandhandel abgestellt. Das Landgericht (LG) Koblenz entschied daher, dass ein Online-Verkauf von Alkohol im Internet ohne jegliche Kontrollpflichten hinsichtlich des Alters des Käufers für den Händler möglich sei (Beschluss vom 13.08.2007, 4 HK O 120/07). Das Gericht begründet seine Auffassung damit, dass das Abgabeverbot in § 9 Abs. 1 JuSchG nicht ausdrücklich auf den Versandhandel verweist. Zudem könne der Verkauf und Versand von Alkohol nicht als „sonst in der Öffentlichkeit“ im Sinne des § 9 Abs. 1 JuSchG eingestuft werden.
Das Urteil erfährt jedoch zurecht Kritik in der Literatur (Liesching in MMR 2007, 725). Der Autor kritisiert, dass nach Auffassung des LG Koblenz der Versand von Alkohol an Kinder und Jugendliche unbeschränkt möglich sei. Weiter vertritt der Autor die Ansicht, dass der Internetversand von Alkohol in der Öffentlichkeit stattfinde und damit als „sonst in der Öffentlichkeit“ im Sinne der gesetzlichen Vorschrift erfolge. Auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat sich dieser Ansicht angeschlossen. So vertritt es in seiner das Jugendschutzrecht erläuternden Broschüre die Meinung, dass der Verkauf von Alkohol der Vorschrift des § 9 JuSchG unterfalle. Begründet wird dies damit, dass das Merkmal „in der Öffentlichkeit“ auch bei der Zustellung im öffentlichen Raum gegeben sei.
Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte daher auch beim Versand von branntweinhaltigen Getränken eine Altersprüfung durchführen.
c. Altersprüfung bei Tabakwaren und E-Zigaretten
Auch die alte Regelung im Jugendschutzrecht zum Verkauf von Tabakwaren stellte nicht ausdrücklich auf den Versandhandel ab. Zudem war der Verkauf von nikotinfreien E-Zigaretten und Shishas an Kinder und Jugendliche nicht ausdrücklich verboten. Diese rechtlichen Lücken wurden durch das am 01.04.2016 in Kraft getretene „Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas“ geschlossen. Der neue §10 JuSchG stellt nun ausdrücklich klar, dass „Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse […] Kindern und Jugendlichen weder im Versandhandel angeboten noch an Kinder und Jugendliche im Wege des Versandhandels abgegeben werden“ dürfen. Das Abgabeverbot an Minderjährige erstreckt sich damit ausdrücklich auch auf den Versandhandel.
d. Wie sollte die Altersprüfung erfolgen?
Nachdem geklärt wurde, in welchen Fällen eine Altersprüfung rechtlich zulässig ist, stellen sich zwei Fragen: Erstens, wie die Altersprüfung zu erfolgen hat und zweitens, ob die obligatorische Abfrage des Alters im Bestellprozess ausreichend ist.
Antwort auf diese Fragen gibt ein Urteil des BGH vom 18.07.2007 (I ZR 102/05), das den Versand von Bildträgern an Minderjährige thematisiert. Nach Auffassung des BGH ist für eine effektive Altersprüfung ein zweistufiges Verfahren notwendig:
"So lässt sich etwa durch das Postidentverfahren vor Versendung der Ware ausreichend gewährleisten, dass der Kunde volljährig ist[…]. Außerdem muss die Ware in einer Weise versandt werden, die regelmäßig sicherstellt, dass sie dem volljährigen Kunden, an den sie adressiert ist, persönlich ausgehändigt wird. Das kann etwa durch eine Versendung als „Einschreiben eigenhändig gewährleistet werden.“
Um eine zuverlässige Altersverifikation zu gewährleisten, muss die jugendgefährdende Ware also erstens mittels Postidentverfahren versandt und dem volljährigen Kunden zweitens persönlich, bspw. mittels Einschreiben, übergeben werden. Die obligatorische Altersabfrage im Bestellprozess ist nicht ausreichend.
4. Fazit
Die verpflichtende Abfrage des Geburtsdatums im Bestellprozess verstößt nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit und Datenvermeidung. Dies gilt auch für Online-Shops, die „jugendgefährdende Waren“ anbieten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit kann nach der geltenden DSGVO abgemahnt oder ordnungsrechtlich geahndet werden. Online-Händler sollten die Erhebung nicht notwendiger personenbezogener Daten aber auch vor dem Hintergrund von Kundenzufriedenheit und Kundenvertrauen überdenken.
Die IT-Recht Kanzlei empfiehlt daher nur solche personenbezogenen Daten zu erheben, die für die Vertragsabwicklung zwingend notwendig sind. Diese Angaben sollten als Pflichtangaben gekennzeichnet werden. Möchten Shop-Betreiber darüber hinaus noch weitere Informationen, wie bspw. das Geburtsdatum abfragen, sollten diese als freiwillige Angaben deklariert werden.
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10 Kommentare
Ich verstehe daher den Gesetzgeber nicht, dass hier mal wieder tatenlos zugeschaut wird!
Es geht auch anders, beispielsweise fragt der Onlineshop Marktriese Amazon die Kunden nicht nach einem Geburtsdatum bei einem "normalen" Konto. Einzig allein zur Prüfung der Volljährigkeit bezüglich Jugendgefährdender Waren wird eine solche Abfrage und sei es auch nur vom Postzusteller/in durchgeführt. Was ich vollkommen in Ordnung finde, denn diese Kontrolle ist auch im Einzelhandel Vorort und bei einer Unsicherheit auch mit Vorlage eines Ausweises. Den Verstoße gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung und die Beweisführung Geschäftsfähig zu sein finde ich hingegen unrechtsmäßig.
oder Angeboten das Geburtsdatum verlangt wird. Ich kann das nicht akzeptieren und deshalb werden bei mir grundsätzlich falsche Angaben gemacht!
zB habe ich bei einem Unternehmen eine Heizung bestellt die ich auch noch in Vorkasse bezahlen musste. Sogar dort wurde mein Geburtsdatum verlangt. Ich hätte das verweigern können, aber ich erteile in solchen Fällen grundsätzlich falsche Angaben-
Der Datenschutzbeauftragte von NRW, bei dem ich nachfragte, ob diese Pflichtangabe rechtens sei, hat mir geantwortet, dass nach seiner Meinung an dieser Zwangsangabe nichts zu beanstanden sei.
In dem Beitrag steht "Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit ist zwar rechtlich folgenlos." Das stimmt m.E. nicht, denn es besteht das Risiko eines Unterlassungsanspruchs (u.a. Abmahnung) nach 8 i.v.m 3a UWG.
e) Eine andere weit verbreitete Pflichtangabe, deren Notwendigkeit für die m.E. Vertragsabwicklung i.d.R. sehr fragwürdig ist und für die das Datensparsamkeits-Argument dementsprechend i.d.R. auch geltend gemacht werden kann, ist die Telefon-Nummer (Festnetz, Mobilfunk). Wenn ich schon meine E-Mail-Adresse angegeben habe und es nicht um Speditionsware, Reisebuchung oder Rufnummernportierung (oder um Bonitätsprüfungen) geht, kann man da m.E. auch nur empfehlen, zur Notwehr-Maßnahme Falschangabe zu greifen.
a) Na, so mancher Online-Händler wird das Geburtsdatum sicherlich auch für Bonitätsprüfungen (miss-)brauchen.
b) Das ist natürlich witzlos, wenn ein "Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit [...] rechtlich folgenlos" ist. Wird sich das eigentlich mit der EU-DSGVO ändern?
c) Sofern der Kunde nicht auf das Ergebnis möglicher Bonitätsprüfungen angewiesen ist, bleibt ihm/ihr ja auch die Notwehr-Maßnahme einfach ein falsches Geburtsdatum einzugeben - 11.11.1911 :)