Leitfaden: Wann handelt der Käufer als Unternehmer mit der Folge, dass kein Widerrufsrecht besteht?
Das gesetzliche Widerrufsrecht bei im Fernabsatz geschlossenen Verträgen steht nur Verbrauchern zu. Wann aber ist ein Käufer als Verbraucher und wann als Unternehmer zu qualifizieren? Wir erläutern in diesem Beitrag, wann ein Kunde als Verbraucher oder Unternehmer anzusehen ist und wie sich Online-Händler mit Hilfe unserer Muster erfolgreich gegen „falsche Verbraucher“ wehren können.
Inhaltsverzeichnis
- Das gesetzliche Widerrufsrecht - bei Verbrauchern (+), bei Unternehmern (-)
- Muss das Widerrufsrecht im B2B-Bereich (aktiv) ausgeschlossen werden?
- Widerrufsrecht besteht nur, wenn ein Verbrauchervertrag vorliegt
- Wer ist Verbraucher, wer ein Unternehmer?
- Problem beim Vertragsgegenstand
- Wer trägt die Beweislast?
- Handlungsempfehlungen für Online-Händler
- Muster für Mandanten der IT-Recht Kanzlei - Ablehnung des Widerrufs eines gewerblichen Käufers (mit verschiedenen Handlungsoptionen)
- Fazit
- Noch kein Mandant der IT-Recht Kanzlei?
Das gesetzliche Widerrufsrecht - bei Verbrauchern (+), bei Unternehmern (-)
Bei Verträgen, die im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen werden, steht dem Verbraucher gegenüber dem Unternehmer gemäß § 312g Abs. 1 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu.
Kauft ein Verbraucher bei einem Unternehmer im Fernabsatz (z.B. via Internet) eine bewegliche Sache, dann steht dem Käufer - bis auf seltene Ausnahmen – ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
Mit anderen Worten: In aller Regel kann der Käufer dann mindestens 14 Tage lang ab Lieferung der Ware ohne Angabe von Gründen durch die Erklärung des Widerrufs den Kaufvertrag rückabwickeln.
Er muss die Ware an den Händler zurücksenden und der Händler muss ihm den Kaufpreis und die Kosten der Hinsendung erstatten. Bezüglich der Rücksendekosten kann der Händler selbst entscheiden, wer diese zu tragen hat und entsprechend in seiner Widerrufsbelehrung informieren.
Das Widerrufsrecht ist also eine sehr angenehme Möglichkeit für Verbraucher, sich folgenlos wieder vom Vertrag zu lösen.
Steht dem Verbraucher ein solches Widerrufsrecht zu, ist der Unternehmer gemäß Art. 246a § 1 Absatz 2 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher hierüber zu informieren, wobei er sich hierzu des gesetzlichen Musters gemäß Anlage 1 zu Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 2 EGBGB bedienen kann.
Kauft hingegen ein Unternehmer bei einem Unternehmer eine bewegliche Sache im Fernabsatz (z.B. über das Internet), besteht kraft Gesetzes kein Widerrufsrecht.
Es handelt sich bei den das Widerrufsrecht einräumenden Vorschriften der §§ 312g, 355 BGB um verbraucherschützende Vorschriften, die keine Schutzwirkung gegenüber unternehmerischen Käufern entfalten.
Beim Verkauf B2B besteht folglich gerade kein Widerrufsrecht des Käufers, außer, es wird diesem ein solches vom Verkäufer (freiwillig) vertraglich eingeräumt.
Muss das Widerrufsrecht im B2B-Bereich (aktiv) ausgeschlossen werden?
Antwort: Nein, das ist nicht erforderlich.
Tatsächlich besteht schon ein gesetzliches Widerrufsrecht bei unternehmerischen Käufern, daher ist auch ein aktives Ausschließen des Widerrufsrechts nicht notwendig.
Somit kann ein solches Widerrufsrecht zugunsten eines unternehmerischen Käufers auch nicht dadurch entstehen, dass ein Widerrufsrecht nicht seitens des Verkäufers ausgeschlossen wird.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Verwendung unklarer oder ungenauer rechtlicher Formulierungen in AGB oder Widerrufsbelehrungen das Risiko birgt, dass einem unternehmerischen Kunden auf vertraglichem Wege ein Widerrufsrecht eingeräumt wird (wodurch dieser letztendlich den Kaufvertrag wie ein Verbraucher durch einen Widerruf auflösen kann).
Mehr zu diesem Thema können Sie in diesem Beitrag erfahren.
Widerrufsrecht besteht nur, wenn ein Verbrauchervertrag vorliegt
Damit ein gesetzliches Widerrufsrecht im Rahmen eines Fernabsatzvertrags vorliegen kann, muss ein Verbrauchervertrag vorliegen, also ein Vertrag zwischen einem verkaufenden Unternehmer und einem kaufenden Verbraucher.
Es handelt sich hierbei um den sog. persönlichen Anwendungsbereich der gesetzlichen Norm.
Wer ist Verbraucher, wer ein Unternehmer?
Das Verbraucherschutzrecht wird von den Begriffen Unternehmer und Verbraucher bestimmt. Der Gesetzgeber hat diese in den §§ 13 und 14 BGB definiert.
Der Verbraucher wird in § 13 BGB definiert, das Gesetz führt hierzu aus:
"Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können."
Verbraucher kann nur eine natürliche Person sein.
Folglich sind juristische Personen (rechtsfähige Vereine, GmbH, AG, etc.) aus dem Anwendungsbereich des Verbraucherbegriffs ausgeschlossen. In diesen Fällen liegt nie ein Verbrauchergeschäft vor, ein (gesetzliches) Widerrufsrecht besteht in diesen Fällen nicht!
Im Falle einer (Außen-) GbR (= Gesellschaft bürgerlichen Rechts) gilt: Sind an der GbR tatsächlich nur natürliche Personen beteiligt, ist der gewerbliche/selbständig berufliche bzw der private Zweck des jeweiligen Geschäfts das maßgebliche Abgrenzungskriterium. Damit kann auch die (Außen-) GbR grundsätzlich als Verbraucherin angesehen werden.
Aber: Ist nur einer der Gesellschafter eine juristische Person, scheidet die Verbraucherstellung der GbR von vornherein aus.
Handelt es sich beim Käufer um eine Personenhandelsgesellschaft (OHG und KG) gilt das Entsprechende: Besteht die Personenhandelsgesellschaft ausschließlich aus natürlichen Personen und betreiben diese ausschließlich allein private Vermögensverwaltung, sind diese Verbraucher. Andernfalls liegt ein unternehmerisches Handeln vor (und ein Widerrufsrecht existiert nicht).
Verbrauchergeschäfte sind hingegen nur solche, die für die handelnde (natürliche) Person ein Privatgeschäft darstellt, also etwa der Haushaltsführung, Daseins- und Gesundheitsvorsorge oder Freizeitgestaltung dienen.
Hingegen wird der Unternehmer in § 14 Abs. 1 BGB definiert:
"Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt."
§ 14 BGB gilt immer dann, wenn das BGB oder ein anderes Gesetz vom Unternehmer spricht. Unternehmer in diesem Sinne kann jede natürliche (z.B. Einzelkaufleute oder Freiberufler) oder juristische Person sein.
Als juristische Person kommen in Gestalt des privaten Rechts (AG, KGaA, GmbH, eG, Verein, Stiftung, etc.) und auch des öffentlichen Rechts (öffentlich-rechtl Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts) in Betracht.
Maßgeblich beim Unternehmer-Begriff ist: Die Person muss in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handeln.
Handelt auf Käuferseite ein Unternehmer, ist ein (gesetzliches) Widerrufsrecht nicht gegeben.
Problem beim Vertragsgegenstand
Ein Widerrufsrecht besteht also nach dem gesetzgeberischen Willen nur bei Verbraucherverträgen, unternehmerischen Kunden steht kein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
Online-Händler möchten im Falle einer Bestellung daher größtmöglicher Sicherheit wissen, ob eine Verbraucher- oder Unternehmerbestellung vorliegt.
Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich, wenn ein Kauf sowohl zu gewerblichen bzw. beruflichen, als auch zu privaten Zwecken, also zu einem gemischten Zweck geschlossen wird (sog. „Dual use“-Fälle).
Maßgeblich ist in diesen Fällen, welche Zweckbestimmung im Einzelfall überwiegt (daher die Formulierung „überwiegend“ in § 13 BGB) .
Diese Frage war früher noch umstritten, der Gesetzgeber hat die Norm des § 13 BGB angepasst, um damit klarzustellen, dass es bei Dual-use-Verträgen auf den überwiegenden Zweck ankommt.
Schließt also eine natürliche Person einen Vertrag nicht überwiegend zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken, handelt diese als Verbraucher.
Bei der Ermittlung der Zweckbindung entscheidet nicht der Wille des Handelnden, sondern der objektive, durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts. Der für die Zweckbindung des Rechtsgeschäfts maßgebliche Zeitpunkt ist der Abschluss des Rechtsgeschäfts (bei Verträgen also der Vertragsschluss).
Nach der Rechtsprechung sollte man von den nachstehenden Grundsätzen ausgehen:
- Als Ausgangspunkt beim Vertragsschluss mit einer natürlichen Person ist grundsätzlich von einem Verbrauchergeschäft auszugehen (BGH, Urt. v. 30.9.2009 – Az. VIII ZR 7/09; LG Hamburg, Urt. v. 19.5.2010 – Az. 313 O 294/09). Daher spricht auch die Verwendung des Firmenstempels einer selbstständigen Kosmetikerin auf dem Bestellformular nicht zwingend für die Unternehmereigenschaft des Rechtsgeschäfts, jedenfalls nicht eindeutig und zweifelsfrei, etwa wenn sie als Adresse ihre Privatanschrift angegeben hat (LG Hamburg, Urt. v. 19.5.2010 – Az. 294/09).
- Ein weiterer Anhaltspunkt ist die Art der Ware, insbesondere in ihrem Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Kunden. Bestellt ein Architekt eine Badehose, so ist kaum vorstellbar, dass die Bestellung mit seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit als Architekt in irgendeinem Zusammenhang steht. Wichtig ist, dass nicht der bloße Wille bzw. der subjektive Zweck des Rechtsgeschäfts entscheidend ist, sondern der objektive Zweck der Kaufvertrags. Somit entscheiden die objektiven Umstände, ob das Rechtsgeschäft privaten oder gewerblichen Charakter hat (vgl. LG Essen, Urt. v. 9.9.2010 – Az. 6 O 132/10).
- Liegt nach dem objektiven Zweck bei Vertragsschluss mit einer natürlichen Person Verbraucherhandeln vor, ist eine andere Wertung nur aus erkennbaren Umständen zulässig, die zweifelsfrei und eindeutig auf Unternehmerhandeln hinweisen. Die Angabe der Anschrift einer Firma als Lieferort in Verbindung mit dem Namen des Bestellers als Rechnungsempfänger lässt keinen eindeutigen und zweifelsfreien Schluss auf eine Bestellung zu selbstständigen beruflichen Zwecken zu (BGH, Urteil vom 30.9.2009 – Az. VIII ZR 7/09).
Wer trägt die Beweislast?
Die Beweislast, dass das Rechtsgeschäft nicht zu einem Zweck abgeschlossen ist, der ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, trifft im Streitfall die natürliche Person, die sich auf Regelungen des Verbraucherschutzes beruft. Der Käufer muss daher darlegen und beweisen, dass dieser in der behaupteten Eigenschaft als Verbraucher bestellt hat.
Anders herum kann, wenn ein Vertrag zu einem Zweck geschlossen wird, der objektiv weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann, einer natürlichen Person die Eigenschaft als Verbraucher nur dann abgesprochen werden, wenn die Umstände, die dem Vertragspartner erkennbar sind, eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass der Käufer tatsächlich im Rahmen seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
Handlungsempfehlungen für Online-Händler
Für Online-Händler lassen sich vor diesem Hintergrund folgende Handlungsempfehlungen aufstellen:
- Ist der Besteller (eindeutig) eine juristische Person wie eine AG, eine GmbH, ein Verein oder eine Personengesellschaft (die keine private Vermögensverwaltung betreibt), so liegt stets ein Unternehmergeschäft vor. In diesen Fällen liegt kein Verbrauchervertrag vor, ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht nicht.
- Bestellt hingegen eine natürliche Person, so muss der Händler grundsätzlich davon ausgehen, dass es sich um ein Verbrauchergeschäft handelt, es sei denn, der Kaufgegenstand eignet sich objektiv überhaupt nicht zu persönlichen, privaten oder familiären Zwecken und kann für die berufliche, selbstständige, gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit des Käufers nutzbar gemacht werden. Alleine die Bestellung mit Rechnungs- und/oder Lieferadresse eines Unternehmens ist kein sicheres Zeichen für ein Unternehmergeschäft, weil sich viele Käufer auch private Käufe an den Arbeitsplatz schicken lassen. Letztlich kommt die Zuordnung eines Rechtsgeschäfts, das eine natürliche Person abschließt, zum unternehmerischen Bereich nur dann in Betracht, wenn es dafür eindeutige und zweifelsfreie Hinweise gibt.
Muster für Mandanten der IT-Recht Kanzlei - Ablehnung des Widerrufs eines gewerblichen Käufers (mit verschiedenen Handlungsoptionen)
Wir stellen unseren Mandanten in diesem Beitrag unterschiedliche Muster zur Verfügung, um sich gegen die Ausübung eines angeblich bestehenden Widerrufsrechts eines unternehmerischen Kunden zu verteidigen.
Nachstehend erhalten Sie eine Übersicht der verfügbaren Muster zur "Ablehnung des Widerrufs eines gewerblichen Käufers (mit verschiedenen Handlungsoptionen):
- Muster: Ein Kunde, der kein Verbraucher (sondern Unternehmer ist) möchte widerrufen.
- Muster-Zusatzoption 1: Bitte um Abstandnahme von Rückversand unter Hinweis auf dann bestehende Rücknahmepflicht
- Muster-Zusatzoption 2: Aufforderung zur Rücknahme bereits retournierter Ware – anstelle von Zusatzoption 1 zu verwenden
- Muster-Unterzusatzoption: Hinweis auf Lagergebühren bei Überschreitung einer gesetzten Rücknahmefrist
- Muster-Zusatzoption 3: Bereitschaft zur Vertragsaufhebung aus Kulanz unter Berechnung von Stornogebühren – anstelle von Zusatzoption 1 oder 2 zu verwenden
Mandanten der IT-Recht Kanzlei finden diese und weitere hilfreiche Muster zum Thema "Auseinandersetzungen mit Kunden" im Mandantenportal.
Fazit
Ob ein Verbraucher- oder ein Unternehmergeschäft vorliegt und in der Folge ein Verbraucherwiderrufsrecht besteht, entscheidet sich nach dem objektiven Zweck des jeweiligen Rechtsgeschäfts im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
Zwar ist der Zweck für den Online-Händler beim Vertragsschluss oftmals nicht erkennbar. Kommt es jedoch zum Streit über die Käufereigenschaft (als Verbraucher oder Unternehmer), muss in der Regel der Käufer darlegen und beweisen, warum es sich beim konkreten Kauf um ein Verbrauchergeschäft handeln soll.
Bleiben Restzweifel, geht man beim Kauf durch eine natürliche Person von einem Verbrauchergeschäft aus. Käufe von juristischen Personen sind hingegen immer Unternehmergeschäfte.
Noch kein Mandant der IT-Recht Kanzlei?
Sie sind noch kein Mandant der IT-Recht Kanzlei?
Die IT-Recht Kanzlei bietet Händlern, die im Internet physische oder digitale Waren vertreiben, passende abmahnsichere Rechtstexte an.
Hierzu gehören:
- Allgemeine Geschäftsbedingungen
- Widerrufsbelehrung
- Datenschutzerklärung
- Impressum
Über 240 Muster und Handlungsanleitungen komplettieren das Rechtstexte-Paket.
Starten Sie heute noch Ihren rechtssicheren Online-Auftritt und buchen Sie eines unserer Schutzpakete.
Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.
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5 Kommentare
was ist, wenn steuerlich noch Betriebsgebäude existieren, das Gewerbe nicht abgemeldet ist, das Gewerbe aber nicht mehr ausgeführt wird? Ist der Kauf eines PKW dann Privat oder Gewerblich?
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