„Der Spezialist“ – irreführende Bezeichnung im Briefkopf
Urteil vom LG Köln
Entscheidungsdatum: 26.11.2009
Aktenzeichen: 31 O 329/09
Leitsätze
Ein Briefkopf der einen Steuerberater „Spezialist für Insolvenzrecht“ und „Spezialist für Sozialrecht“ nennt, ist im Sinne der §§ 3, 5 I Nr. 3, 8 I UWG irreführend, da der angesprochene Verkehrskreis in ihm einen sog. Fachanwalt mit entsprechender Qualifikation sehen könnte.
Tenor
Der Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt, es zu unterlassen, mit den Bezeichnungen
„Spezialist für Insolvenzrecht (TS)“ und
„Spezialist für Sozialrecht (TS)“
zu werben, wie nachstehend wiedergeben:
(Es folgt eine Darstellung)
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Höhe der Sicherheitsleistung beträgt für die Vollstreckung aus dem Unterlassungstenor 30.000,00 €, im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
Die Klägerin ist Rechtsanwältin in Köln und Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz. Der Beklagte ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsbeistand. Er betreibt Büros in N , L und F. Er verwendete jedenfalls im März 2009 den im Tenor eingeblendeten Briefkopf, in dem er u.a. folgende Qualifikationen und Tätigkeitsbereiche aufführte:
Prüfer für Qualitätskontrolle (§ 57a WPO) / Mediator
Testamentsvollstreckung
Fachbeistand für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachbeistand für Strafrecht
Spezialist für Insolvenzrecht (TS)
Spezialist für Sozialrecht (TS)
Rechtsbeistand für Arbeitsrecht (TS)
Rechtsbeistand für Versicherungsrecht (TS)
Rechtsbeistand für Medizinrecht (TS)
Rechtsbeistand für Erbrecht (TS)
Die Klägerin hält die Bezeichnung als Spezialist für Insolvenzrecht und Sozialrecht für unzulässig und irreführend.
Sie beantragt,
- sinngemäß wie erkannt -.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass er über die entsprechenden Qualifikationen verfüge und verweist auf seine zahlreichen Fortbildungen.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 21.10.2009 hat der Beklagte die Zuständigkeit des Landgerichts Köln gerügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ergibt sich bereits aus § 39 ZPO, weil der Beklagte zur Sache mündlich verhandelt hat, ohne die Zuständigkeit zu rügen.
§§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 1 UWG. Die Verwendung der Bezeichnungen "Spezialist für Insolvenzrecht" und "Spezialist für Sozialrecht" ist irreführend. Es handelt sich um eine Angabe, die geeignet ist, die angesprochenen Verkehrskreise über die Qualifikation des Beklagten zu täuschen.
Der Beklagte hat insoweit bis zur mündlichen Verhandlung nur zu seinen theoretischen Kenntnissen vorgetragen, von denen sich indes nur wenige auf die streitgegenständlichen Gebiete beziehen. Von den 74 Qualifikationsnachweisen seit 1998 betreffen nur drei das Insolvenz- und zwei das Sozialrecht, wobei darunter jeweils auch die Mitgliedschaft in der entsprechenden Arbeitsgemeinschaft des deutschen Anwaltsvereins ist.
§ 43c Abs. 1 S. 3 BRAO, wonach eine Fachanwaltsbezeichnung nur für maximal drei Gebiete geführt werden darf. Wer, wie der Beklagte, besondere Qualifikationen in einer Vielzahl von Bereichen für sich in Anspruch nimmt, ist Generalist, nicht Spezialist.
Jedenfalls angesichts dessen gibt auch der weitere Vortrag des Beklagten zu seinen theoretischen und praktischen Qualifikationen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 21.10.2009 keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Dass der Beklagte seinen Briefkopf geändert hat, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Streitwert: 25.000,00 €
Aktuelle IT-Urteile
-
LG Köln 31. Zivilkammer: „gelenkig?“ – widerrechtliche Wirkversprechen für Lebensmittel
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 31 O 119/10 -
LG Rostock: „Stärkungsmittel“ – unlautere Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 5 HK O 18/11 -
OLG Rostock 2. Zivilsenat: „Schönheit kommt von innen!?“ – nährwertbezogene Angaben & das UWG
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 2 U 2/11 -
OLG Frankfurt: „Akku-Schrauber“ – irreführende geografische Herkunftsangaben
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 6 U 41/10 -
LG Darmstadt: „Bist Du reif für die Abnahme?“ – Sonderpreisklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 25 S 162/10 -
KG Berlin: „Stummfilmkino“ – markenrechtliche Kurzbezeichnung der Örtlichkeit
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 5 W 71/11 -
KG Berlin: „Mitbringsel“ – Werbung per Mail & das Wettbewerbsrecht
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 5 W 59/11 -
BGH: „fliegender Teppich?“ – wettbewerbswidrige Werbung mit sog. Einführungspreisen
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: I ZR 81/09 -
OLG Hamm 4. Zivilsenat: „Scha la li“ – Anbieterkennzeichnung & Widerrufsrecht beim Onlinegeschäft
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 4 U 204/10 -
LG Berlin: „Sternentaufe“ – Wettbewerbsverstöße durch Erhebung personenbezogener Daten
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 91 O 25/11 -
OLG Düsseldorf: „Kauf per Klick“ – Negativer Käuferbewertung & ihre Folgen
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 15 W 14/11 -
BPatG München: „Well & Slim oder Wellslim“? – identische Bezeichnungen & ihre markenrechtlichen Folgen
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 25 W (pat) 50/10 -
LG Göttingen: „Grillunfall?“ – Ethanol-Kamin & die Produkthaftung
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 2 O 218/09 -
OLG Köln 6. Zivilsenat: „Testsieger“ – Produktvergleich aus Verbrauchersicht
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 6 U 159/10 -
Brandenburgisches Oberlandesgericht: „Preise & Zahlungsbedingungen“ – beliebige Rücksendekosten & das UWG
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 6 U 80/10 -
LG Berlin: „Sternchen-Frage“ – unlauteres Serviceentgelt & die Preisangabenverordnung
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 15 O 276/10 -
BPatG: „DJ Führerschein“ – markenrechtliche Unterscheidungskraft
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 27 W (pat) 48/10 -
OLG Hamm: „Kontaktdaten“ – wettbewerbswidrige formularmäßige Einwilligung
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 4 U 174/10 -
KG Berlin: „Polarweiß“ – unlautere Werbung mit Testergebnissen
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 5 W 17/11 -
LG Nürnberg-Fürth 4. Kammer für Handelssachen: „mein picture?“ – Urheberrechte an Lichtbildern
Entscheidungsdatum: d.m.Y, H:i, AZ: 4 HK O 9301/10