Hessen: Frankfurt

„Ghostwriter“ – Wem stehen Recht im Sinne des Urheberrechts zu?

Urteil vom OLG Frankfurt

Entscheidungsdatum: 01.09.2009
Aktenzeichen: 11 U 51/08

Leitsätze

Anders als bei der gesetzlichen Urheberschaftsvermutung im Sinne des § 10 I UrhG verpflichtet sich der Urheber bei einer Ghostwriter-Vereinbarung „zum Verschweigen der eigenen Urheberschaft“, während der Namensgeber „die Möglichkeit erhalten soll, das Werk als eigenes in der Öffentlichkeit zu präsentieren“.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.6.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2/3 O 433/07) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

v

Gründe

I. Der Kläger macht gegen den Beklagten urheberrechtliche Ansprüche wegen der Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Aufsatzes in der Zeitschrift … (X) geltend. Die Zeitschrift X hat eine Auflage von ca. 730 Exemplaren und wird hauptsächlich an Bibliotheken ausgeliefert.

Die Parteien waren im Jahr 2002 Partner der A … AG (nachfolgend: A). Der Beklagte war als Mitglied des Vorstands unter anderem für die Leitung desjenigen Geschäftsbereichs tätig, dem das wissenschaftlich-theoretisch ausgerichtete Researchteam der A unter Leitung des Klägers organisatorisch angehörte. Dieses Researchteam hatte eine Marktstudie mit dem Titel „…“ durchgeführt, die im Mai 2002 durch die A publiziert wurde.

Prof. Dr. B, Herausgeber der Zeitschrift X und gleichzeitig Aufsichtsrat der A, wandte sich im Sommer 2002 an den Beklagten, da für das Septemberheft der X noch ein Beitrag fehlte. Der Beklagte sprach daraufhin den Kläger wegen der Abfassung eines solchen Artikels an. Der Aufsatz wurde unter Zugrundelegung der A-Studie gefertigt, wobei die Urheberschaft des Aufsatzes zwischen den Parteien streitig ist. Die Parteien einigten sich jedenfalls darauf, dass der Aufsatz in der X im deutschsprachigen Raum unter der Nennung des Beklagten als alleinigem Verfasser erscheinen und der Beklagte in diesem Aufsatz eine angemessene Danksagung an den Kläger veröffentlichen sollte.

Im September 2002 erschien in Heft 5 der X der betriebswirtschaftliche Aufsatz mit dem Titel „…“ (X 2002, S. …-… = Bl. …-… d.A.). Als Verfasser war „Dr. C“ angegeben. Der Kläger wurde in der ersten Fußnote des Aufsatzes in einer Danksagung genannt.

Der Aufsatz war auch über das Internetportal des Verlages gegen Zahlung von € 11,-- im Volltextservice abrufbar. Zudem nannte der Beklagte, der als Honorarprofessor an der …-Universität tätig war, auf den Internetseiten der Universität den Aufsatz in seinem Schriftenverzeichnis. Beides wurde dem Kläger im Jahre 2006 bekannt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.12.2006 forderte der Kläger den Beklagten unter Widerruf seiner Zustimmung zur Autorennennung dazu auf, es zu unterlassen, sich künftig insbesondere im Internet als Urheber des Aufsatzes „...“ zu bezeichnen (Bl. 22/23 d.A.). Der Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab. Er veranlasste aber, dass der Aufsatz seit Januar 2007 nicht mehr über das Internetportal des Verlages abrufbar ist, und entfernte den Hinweis auf den Aufsatz aus seinem Literaturverzeichnis. Die Parteien korrespondierten anschließend erfolglos mit dem Ziel einer außergerichtlichten Einigung.

Anschließend hat der Kläger die vorliegende Klage auf Unterlassung, Geldentschädigung, Auskunft und Schadensersatz bzw. Bereicherungsausgleich erhoben. Mit der Berufungsbegründung hat der Kläger eine Erklärung des Beklagten vorgelegt, mit der dieser bestätigte, dass er mit einer Parallelveröffentlichung des Aufsatzes auf der Internetseite der X einverstanden gewesen wäre (K22 - Bl. 260 d. A.)

Der Kläger hat behauptet, er sei der alleinige Urheber des Aufsatzes, den er per E-Mail an den Beklagten gesandt habe (Bl. 8-11R d. A.). Der Beklagte habe nur geringe Änderungen „einzelner Tempi“ vorgenommen und ein „unpassendes“ Goethe-Zitat angehängt. Als der Beklagte ihn als sein direkter Vorgesetzter auf die Zustimmung zur Nennung des Beklagten als alleinigen Autor angesprochen habe, habe er erhebliche Nachteile für seine weitere berufliche Entwicklung befürchtet, wenn er dieses deutlich formulierte Ansinnen ausschlagen würde. Er habe sich deshalb mit dem Beklagten darauf verständigt, dass er einer einmaligen Veröffentlichung in der X unter dem Namen des Beklagten nicht widersprechen werde, sofern eine angemessen formulierte Danksagung bei dieser Gelegenheit mit veröffentlicht werde. Dafür habe er eine Formulierung vorgegeben. Er habe dem Beklagten allenfalls eine Duldung dahingehend angekündigt, den von ihm (Kläger) verfassten Aufsatz um einen wissenschaftlich fundierten, vor allem aber nennenswerten Beitrag zu ergänzen und die Bearbeitung über den Verlag unter dessen Namen zu veröffentlichen.

Der Kläger hat gemeint, seine Einwilligung sei nicht nur wirksam widerrufen worden, vielmehr sei sie auch von Anfang an wegen Ausnutzung einer Zwangslage und als Plagiatsabrede sittenwidrig.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, den im Jahre 2002 durch den Kläger verfassten und in der Zeitschrift X 2002, S. … – … veröffentlichten Aufsatz „…“
a) zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen oder diese Handlungen durch Dritte ausführen zu lassen,
b) sich der Autorenschaft an diesem Aufsatz zu berühmen
2. den Beklagten zu verurteilen, im Namen des Klägers an den … e.V., ...- Straße, Stadt1 Spendenkonto …, Bank …, BLZ …, eine Geldentschädigung für die Verletzung der Urheberpersönlichkeitsrechte des Klägers (§§ 97 II, 13 UrhG) zu zahlen, die der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, allerdings 5.000,-- € nicht unterschreiten soll,
3. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Form und in welcher Anzahl der unter Ziffer 1 genannte Aufsatz über welche Medien vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wurde, fernerhin über die mit diesem Aufsatz erzielten Gewinne Rechnung zu legen; fernerhin darüber Auskunft zu erteilen, bei welchen Gelegenheiten und über welche Medien er sich der Autorenschaft an dem unter Ziffer 1 genannten Aufsatz berühmt hat,
4. festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger Schadensersatz, wie er sich anhand der Auskunft und Rechnungslegung gemäß Ziffer 3 ergibt, zu bezahlen, hilfsweise die ungerechtfertigte Bereicherung, wie sie sich anhand der Auskunft und Rechnungslegung gemäß Ziffer 3 ergibt, herauszugeben hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat insbesondere behauptet, er und der Kläger seien Mitautoren des Aufsatzes, der Rohentwurf des Aufsatzes sei gemeinsam entwickelt worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dabei hat es das Landgericht dahinstehen lassen, ob der Kläger alleiniger Urheber oder gemeinsam mit dem Beklagten Miturheber des Aufsatzes sei, ob die Autorennennung des Beklagten dessen Urheberschaft nach § 10 UrhG vermuten lasse und ob der Aufsatz im Hinblick auf die als Grundlage verwendete A-Studie überhaupt eine persönliche geistige Schöpfung darstelle.

Jedenfalls habe der Beklagte bei der Veröffentlichung des Aufsatzes unter eigenem Namen nicht urheberrechtswidrig gehandelt. Der Beklagte sei aufgrund der Veröffentlichungsabrede mit dem Kläger zur Veröffentlichung des Aufsatzes berechtigt gewesen. Diese Veröffentlichungsabrede sei nicht von Anfang an unwirksam gewesen.

Da die Abrede sich nur auf die deutschsprachige Veröffentlichung in der X bezogen und der Kläger sich die Veröffentlichung in englischer Sprache vorbehalten habe, sei kein (unwirksamer) vollständiger Verzicht des Klägers auf sein Urheberpersönlichkeitsrecht aus § 13 UrhG im Sinne eines „Ghostwritervertrages“ oder einer „Plagiatsabrede“ gegeben.

Die Veröffentlichungsabrede sei zudem nicht nach § 138 BGB nichtig, da eine sittenwidrige Zwangslage für den promovierten Kläger aufgrund dessen herausgehobener Position in einem der größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen und seiner akademischen Vorbildung fern gelegen habe. Im Übrigen sei der Vortrag des Klägers zu einer Zwangslage und eventuell drohender beruflicher Nachteile im Vorfeld der Abrede völlig unsubstanziiert.

Eine gegebenenfalls analog § 40 UrhG mögliche Kündigung der Veröffentlichungsabrede nach fünf Jahren im Jahr 2007 lasse jedenfalls die Veröffentlichung des Aufsatzes im Jahre 2002 unberührt.

Ob auch die Veröffentlichung im Internet von der Veröffentlichungsabrede erfasst sei, könne dahingestellt bleiben, da diese dem Beklagten nicht zuzurechnen sei.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 176-185 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das am 16.6.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.7.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 16.9.2008 mit am 16.9.2008 eingegangenem Schriftsatz begründet. Er rügt, das Landgericht sei ohne einen nach § 139 ZPO gebotenen Hinweis und zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine wirksame Veröffentlichungsabrede getroffen worden sei. Die Veröffentlichungsabrede zwischen den Parteien habe – wie erstinstanzlich schon vorgetragen worden sei – unter der Bedingung gestanden, dass der Beklagte das Manuskript des Klägers im Sinne einer Co Autorenschaft weiterbearbeitet, da der Kläger beabsichtigt habe, sein Manuskript in einer englischsprachigen Fachzeitschrift allein unter seinem Namen zu veröffentlichen. Weiter ist er der Ansicht, eine Veröffentlichungsabrede sei jedenfalls unwirksam, da Ghostwriterabreden im wissenschaftlichen Bereich sittenwidrig seien und zudem eine Ausnutzung seiner Zwangslage vorgelegen habe. Jedenfalls sei die Veröffentlichungsabrede wirksam gekündigt. Die Erklärung des Beklagten vom 18.7.2008 gegenüber dem Verlag stelle eine erneute Verletzungshandlung dar. Im Übrigen wiederholt der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.6.2008, Az. 2/3 O 433/07, aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, weil das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht auf einem Rechtsfehler (§ 546 ZPO) beruht und die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung nicht rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO) .

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keine urheberrechtlichen Ansprüche aus § 97 UrhG gegen den Beklagten.

Der Kläger ist zwar aktivlegitimiert, da er seine Urheberschaft an dem Aufsatz nachgewiesen hat.

Nach der gesetzlichen Urheberschaftsvermutung des § 10 Abs. 1 UrhG gilt derjenige als Urheber, der auf einem erschienenen Werk oder auf dem Original eines Kunstwerks als dessen Urheber bezeichnet ist. Bei Aufsätzen und Monografien wird der Autor regelmäßig in der Titelunterzeile, in einer einleitenden Fußnote oder am Ende der Abhandlung genannt (Thum in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Aufl., § 10 Rn. 14). Da der Aufsatz unter dem Namen des Beklagten veröffentlicht wurde, spricht die Vermutung des § 10 UrhG dafür, dass dieser alleiniger Urheber des Aufsatzes ist. Dass der Kläger in der ersten Fußnote in Verbindung mit einer Danksagung genannt war, führt nicht dazu, dass er im Rahmen der Vermutung des § 10 UrhG als (Mit-)Urheber anzusehen ist. Denn nach § 10 UrhG kommt es darauf an, wer in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist. Bei wissenschaftlichen Aufsätzen ist üblicherweise die unter dem Titel in der Autorenzeile genannte Person der Urheber. Sofern eine Miturheberschaft zwischen zwei oder mehr Personen vorliegt, wird dies durch Nennung der Personen in der Autorenzeile kenntlich gemacht. Bei (nicht unüblichen) Danksagungen in Fußnoten für Unterstützung, die im Gegensatz zur ausdrücklichen Nennung als Mitautor ein Minus darstellen, ist dagegen üblicherweise gerade keine Urheberschaft der in der Fußnote genannten Person gegeben.

Diese Vermutung hat der Kläger jedoch widerlegt. Für die Widerlegung der Vermutung des § 10 UrhG ist zwar der volle Gegenbeweis dafür erforderlich, dass der als Urheber Bezeichnete nicht der wahre Urheber ist. Dieser Beweis ist hier indes dadurch erbracht, dass der Beklagte bestätigt hat, dass er nicht Autor der vom Kläger per e-Mail übermittelten Urschrift des Aufsatzes ist. Da sich der in der X veröffentlichte Beitrag von dieser „Urschrift“ (Bl. 8-11R d. A.) nur durch die Hinzufügung einer aus fünf Sätzen bestehenden Einleitung, einiger weniger Umformulierungen im Text (z. B. 1. Seite 1. Absatz: Vorziehen des in Gedankenstriche gesetzten Einschubs „- in Einzelfällen auch höhere Beträge -“), Ergänzungen/Änderungen in vier Fußnoten und die Hinzufügung eines Goethezitats am Ende unterscheidet, handelt es sich bei der veröffentlichten Fassung weiterhin um das allenfalls unfrei bearbeitete (§§ 23, 24 UrhG) Werk des Klägers.

Der Aufsatz in der in der X abgedruckten Fassung erfüllt auch die Anforderungen an ein Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG. Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass es an einer eigenpersönlichen Schöpfung des Klägers deshalb fehle, weil dem Zeitschriftenbeitrag die A-Studie „…“ zugrunde liegt.

Die Veröffentlichung des Aufsatzes in der Zeitschrift X unter dem Namen des Beklagten war jedoch nicht widerrechtlich, weil der Kläger wirksam in diese Veröffentlichung eingewilligt hatte.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag der Veröffentlichung in der X unter dem Namen des Beklagten zugestimmt hat (LGU Seite 4). Diese Tatsachenfeststellung ist gemäß §§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat Entscheidungsgrundlage. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen. Etwas anderes gilt nur, soweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Hieran fehlt es. Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, erstinstanzlich vorgetragen zu haben, dass er der Veröffentlichung eines Plagiats nicht zugestimmt habe, ergeben sich daraus keine Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen. Der erstinstanzlich später mit Schriftsatz vom 5.5.2008 (Bl. 141 d.A.) gehaltene Vortrag des Klägers, er habe die Duldung, dass sein Aufsatz unter dem Autorennamen des Beklagten veröffentlicht wird, davon abhängig gemacht, dass der Beklagte den Aufsatz um einen wissenschaftlich fundierten, vor allem aber nennenswerten Beitrag ergänzt, steht im Widerspruch zu seinem Vortrag in der Klageschrift (Bl. 3/4 d.A.). Nach der Klageschrift war die Einwilligung des Kläger nur dahin eingeschränkt, dass eine von ihm vorgegebene Danksagung mit veröffentlicht würde (Bl. 3 d. A.). Trotz der abweichend formulierten Danksagung entschied sich der Kläger im Jahr 2002 dafür, nicht gegen die Veröffentlichung vorzugehen (Bl. 4 d. A.). Auch in dem vorgerichtlichen Schreiben vom 16.12.2006 heißt es zum Inhalt der Einwilligung lediglich, der Beklagte habe „entgegen der Erwartungen (des Klägers) … auch keine Zusätze verfasst“ (Bl. 23 d. A.), ohne dass eine entsprechende Bedingung des Klägers erwähnt wird. Im Übrigen erscheint der Vortrag auch nicht schlüssig. Hätte der Beklagte den Aufsatz um einen wissenschaftlich fundierten und nennenswerten Beitrag ergänzt, hätte wohl eine freie Bearbeitung des Beklagten vorgelegen, zu deren Veröffentlichung der Beklagte nicht der Zustimmung des Klägers bedurft hätte.

Es bestand insoweit auch keine Hinweispflicht des Landgerichts nach § 139 ZPO, weil die Veröffentlichungsabrede den Kern des Streits bildete. Der Kläger hätte nach seinen Ausführungen in der Berufungsbegründung im Fall eines Hinweises auch nur zu den rechtlichen Voraussetzungen für eine Ghostwriter-Vereinbarung vorgetragen.

Die Einwilligung des Klägers ist nicht nach § 138 Abs. 1 BGB wegen der Ausnutzung einer Zwangslage nichtig. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB nicht vor, weil es hier nicht um eine im Missverhältnis zur Leistung stehende Gegenleistung geht. Die Ausnutzung einer Zwangslage kann jedoch dessen ungeachtet die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB rechtfertigen (vgl. BGH NJW 1994, 1276; Palandt/Heinrichs § 138 Rdn. 35). Es kann offen bleiben, unter welchen Umständen dies der Fall ist. Im Streitfall ist ein sittenwidriges Ausnutzen einer Zwangslage des Klägers jedenfalls auszuschließen. Insofern hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass aufgrund der herausgehobenen Stellung des Klägers in dem Unternehmen eine sittenwidrige Zwangslage für den Kläger fernliegt und darüber hinaus auch nicht substanziiert dargelegt wurde. Insofern verhält sich die Streitsache auch anders als der vom Landgericht Berlin (GRUR 1983, 438 – Joseph Roth; dazu auch Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 31 Rdn. 117) entschiedene Fall, in dem der Autor Joseph Roth mit Wirkung für seine Erben für alle Zeiten, d.h. bis zum Ablauf der Schutzfristen, für alle Länder der Erde und für alle Nutzungsarten von jeder Verfügung über das Urheberrecht ausgeschlossen sein sollte. Zudem befand sich der Autor in seiner Pariser Emigration in „äußerst beengten Verhältnissen“ und benötigte ein Darlehen sowie einen dreijährigen Zahlungsaufschub für beim dortigen Kläger aufgenommene geringwertige Darlehen. Damit lassen sich die Befürchtungen des Klägers um seinen beruflichen Aufstieg nicht vergleichen. Hinzukommt, dass der Beklagte auch nach dem Vortrag des Klägers diesem keine Nachteile für den Fall angedroht hat, dass der Kläger sich nicht dazu bereit erklären würde, einen Zeitschriftenbeitrag zu verfassen und dessen Publikation unter dem Autorennamen des Beklagten zuzustimmen. Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Drohung unausgesprochen im Raum stand. Dass der Beklagte persönlich enttäuscht gewesen wäre, wenn der Kläger ihm den Wunsch abgeschlagen hätte, und sich gegebenenfalls seinerseits bei anderer Gelegenheit einem Wunsch des Klägers verschlossen hätte, reicht jedenfalls zur Annahme einer Zwangslage nicht aus.

Die Einwilligung ist auch nicht deshalb sittenwidrig, weil der Kläger dem Beklagten damit gestattet hat, sich wahrheitswidrig als Autor zu bezeichnen.

Bei einer Ghostwriter-Vereinbarung verpflichtet sich der Urheber einerseits zum Verschweigen der eigenen Urheberschaft, andererseits soll der Namensgeber die Möglichkeit erhalten, das Werk als eigenes in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Derartige Vereinbarungen werden soweit ersichtlich allgemein für zulässig gehalten, soweit es um politische Reden und Texte aktuellen politischen Inhalts geht (Dustmann in: Fromm/Nordemann, UrhR, 10. Aufl., § 13 Rn. 19; Dietz in: Schricker, Urheberrecht, 3. Aufl., § 13 Rn. 28; Dreyer in HK-UrhG, 2. Aufl., § 13 Rn. 41; Bullinger in Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 13 Rn. 22; Kroitzsch in: Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 13 Rn. 22).

Über diesen Bereich hinausgehend wird einerseits vertreten, eine solche Abrede sei grundsätzlich zulässig, weil der Ghostwriter nicht endgültig auf seine Urheberschaft verzichte, sondern die Abrede nach 5 Jahren kündigen könne (vgl. Dreier/Schulze, § 13 Rn. 31). Andererseits wird für Ghostwriterabreden bei Wissenschaftlern mit Blick auf die beruflich eminent wichtige Ehre als Wissenschaftler teilweise angenommen, eine solche Vereinbarung könne im Einzelfall sittenwidrig sein (vgl. Kroitzsch a.a.O.). Als problematisch angesehen wird eine Ghostwriter-Vereinbarung insbesondere im Verhältnis eines Hochschulprofessors zu seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern (vgl. Leuze, GRUR 2006, 552, 556 m.w.N.).

Jedenfalls in der hier vorliegenden Fallgestaltung ist die zwischen den Parteien getroffene Veröffentlichungsabrede nach Auffassung des Senats nicht sittenwidrig. Der Beklagte war zwar Lehrbeauftragter und später Honorarprofessor. Das Verhältnis der in einem Wirtschaftbetrieb tätigen Parteien entsprach jedoch nicht dem eines Hochschulprofessors zu seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern im universitären Forschungsbetrieb. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es sich um die Veröffentlichung von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen handelte, die ein besonderes wissenschaftliches Renommee hätten begründen können. Zu berücksichtigen ist zudem, dass es sich um eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift mit einer geringen Auflage handelte, die hauptsächlich von Bibliotheken bezogen wird. Schließlich kann nicht außer Betracht bleiben, dass der Aufsatz unter Zugrundelegung der Marktstudie gefertigt wurde, die unter Leitung des Klägers von Researchteam der A erstellt worden war. Mit Blick darauf, dass der Beklagte als Mitglied des Vorstands für die Leitung desjenigen Geschäftsbereichs zuständig war, dem das Researchteam der A organisatorisch angehörte, erscheint es nicht als sittenwidrig, dass der Kläger seine Zustimmung dazu erteilte, den Aufsatz unter dem Namen des für das Researchteam zuständigen Vorstandsmitglieds erscheinen zu lassen.

Die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Veröffentlichung hat die spätere Kündigung der Ghostwriter-Vereinbarung nicht beseitigt. Zeitlich nach der Kündigung ist eine Verletzung des Urheberrechts des Klägers nicht mehr erfolgt. Der Urheber kann in entsprechender Anwendung der §§ 40 Abs. 1 S. 2, 41 Abs. 4 S. 2 UrhG eine Ghostwriter-Vereinbarung, die ihn zum Verschweigen seiner Urheberschaft verpflichtet, nach fünf Jahren kündigen (Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 13 Rdn. 23 m.w.N.; Dreier/Schulze, § 13 Rn. 31). Die Kündigungsfrist beträgt 6 Monate (§ 40 Abs. 1 S. 3 UrhG) . Die 5-Jahresfrist wäre im August 2007 abgelaufen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte aber bereits veranlasst, dass der Aufsatz nicht mehr über das Internetportal des Verlages abrufbar war, und er hatte den Hinweis auf den Aufsatz bereits aus seinem Literaturverzeichnis entfernt.

Der Umstand, dass der Aufsatz bis dahin auch im Internet zugänglich war und über diese Quelle bezogen werden konnte, kann dem Beklagten nicht zugerechnet werden. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass er mit einer Veröffentlichung im Internet nicht gerechnet habe. Hieran ändert nichts, dass der Beklagte erklärt hat, er hätte einer Veröffentlichung im Internet ebenfalls zugestimmt, wenn der Verlag danach gefragt hätte. Eine neue Verletzungshandlung liegt in dieser auf die Vergangenheit bezogenen Erklärung entgegen der Auffassung des Klägers nicht.

Neues tatsächliches Vorbringen im Schriftsatz des Klägers vom 10.06.2009, der keine Veranlassung für eine Wiedereröffnung der der verfahrensfehlerfrei geschlossenen mündlichen Verhandlung bietet, bleibt gemäß §§ 296 a, 525 ZPO unberücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO) . Für die Entscheidung, ob die Ghostwriter-Abrede sittenwidrig ist, waren die konkreten Umstände des hier vorliegenden Einzelfalles maßgeblich.

© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei