Hamburg: Stadt Hamburg

„Brennt noch Licht“? – irreführende Angaben über die Lieferbarkeit von Waren

Urteil vom LG Hamburg

Entscheidungsdatum: 12.05.2009
Aktenzeichen: 312 O 74/09

Leitsätze

1. Wird eine Ware mit einer Lieferfrist von 2 bis 4 Tagen beworben und ist diese in Wirklichkeit nicht in der angemessenen Menge „zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage“ vorrätig, so ist darin eine Irreführung im Sinne der §§ 5 I, II Nr. 1, 5 a III Nr., 3 III in Verbindung mit Anhang Nr. 5 UWG zu sehen.
2. Gerade in den unwahren Angaben über die Lieferbarkeit der Ware liegt die Irreführung des Verbrauchers.
3. „Bei der Werbung für einen Versand im Internet erwartet der Verbraucher in der Regel jedoch, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei einem Dritten abrufen kann“.

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung vom 11. Februar 2009 wird bestätigt.

II. Die Antragsgegner tragen die weiteren Kosten des Verfahrens wie Gesamtschuldner.

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine ihrer Auffassung nach irreführende Werbung.

Die Parteien vertreiben im Internet Geräte aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik, u. a. Zubehör für sog. Beamer. Die Antragsgegnerin zu 1), deren Gesellschafter die Antragsgegner zu 2) und 3) sind, bewerben ihre Produkte in Preissuchmaschinen und in ihrem Online-Shop unter „m...24.de“.

Am 22.12.2008 bewarb die Antragsgegnerin zu 1) die „Sony VPL-PX31 Ersatzlampe (OM)“ in der Preissuchmaschine „i....de“ als lieferbar binnen 2 bis 4 Tagen und in ihrem Online-Shop als lieferbar binnen 5 bis 7 Tagen, obwohl die Antragsgegnerin zu 1) am 22.12.2008 über keinen Lagerbestand dieser Lampe verfügte. Nach der - im Übrigen bestrittenen - Lagerbestandsübersicht des Lieferanten der Antragsgegnerin zu 1), der Firma Firma U.... mit Sitz in Hong Kong, war das Gerät zumindest zwischen dem 21. und 29.12.2008 „out of stock“ (vgl. Anl. Ag 2 und Ag 3).

Auf eine Bestellung der „Sony VPL-PX31 Ersatzlampe (OM)“ durch eine Testbestellerin vom 22.12.2008 versendete die Antragsgegnerin zu 1) am selben Tag per Email eine Bestellbestätigung, in der die Lieferzeit mit „5-7 Tage“ angegeben war. Mit Email vom 29.12.2008 teilte die Antragsgegnerin zu 1) der Testbestellerin mit, dass die bestellte Lampe nicht mehr verfügbar sei und der voraussichtliche Liefertermin Ende Februar liege.

Mit Schreiben vom 02.02.2009 und unter Fristsetzung bis zum 05.02.2009 mahnte die Antragstellerin die Antragsgegner wegen unrichtiger Angaben zu Lieferfristen ab.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Bewerbung der als lieferbar angebotenen Beamer-Lampe. Sie hält diese Art der Werbung für wettbewerbsrechtlich unzulässig, da die Antragsgegner entgegen ihren Angaben in Preissuchmaschinen und in ihrem Online-Shop tatsächlich nicht in der Lage seien, die beworbene Beamer-Lampe innerhalb der angebotenen Lieferfrist zu liefern. Dies erfülle den Tatbestand der irreführenden Werbung.

Auf Antrag der Antragstellerin vom 09.02.2009 ist den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung mit Beschluss 11.02.2009 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Internet wie auch in sonstigen Angeboten für den Absatz von Beamer-Lampen, insbesondere für Ersatzmodelle für den Beamer „Sony VPL-PX31“, zu werben, wenn diese zu dem angekündigten Zeitpunkt nicht vorrätig sind und wenn die Antragsgegnerin auch nicht auf andere Weise in der Lage ist, die beworbenen Produkte zu dem angekündigten oder dem nach den Umständen zu erwartenden Zeitpunkt zu liefern.

Hiergegen wenden sich die Antragsgegner mit ihrem Widerspruch. Sie behaupten, dass die Lampe tatsächlich schon am 30.12.2008 wieder beim Lieferanten der Antragsgegner verfügbar gewesen sei, sodass die „Sony VPL-PX31 OM“ (bei fortbestehendem Interesse) innerhalb der Frist von 5 bis 7 Tagen zur Verfügung hätte gestellt werden können. Da keine Reaktion der Bestellerin erfolgt sei, habe die Antragsgegnerin zu 1) davon ausgehen müssen, dass kein Interesse mehr an der Lampe bestehe. Es habe sich um eine nicht vorhersehbare Lieferschwierigkeit gehandelt. Darüber hinaus stehe die Dringlichkeit in Frage, denn die Antragstellerin habe ihren Prozessbevollmächtigten bereits am 16. Dezember 2008 Vollmacht erteilt.

Die Antragsgegner beantragen,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 11. Februar 2009 aufzuheben und den darauf gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragstellerin verweist zur Begründung ihres Antrages vertiefend auf ihr Antragsvorbringen. Der Vortrag der Antragsgegner zeige, dass diese ihre Produkte unabhängig von der tatsächlichen Lieferbarkeit durchgängig als lieferbar beworben hätten. Erst nach der Bestellung werde der Kunde darüber informiert, dass eine Lieferung nicht möglich sei. Die Vollmacht vom 16.12.2008 beziehe sich auf einen anderen Streitgegenstand.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2009 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die einstweilige Verfügung vom 11.02.2009 hat sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als zu Recht ergangen erwiesen. Der Antrag ist zulässig und begründet.

1. Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ist gem. §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, 5 a Abs. 3 Nr. 4, 3 Abs. 3 i. V. m. Anhang Nr. 5 UWG begründet.

Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch ist das UWG in der seit dem 30.12.2008 geltenden Fassung anwendbar. Der Unterlassungsantrag der Antragstellerin, der auf Wiederholungsgefahr gestützt ist, kann allerdings nur bestehen, wenn das beanstandete Verhalten der Antragsgegner zur Zeit seiner Begehung einen Unterlassungsanspruch begründet hat und dieser auch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben ist. Dies ist der Fall, denn auch gem. §§ 3, 5 Abs. 1 und 5 UWG a. F., der im Übrigen unter Beachtung der bereits geltenden und nunmehr umgesetzten Richtlinie 2005/29/EG (UGP-RL) auszulegen war, stellt das Verhalten der Antragsgegner eine unlautere irreführende Werbung dar.

Im Einzelnen:

Die Tatbestandsvoraussetzungen einer irreführenden geschäftlichen Handlung durch unwahre und irreführende Angaben über die Lieferbarkeit liegen vor. Die Antragsgegner haben u. a. in ihrem Online-Shop eine Beamer-Lampe als lieferbar beworben, obwohl diese Lampe zu diesem Zeitpunkt bei dem Lieferanten nicht vorrätig war und auch nicht innerhalb der ausgelobten Fristen hätte geliefert werden können.

Am 22.12.2008 verfügte die Antragsgegnerin zu 1) bzw. ihr Zulieferer – zumindest vorübergehend - über keinerlei Lagerbestand. Gleichwohl haben die Antragsgegner – dies ist unstreitig - die streitgegenständliche Lampe an diesem Tag in Preissuchmaschinen binnen 2 bis 4 Tagen und in ihrem Online-Shop binnen 5 bis 7 Tagen als lieferbar beworben, obwohl die Antragsgegner selbst nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in der Lage waren, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Werbung die Lampe innerhalb der ausgelobten Fristen zu liefern. War die Lampe – dies zugunsten der Antragsgegner unterstellt – erst am 30.12.2008 beim chinesischen Zulieferer wieder verfügbar, so hätte es einer weiteren Lieferzeit von 5 bis 7 Tagen bedurft, und zwar gerechnet ab dem 30.12.2008. Der Antragsgegner zu 2) hat insoweit an Eides statt versichert, dass die Lieferzeit sich generell zusammensetze aus 3 bis 4 Tagen per Luftpost vom Zulieferer zur Antragsgegnerin zu 1) und weiterer 2 bis 3 Tage bis zum Endkunden.

Die Werbung der Antragsgegner begründet unter Berücksichtigung der zuvor festgestellten Umstände ohne weiteres den Vorwurf der Irreführung.

Irreführend i. S. d. 5 Abs. 1 Nr. 1, 5 a Abs. 3 Nr. 4, 3 Abs. 3 i. V. m. Anhang Nr. 5 UWG ist eine Werbung, wenn die Ware nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten wird. Welche Nachfrage zu erwarten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend ist, wie ein verständiger Unternehmer in der konkreten Situation des Werbenden die Nachfrage einschätzen würde. Dem Unternehmer ist insoweit ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen (Hefermehl/Köhler/Bonkamm, Unlauterer Wettbewerb-Gesetz, 27. Aufl. 2009, § 5, Rn. 8.11). In welchem Umfang bevorratet werden muss, d. h. wie viele Tage der Vorrat normalerweise reichen muss, hängt ganz von den Umständen des Einzelfalls ab. Reicht der Vorrat noch nicht einmal für zwei Tage, kann der Händler gleichwohl die Angemessenheit seiner Vorratshaltung darlegen. Er muss dazu nachvollziehbare Gründe dartun, die eine geringere Bevorratung rechtfertigen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Verbraucher eine gewisse Vorstellung von den Schwierigkeiten der Disposition haben und sich nicht irregeführt fühlen, wenn eine Ware wider Erwarten schneller abverkauft ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O., Rn. 8.13). Der Vorwurf der Irreführung kann z. B. dadurch ausgeräumt werden, dass der Händler angemessen disponiert hat, dann aber der Vorrat wegen einer unerwartet hohen Nachfrage doch nicht gereicht hat (vgl. BGH GRUR 1987, 371, 372 – Kabinettwein; BGH GRUR 1989, 609, 610 – Fotoapparate ), oder dadurch, dass unvorhergesehene, vom Händler nicht zu vertretende Lieferschwierigkeiten eingetreten sind. Solche Umstände muss der Händler allerdings substantiiert darlegen, etwa den genauen zeitlichen Ablauf der maßgeblichen Ereignisse, aus denen sich ergibt, dass die Nichtbelieferung durch den Hersteller für ihn überraschend und unvorhersehbar war und die Werbemaßnahme auch nicht mehr rechtzeitig abgesagt werden konnte (BGH GRUR 2002, 187, 189 – Lieferstörung ). Ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei einem Dritten abrufen kann, macht dabei keinen Unterschied.

Seitens der Antragsgegner fehlen bereits substantiierte Angaben dazu, wie sie bzw. ihr Zulieferer disponiert hatten. Ob die Antragsgegner angemessen disponiert haben, kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn das Verhalten der Antragsgegner rechtfertigt auch unabhängig davon den Vorwurf der Irreführung.

Zwar ist – wie ausgeführt - anzuerkennen, dass nicht in jeder Fehlleistung des Unternehmers im Hinblick auf die Lieferbarkeit notwendig eine Irreführung des Verkehrs zu sehen ist, selbst wenn dem ein Dispositionsfehler des werbenden Unternehmens zugrunde liegt. Dass es jedenfalls bei dem Angebot einer Vielzahl von Artikeln fast unvermeidlich zu vereinzelten Fehlleistungen kommen kann, ist offensichtlich. Da dies auch den von der Werbung angesprochenen Verkehrskreisen nicht unbekannt ist, kann diesen nicht schlechthin unterstellt werden, sie entnähmen in derartigen Fällen der Werbung eine generelle Aussage dahin, auch einzelne Fehlleistungen seien ausgeschlossen. Vielmehr müssen auch insoweit die Umstände des jeweiligen Falles in Betracht gezogen werden (BGH, Urt. v. 04.06.1986, I ZR 43/84 – Tomatenmark ).

Bei der Werbung für einen Versand im Internet erwartet der Verbraucher in der Regel jedoch, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt werden kann, unabhängig davon, ob der Werbende die Ware selbst vorrätig hält oder sie bei einem Dritten abrufen kann. Der Verkehr erwartet bei Angeboten im Internet, die anders als Angebote in einem Versandhauskatalog ständig aktualisiert werden können, mangels anders lautender Angaben mithin die sofortige Verfügbarkeit der beworbenen Ware. Die Rücksichtnahme auf diese Erwartung des Verkehrs belastet den Unternehmer, der einen Versandhandel betreibt und sein Warenangebot im Internet bewirbt, nicht in unzumutbarer Weise. Es bleibt ihm unbenommen, durch geeignete Zusätze auf einen bestimmten Angebotszeitraum oder Lieferfristen hinzuweisen, wenn er nicht in der Lage ist, eine Nachfrage tagesaktuell zu erfüllen. Dabei können die verbraucherschutzregelnden Bestimmungen bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz auf die Beurteilung der irreführenden Werbung im Bereich des Internet-Versandhandels grundsätzlich keine einschränkende Bedeutung haben (BGH, Urt. v. 07.04.2005, I ZR 314/04 – Internet-Versandhandel ).

Der von der Werbung der Antragsgegner angesprochene Durchschnittsverbraucher geht dementsprechend zumindest bei den im eigenen Online-Shop zum Verkauf beworbenen elektrischen Artikeln grundsätzlich von einer tagesaktuellen Lieferbarkeit und tagesaktuellen Lieferfristen der beworbenen Waren aus. Wird eine Lieferfrist angegeben, dann erwartet der Verbraucher mithin, dass die Ware innerhalb der angegeben Frist bei ihm eingeht. Bei einer kurzen Frist von 2 bis 4 bzw. 5 bis 7 Tagen, wie von den Antragsgegnern in Aussicht gestellt, erwartet der Durchschnittsverbraucher zudem, dass die Ware beim Werbenden selbst vorrätig oder sie bei einem Dritten abrufbar auf Lager ist und innerhalb dieser Frist – der voraussichtlichen Versanddauer - bei dem Besteller eingeht. Der angesprochene Verbraucher unterliegt bei der Werbung der Antragsgegner deshalb einer relevanten Fehlvorstellung, denn die Lieferbarkeitszusage und die Frist waren – anders als der Verkehr vorliegend erwartet hätte - nicht tagesaktuell.

2. Die Dringlichkeit ist gem. § 12 Abs. 2 UWG zu vermuten. Die Testbestellung ist am 22.12.2008 erfolgt, die Mitteilung der Antragsgegner, dass das Gerät nicht vorrätig sei, am 29.12.2008. Die Abmahnung wurde zwar erst am 02.02.2009 ausgesprochen, hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Mitteilung, das Gerät sei nicht verfügbar, kurz vor Neujahr erfolgt ist und insoweit die Feiertage zu berücksichtigen sind. Insgesamt ist der Zeitraum zwischen Kenntniserlangung von der fehlenden Lieferbarkeit trotz anderweitiger Ankündigung, Abmahnung und Antragstellung am 09.02.2009 – also insgesamt sechs Wochen – unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten noch nicht dringlichkeitsschädlich.

Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Antragstellerin in dringlichkeitsschädlicher Zeit Kenntnis von kerngleichen Verstößen der Antragsgegner gehabt hat. Eine früher ausgestellte Vollmacht belegt dies nicht. Dieser können auch, wie von der Antragstellerin unwidersprochen im Termin vorgetragen, andere Wettbewerbsverstöße zugrunde gelegen haben.

Die Entscheidung hinsichtlich der weiteren Kosten folgt aus § 91 ZPO

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