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"Ehrenmord" - in doppelter Hinsicht: Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts

Urteil vom LG Hagen

Entscheidungsdatum: 10.01.2007
Aktenzeichen: 8 O 212/06

Leitsätze

1. Ein Theaterstück, welches einen sog. „Ehrenmord“ als Vorlage hat und welches sich bei der Hauptrolle am „Vorbild“ der Verstorbenen orientiert, darf weder das Lebensbild noch die Menschenwürde der Getöteten durch die Darstellungsweise „herabwürdigen oder erniedrigen“.
2. Die Wert- und Achtungsansprüche eines Menschen bleiben auch nach dessen Tod bestehen und können durch die Angehörigen geltend gemacht werden.
3. Ist die Verstorbene als Person wiedererkennbar, besteht „ein Bedürfnis nach Verfremdung gegenüber dem realen Vorbild“, da ansonsten in die Intimsphäre der Verstorbenen eingegriffen wird.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, in den städtischen Bühnen das Stück „Aa“ des Autors Xy aufzuführen.

Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft bis zu zwei Jahren gegen sie festgesetzt wird.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von der Rechnung der Rechtsanwälte E und Partner eingetragene Partnergesellschaft vom 24. Mai 2006 in Höhe eines Betrages von 419,80 € freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Mutter der in der Nacht vom 30. zum 31.05.2004 in Z1- auf dem X-Platz "x" mit ca. 30 Messerstichen getöteten, zur Tatzeit 14-jährigen xx. Die Täter, zwei junge türkische Männer, wurden durch Urteil des Landgerichts Z1 (Az. 51 KLs 400 Js 396/04-65/04) wegen Totschlags und Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bzw. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und zu 10 bzw. 9 Jahren Jugendstrafe verurteilt. Die Klägerin hatte sich dem Strafverfahren als Nebenklägerin angeschlossen. Im Hinblick auf die vom Landgericht im Strafurteil getroffenen Feststellungen zum Tatvorgeschehen, zum Tatgeschehen und zu dem Geschehen nach der Tat wird auf das Urteil vom 16.03.2005, Anlage 3 zur Klageschrift, verwiesen.

Über die Tat wurde bundesweit mehrfach in Presse, Funk und Fernsehen ausführlich berichtet. Sowohl xx als auch die Klägerin waren in den Fernsehberichterstattungen auch zu sehen. Der Autor xy nahm die vorgenannte Tat zum Anlass, im Auftrag des Schauspiels F das streitgegenständliche Bühnenstück "aa" zu schreiben. Im Informationsblatt des Schauspiels F heißt es dazu unter der Vorstellung des Autors u.a.: ""aa" entstand im Auftrag des Schauspiel F in Anlehnung an einen authentischen Fall.".

Zu Beginn des Informationsblattes wird ausgeführt:

"Der "Hagener Mädchenmord" im Jahre 2004 gab xy den Anlass, sein fiktives Stück zum Thema "Ehre" zu schreiben. Hier ein Medienbericht zum Fall aus Z1:

Die tödliche Messerattacke mit 30 Stichen auf ein 14-jähriges Mädchen auf einem Q-Platz bei Z1 ist aufgeklärt. ...".

Wegen des übrigen Inhalts des Informationsblattes wird auf dessen Ablichtung auf Bl. 129 - 133 der Gerichtsakten Bezug genommen.

Im streitgegenständlichen Schauspiel erzählt der Autor xy in 25 Szenen episodenhaft im Wege von Rückblenden den Ablauf des Tages bis zur Tat sowie Ereignisse aus dem Leben der getöteten "b", die von dem überlebenden Opfer "n" in Monologen mitgeteilt werden. Hinsichtlich des Inhaltes des schriftlichen Bühnenstücks wird auf die als Anlage 9 der Klageschrift zur Gerichtsakte gereichte Textfassung (Bl. 138 ff) Bezug genommen.

Das Bühnenstück wurde von der Beklagten im städtischen Theater "t - junge C3 Z1" am 22.01., 25.01., 26.01., 02.02., 17.02., 01.03., 02.03., 22.03. und 26.03.2006 aufgeführt.

Mit Beschluss vom 05.04.2006 hat das Oberlandesgericht I dem Oberbürgermeister der Stadt Z1 im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen, in den städtischen Bühnen das Stück "aa" aufzuführen. Die Beklagte hat daraufhin die für die Folgezeit vorgesehenen Aufführungen "vorerst" gestrichen, hat allerdings vor, im Falle eines Obsiegens im Rechtsstreit, das Stück weiterhin aufzuführen. Die Klägerin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.02.2006 auffordern lassen, weitere Aufführungen des streitgegenständlichen Bühnenstücks zu unterlassen.

Die Klägerin behauptet, in der Figur "b" des Bühnenstücks sei ihre Tochter o wiederzuerkennen. "b" werde im Stück als trotz ihres jugendlichen Alters ihre Weiblichkeit freizügig zur Schau stellende, aufreizende und spontanen sexuellen Kontakten mit flüchtigen Bekannten aufgeschlossene Schlampe/ Hure dargestellt, der durch immer wieder auftauchende Provokationen gegenüber den Tätern mit dem Feuer spielend wesentliche Mitschuld am eigenen Tod zukomme. Auch werde dargestellt, dass "b" bereits erheblich strafrechtlich wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil von Mitschülerinnen in Erscheinung getreten sei. "b" trete zudem wiederholt als Diebin von Kleidungsstücken in Erscheinung, die außerdem versuche, andere Beteiligte zum Diebstahl von Unterwäsche anzustiften. Die Klägerin meint, diese negative Zeichnung verletze das Persönlichkeitsrecht ihrer Tochter und sei auch nicht durch die Kunstfreiheit gedeckt. Sie behauptet, das Stück zeichne ein extrem negatives Bild der "a". Für ehemalige Mitschüler, Bekannte und Freunde der Familie und jeden, der ihre Tochter mehr als nur oberflächlich gekannt habe, sei ohne Mühe die Identität ihrer Tochter mit der Bühnenfigur "b" zu erkennen. Auch Dritte, die xx nicht gekannt hätten, müssten aus der Darstellung im Stück auf ihre Tochter schließen. Die vorgenommenen Änderungen gegenüber den tatsächlichen Feststellungen könnten diese Erkennbarkeit nicht beseitigen. Vielmehr würden sich bemerkenswerte Details aus dem Stück auch im Urteil finden und seien Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen. Im Hinblick auf die einzelnen von der Klägerin beanstandeten Szenen und Dialoge im streitgegenständlichen Bühnenstück wird auf die Klageschrift vom 02.06.2006, dort die Seiten 16 - 29, 31, Bezug genommen.

Unstreitig ist, dass die Tochter der Klägerin von Freunden und Bekannten oder Mitschülern nicht für "Scheiße" oder "Dreck" gehalten worden ist. Unstreitig ist ferner, dass sich xx auch selbst nicht so eingeschätzt hat. Unstreitig ist außerdem, dass der Tochter der Klägerin für die Ausübung sexueller Praktiken niemals Geld angeboten worden ist, xx dafür niemals Geld angenommen hat und sich auch zu keinem Zeitpunkt als Hure oder Schlampe betätigt oder sich selbst so gezeichnet hat. Außerdem ist unstreitig, dass die Tochter der Klägerin keine derart transparente Kleidung zu tragen pflegte, dass man ihre Brüste hat sehen können, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt als Pornodarstellerin betätigt hat, dass sie nicht exhibitionistisch veranlagt war, dass sie nie wegen Diebstahls in Erscheinung getreten ist, zu keinem Zeitpunkt versucht hat, andere zum Diebstahl anzustiften, nie wegen gefährlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden ist und auch nie jüngere Mitschülerinnen geschlagen und getreten hat. Die Klägerin behauptet, dass sämtliche vorgenannten Umstände für die Zuschauer des Bühnenstücks nicht erkennbar seien. Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung der Einzelheiten des tatsächlichen Tathergangs und der in dem Stück mitgeteilten Informationen müssten die Zuschauer vielmehr darauf schließen, dass es in dem Stück um ihre Tochter gehe und diese die Charaktereigenschaften gehabt, die Handlungen ausgeführt und die Worte gesprochen habe, die im streitgegenständlichen Stück der Bühnenfigur "b" zugewiesen werden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in den städtischen Bühnen das Stück "aa" des Autors xy aufzuführen,

2. der Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft bis zu zwei Jahren gegen sie festgesetzt wird,

3. die Beklagte ferner zu verurteilen, sie von der Rechnung der Rechtsanwälte E & Partner eingetragene Partnergesellschaft vom 24.05.2006 in Höhe eines Betrages von 419,80 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, im Stück gehe es nicht um die Persönlichkeit der Tochter der Klägerin, sondern um die dramaturgische Zuspitzung in einem als typenhaft dargestellten Ausgangsfall eines Ehrenmordes. Das Stück nehme lediglich den konkreten Kriminalfall zum Anlass, um die dahinterstehende gesellschaftliche Problematik dramaturgisch-künstlerisch aufzuarbeiten. Die handelnden Personen seien Prototypen einer Konfliktlage, wie sie unabhängig vom Hagener Fall ein gesellschaftliches Phänomen seien. Sie ist der Auffassung, dass das Theaterstück auch nicht den Eindruck einer planen Dokumentation eines realen Geschehens erwecke, sondern als komplexes Kunstgefüge erscheine, das lediglich einen Anlass seiner Schöpfung in einem realen Geschehen habe. Dem Theater fehle schon die Möglichkeit, die dargestellte Handlung als Dokumentation eines realen Geschehens erscheinen zu lassen. Sie behauptet, dem Zuschauer im Theater sei immer bewusst, einer künstlichen "Aufführung" beizuwohnen. Sie meint, dass die mit der Präsentation als Theaterstück hervorgehende Verfremdung noch durch die dramaturgische Gestaltung verstärkt werde, dass im Bühnenstück das Geschehen in Rückblenden geschildert werde. Auch dadurch werde der Zuschauer gerade nicht darauf gelenkt, die Rollen als Abbilder von Individuen anzusehen, sondern als symbolhafte Träger typischer Verhaltensweisen zu deuten.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Aufführung des streitgegenständlichen Bühnenstücks aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz zu, da dieses Stück jedenfalls in der vorliegenden Fassung das von der Klägerin wahrzunehmende postmortale Persönlichkeitsrecht ihrer Tochter verletzt.

a) Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz wegen eines Eingriffs in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht ist zu verneinen, da die Person der Klägerin in den Personen, die in dem beanstandeten Theaterstück auftreten oder in den Dialogen geschildert werden, keine Entsprechung findet.

b) Die Klägerin ist als nächste Angehörige ihrer Tochter auch berechtigt, eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ihrer verstorbenen Tochter geltend zu machen (vgl. BVerfGE 30, 173; BGHZ 50, 133; OLG I - 9. Zivilsenat - NJW 2002, 109 m.w.N.).

c) Es liegt auch eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Tochter der Klägerin durch das Bühnenstück "aa" vor.

Das Recht jedes Menschen auf Schutz vor Eingriffen gegen seine Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz wirkt anerkanntermaßen auch über den Tod hinaus und führt zu einem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt und erniedrigt zu werden. Schutz genießt dabei insbesondere der sittliche, personale und soziale Geltungswert vor groben Entstellungen seines Lebensbildes. Die nächsten Angehörigen sind berufen, diesen fortwirkenden Wert- und Achtungsanspruch zu schützen (vgl. BVerfGE 30, 173; BGHZ 50, 133; OLG I - 9. Zivilsenat - NJW 2002, 109 m.w.N.).

Dabei kann ein Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts nur aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz, nicht aber aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz hergeleitet werden (vgl. BVerfG NJW 2001, 594 ff, 2957 ff). Dies hat zur Folge, dass, soweit eine Verletzung der Menschenwürde bejaht wird, der Schutz aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz nicht im Zuge einer Güterabwägung relativiert werden kann. Entscheidend ist vielmehr, dass, soweit ein Grundrecht gebraucht wird, es stets einer sorgfältigen Begründung bedarf, um ein Durchschlagen auf die unantastbare Menschwürde bejahen zu können.

Zwar besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei dem beanstandeten Bühnenstück um ein Kunstwerk handelt, welches den grundgesetzlichen Schutz in Anspruch nehmen kann. Diesen Schutz kann auch die Beklagte als Betreiberin der Jugendbühne in Anspruch nehmen. Das Bühnenstück stellt eine eigenständige schöpferische Leistung des Autors dar, in dem der zugrundeliegende Kriminalfall nicht lediglich dokumentarisch wiedergegeben, sondern dramaturgisch aufgearbeitet wird und so als Ausgangspunkt dient, um die Problematik des Aufeinandertreffens von Personen aus verschiedenen Kulturkreisen mit unterschiedlichen Ehrvorstellungen darzustellen.

Die Kunstfreiheit wird jedoch trotz des Fehlens eines in Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz ausdrücklich normierten Gesetzesvorbehalts nicht schrankenlos gewährt. Die grundrechtliche Freiheitsverbürgung geht vielmehr vom Menschenbild des Grundgesetzes aus. Diesem Menschenbild ist das Recht auf Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz als oberster Wert zugeordnet. Die Kunst muss daher die Menschenwürde Betroffener achten (vgl. BVerfGE 30, 173). In diese wird unzulässig eingegriffen, wenn das Lebensbild einer bestimmten Person, die dem künstlerisch dargestellten Geschehen erkennbar als Vorbild gedient hat, durch frei erfundene Zutaten grundlegend negativ dargestellt wird, ohne dass dies als satirische oder sonstige Übertreibung erkennbar ist (vgl. BGHZ 50, 133, 147). Je stärker dabei das durch ein Kunstwerk entworfene Persönlichkeitsbild beansprucht, sich mit der sozialen Wirklichkeit des Dargestellten zu identifizieren, desto schutzwürdiger ist das Interesse des Betroffenen an einer wirklichkeitsgetreuen Darstellung seiner Person. Hingegen führt eine weitgehende Verselbständigung der dargestellten Person gegenüber der als Vorlage dienenden Person zu einer Verminderung oder einem Entfallen eines Eingriffes in das Persönlichkeitsrecht (vgl. LG F, Urteil vom 06.10.2006, Az. 19 O 215/06 m.w.N.). Je weiter dabei durch ein Kunstwerk die Intimsphäre einer Person betroffen ist, um so größer ist das Bedürfnis nach Verfremdung gegenüber dem realen Vorbild (vgl. KG NJW-RR 2004, 1415).

Unter Berücksichtigung vorgenannter Grundsätze, denen sich die Kammer anschließt, überschreitet das von der Klägerin beanstandete Bühnenstück die Grenze der freien künstlerischen Betätigung zu Lasten des Rechtes der Tochter der Klägerin aus Art. 1 Grundgesetz.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung erscheint die Bühnenfigur "b" nicht lediglich als Kunstfigur. Nach dem Inhalt des Theaterstücks kann vielmehr kein Zweifel daran bestehen, dass Personen, die die Tochter der Klägerin kannten - und nur auf diese kommt es an (vgl. BVerfG NJW 2004, 3619 f) - diese in der Person der "b" unschwer wiedererkennen können, da dem Bühnenstück ersichtlich der sogenannte "k- Mädchenmord" zugrunde liegt. Die wesentlichen Umstände des Geschehens werden teilweise detailgetreu wiedergegeben, wie sie auch in dem Strafurteil der 1. großen Jugendkammer des Landgerichts Z1 gegen die für den Tod der Tochter der Klägerin verantwortlichen Täter festgestellt wurden. So schildert das Bühnenstück das Zusammentreffen von zwei Jugendlichen türkischer Herkunft mit zwei jüngeren Mädchen, eine Fahrt nach L, einen Streit zwischen "b" und "n", bei welchem "b" dem "n", der sie als Schlampe/ Hure bezeichnet, unter Hinweis auf einen zuvor ausgeführten ungeschützten Geschlechtsverkehr provoziert und schließlich den Totschlag des Mädchens auf einem Q-Platz mit zahlreichen Messerstichen. Allein durch das Verwenden anderer Namen und die Abänderung einiger Details wie etwa des Alters der "b" tritt keine derartige Verfremdung ein, dass die in dem Stück auftretenden Personen als Kunstfiguren ohne realen Bezug zu den Beteiligten des "k-Mädchenmords" erscheinen könnten. Aus dem unstreitigen Umstand, dass der "k- Mädchenmordfall" dem beanstandeten Bühnenstück ausdrücklich als Vorlage diente, folgt vielmehr, dass sich der Autor mit seinen wesentlichen Handlungssträngen gewollt am realen Geschehen orientiert. In einem Informationsblatt, welches für eine Aufführung desselben Bühnenstücks durch das Schauspiel F herausgegeben worden ist, wird die Verbindung zum realen Geschehen sogar ausdrücklich herausgestellt. Darin heißt es zwar zunächst, der "k-Mädchenmord" habe dem Autor nur den "Anlass" gegeben, ein "fiktives Stück" zum Thema Ehre zu schreiben. Dadurch, dass im unmittelbaren Anschluss ein Medienbericht zum Fall aus Z1 ausführlich wiedergegeben wird, wird aber wieder die Verbindung zum realen Geschehen hergestellt, so dass Zuschauer, die den tatsächlichen Fall nicht kannten oder nicht mehr im präsenten Gedächtnis hatten, ausdrücklich auf die Verbindung zwischen dem Kriminalfall und dem Bühnenstück hingewiesen werden, und bei ihnen auch kein Zweifel daran aufkommen kann, dass die Tochter der Klägerin das "Vorbild" für die Bühnenfigur "b" gewesen ist.

Die Kammer hat deshalb keinen Zweifel, dass die Zuschauer des Theaterstücks die weibliche Hauptrolle des Theaterstücks mit der Person der Tochter der Klägerin identifizieren werden. Mangels ausreichender Verfremdung können hieran auch die Umstände nichts ändern, dass sich der Besucher eines Theaterstücks aufgrund der Begleitumstände in einem hohen Maße bewusst ist, dass er Zuschauer einer künstlerischen Darbietung ist, das Geschehen in dem beanstandeten Stück in Rückblenden geschildert wird und mehrere Erzähl- und Handlungsebenen geschaffen worden sind mit Einführung eines als Interviewer tätigen Psychologen.

Dahingestellt bleiben konnte, ob sich an dieser Beurteilung etwas ändert, wenn seitens der Beklagten im Programmheft oder vor Beginn der Vorstellung darauf hingewiesen worden wäre oder wird, dass es sich bei dem Bühnenstück um eine reine Fiktion handelt und Ähnlichkeiten mit realen Personen, die tatsächlich existiert haben oder noch existieren, nicht gewollt sind und nicht bestehen. Unstreitig ist nämlich, dass ein solcher Hinweis seitens des Theaters nicht erteilt worden und auch für die Zukunft nicht beabsichtigt ist. Es ist aber nicht Aufgabe der Kammer festzulegen, unter welchen Voraussetzungen bzw. in welcher abgeänderten Form das Bühnenstück gezeigt werden könnte.

Durch die Darstellung der "b" wird auch das Lebensbild der verstorbenen Tochter der Klägerin entstellt und ihr Wert- und Achtungsanspruch nicht gewahrt. Die Darstellung der "b" beschränkt sich, wie sich aus der zur Akte gereichten Fassung des beanstandeten Bühnenstücks und den von der Klägerin in der Klageschrift wiedergegebenen Dialogen und Szenen ergibt, darauf, die Frühreife und starke sexuelle Ausrichtung der Verstorbenen sowie ihre charakterliche und moralische Haltlosigkeit darzustellen. Das Negativbild dieser Person wird verstärkt durch die Schilderung zusätzlich unwahrer und die Persönlichkeit negativ prägender Einzelheiten wie insbesondere die Darstellung als Ladendiebin, Anstifterin zum Ladendiebstahl und Schlägerin. Zudem wird "b" quasi als Prostituierte dargestellt, welche für die - vorgebliche - Bereitschaft zum Geschlechtsverkehr Geld annimmt. Gleiches gilt beispielsweise für die Szene, in der "b" einen Referendar bewusst durch Tragen eines extrem kurzen Minirocks und eines die Brust kaum verhüllenden Tops unablässig reizen und damit provozieren will. Zu dem engen Intimbereich, der besonderen Schutz erfährt, gehört auch die Szene, in der "n" rücklings auf dem C2 liegt in Erwartung des Geschlechtsverkehrs mit "ba", diese sich auch zunächst breitbeinig über "n" stellt, sich dann aber abwendet mit den Worten "sogar Huren haben manchmal keinen Bock".

Aufgrund dieser Konzentration auf das Negative der Persönlichkeit und die Verstärkung durch hinzugefügte unwahre Tatsachen, die ein Betrachter des Bühnenstücks jedoch nicht als solche erkennen kann, wird ein Persönlichkeitsbild gezeichnet, das bezogen auf die Tochter der Klägerin entstellend ist und sogleich auch die Intimsphäre der Tochter auf der C3 und damit in der Öffentlichkeit ausbreitet. Dies rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der Umstände, dass nach den Urteilsgründen der 1. großen Jugendkammer des Landgerichts Z1 eine durchaus problematische Entwicklung der Tochter der Klägerin vorlag und es vorliegend um den postmortalen Persönlichkeitsschutz geht, den Schutz der Menschenwürde der Tochter der Klägerin trotz des Umstandes, dass für die Aufführung des beanstandeten Theaterstücks die Kunstfreiheit streitet. Insoweit darf auch nicht außer Acht bleiben, dass die Tochter der Klägerin noch minderjährig war und das Recht den besonderen Schutz von Minderjährigen aufgrund ihrer Unreife zu achten hat und in zahlreichen Vorschriften des Zivil- und Strafrechts auch achtet (vgl. OLG I, Beschluss vom 05.04.2006, Az. 3 W 22/06).

Eine andere Entscheidung rechtfertigt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die dem Bühnenstück zugrunde liegende Straftat und die Lebensumstände der Tochter der Klägerin bereits Gegenstand zahlreicher und wiederholter Medienberichterstattung waren. Durch diesen Umstand wird das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen nicht gemindert. Vielmehr besteht gerade ein schützenswertes Interesse zugunsten der Verstorbenen daran, dass in einem Zeitpunkt, in welchem das Medieninteresse aufgrund des Abschlusses des Strafprozesses gegen die Täter beendet war, die Erinnerung an diese Tat und Lebensumstände nicht weiter in der Öffentlichkeit und damit in ihrem Bekanntenreis wachgehalten wird. Erst wenn die Erinnerung so weit verblasst ist, dass eine Auffrischung der Erinnerung durch das Aufführen des Theaterstücks bei dem maßgeblichen Personenkreis nicht mehr zu erwarten ist, mag ein weniger strenger Maßstab gerechtfertigt sein (vgl. OLG I, Beschluss vom 05.04.2006, Az. 3 W 22/06).

d) Eine Wiederholungsgefahr ist zu bejahen, da - unstreitig - die Beklagte beabsichtigt, das Stück weiterhin in Z1 aufzuführen.

2. Da ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegeben ist, ist auch nach § 890 Abs. 2, Abs. 1 ZPO ihrem Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes/ von Ordnungshaft zu entsprechen.

3. Zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 15.02.2006 hat auffordern lassen, weitere Aufführungen zu unterlassen. Nach § 286 Abs. 1 BGB kann die Klägerin deshalb unter Verzugsgesichtspunkten die Freistellung von durch die außergerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen und nicht anrechnungsfähigen Kosten verlangen. Letztere berechnen sich nach einem Gegenstandswert in Höhe von 12.000,00 € wie folgt:

0,65 Geschäftsgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG, Nr. 2400 VV RVG: 341,90 €

Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €

Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), Nr. 7008 VV RVG (16 %): 57,90 €

ergibt: 419,80 €.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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