Das Landgericht Flensburg traut sich was und entscheidet für Wertersatz bei Widerruf von eBay-Käufern
Oftmals orientieren sich Gerichte in ihrer Spruchpraxis an folgendem Motto: „Wo kämen wir denn dahin?” Mit dieser Art der Argumentation, die natürlich immer juristisch aufwendig verkleidet sein will, nahm nun auch das LG Flensburg (Urteil vom 23.08.2006, Aktenzeichen 6 O 107/06) einer wirtschaftlich unsinnigen Konsequenz aus an sich plausiblen Urteilen der letzen Zeit zum überaus komplizierten Fernabsatzgesetz die Spitze. So sprach das Gericht einem eBay-Verkäufer den vom Gesetzgeber gewollten Wertersatzanspruch nach dem Widerruf des Verbrauchers zu – was heutzutage gewiss keine Selbstverständlichkeit mehr darstellt!
1. Was ist der rechtliche Hintergrund?
Das aktuelle Urteil des LG Flensburg muss im Zusammenhang mit einem auch erst vor wenigen Wochen ergangenen Urteil des OLG Hamburgs (Urt. v. 24.08.2006 - Az.:3 U 103/06) gebracht werden. So entschied der Hamburger Senat, dass die Widerrufsfrist bei eBay-Geschäften einen Monat und nicht wie sonst bei Fernabsatzgeschäften üblich 14 Tage betrage. Der Grund liege darin, dass es bei Online-Plattformen wie eBay prinzipbedingt nicht möglich sei, dem jeweiligen Ersteigerer vor Abschluss des Kaufvertrages die Widerrufsbelehrung in Textform (also z.B. als Mail oder Fax) zu senden bzw. mitzuteilen. Ein Abdruck der Widerrufsbelehrung auf der Homepage erfülle das Textformerfordernis gerade nicht, da es technisch möglich sei diese Speicherung wieder aufzuheben. Zudem müsse die Erklärung ”mitgeteilt” worden sein. Auch daran fehle es jedoch bei eBay-Geschäften in aller Regel, wenn man nur auf die Speicherung und damit nur auf die Abrufbarkeit bei ”eBay” abstelle. Aus diesem Grund greife insoweit nicht das sonst im E-Commerce übliche 14-tägige Widerrufsrecht, sondern vielmehr die verlängerte 1-Monats-Frist (vgl. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB) .
Diese Rechtsprechung hat nun nicht nur Auswirkungen auf die bereits erwähnte Widerrufsfrist –sie tangiert vielmehr auch den Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz. Wertersatz für den bestimmungsgemäßen Gebrauch muss eben nur für den Fall geleistet werden, dass der Verbraucher auch tatsächlich spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde. Nur, gerade dies ist nach Ansicht des OLG Hamburgs aber nicht möglich, so dass § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB Anwendung findet. Dies hat wiederum zur Folge, dass bei einer bloß bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme ein Wertersatz komplett außer Acht bleibt.
Beispiel: Ein Verbraucher könnte also seine bei eBay gekauften neuen Skier für einen Urlaub nutzen und dann nach drei Wochen zurückschicken, ohne Wertersatz zu zahlen.
Sollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzen wäre dem Missbrauch natürlich Tür und Tor geöffnet, da nun ein Verbraucher bei eBay einen Gegenstand kaufen könnte, diesen ca. 3 Wochen benutzen würde um sodann von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, ohne dass er zumindest in finanzieller Hinsicht für die Ingebrauchnahme im Rahmen eines Wertersatzanspruches herangezogen werden könnte.
2. Aktueller Fall des Landgerichts Flensburg
Nun musste das Landgericht Flensburg (Urt. v. 23.08.2006 - Az.:6 O 107/06) über einen Fall entscheiden, bei welchem ein eBay-Verkäufer erfolglos abgemahnt und dann verklagt worden ist, weil er in seinen AGB die gesetzlich vorgesehene Wertersatzklausel verwendet hatte. Die Gegenseite argumentierte, dass dies wettbewerbswidrig sei, da der Verbraucher die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss erhalten hätte, und der Verkäufer sich in seinen AGB aus diesem Grund auch nicht auf die Wertersatz-Bestimmungen hätte berufen dürfen.
Das LG Flensburg sah dies jedoch anders und nahm an, dass bei eBay durchaus Wertersatz bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme geltend gemacht werden könne. So erfolge eine Belehrung bei eBay in der gesetzlich vorgeschrieben Textform, da eBay-Angebote unter einer Auktionsnummer abgespeichert würden und damit auch einsehbar seien. Unter mutiger Auslegung des § 312 c Abs. 2 Nr. 2 BGB kam das LG Flensburg zudem zu dem Ergebnis, dass es durchaus ausreiche, wenn der Unternehmer dem Verbraucher die Vertragsbestimmungen und sonstigen zwingenden rechtlichen Informationen erst bei der Lieferung von Waren mitteile.
Achtung: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und der Rummel um die korrekte Widerrufsbelehrung in Textform und die Konsequenzen ihres Fehlens hält an. Wenn der Gesetzgeber hier nicht klärend eingreift, wird diese Frage wohl letztinstanzlich entschieden werden müssen.
3. Handlungsempfehlung an eBay-Verkäufer
Prinzipiell ist es immer noch ratsam, das gesetzliche Widerrufsmuster unverändert weiterhin zu verwenden. Das Formular hat aufgrund einer rechtlichen Neuregelung seit dem 8. Dezember 2004 den Rang eines Gesetzes und ist ab diesem Zeitpunkt in Bezug auf Neuverträge wirksam. Nur, manche Gerichte machen auch vor der Musterwiderrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums nicht Halt. So entschied etwa das LG Halle in seinem erst vor kurzem bekannt gewordenen Urteil bereits Mitte Mai des vorigen Jahres (Az. 1 S 28/05, abrufbar unter www.it-recht-kanzlei.de), dass das Muster nicht das Papier wert sei, auf dem es gedruckt sei. So führe das Formular den Verbraucher in die Irre, weil ihm unter anderem nicht deutlich genug vor Augen geführt werde, ab wann die Widerrufsfrist überhaupt beginne. Da einige Formulierungen nicht dem Paragrafen 355 BGB ausreichend Rechnung tragen würden, sei das amtliche Muster schlicht wirkungslos.
Wer daher wirklich sicher gehen bzw. sich jeglichen Ärger von vornherein ersparen möchte, sollte sich eine individuelle Widerrufsbelehrung erstellen lassen – freilich nur von Rechtsanwälten, die sich im Bereich des IT-Rechts spezialisiert haben
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