Bleichmittelkartell – Kommission verhängt Geldbußen in Höhe von 388,128 Millionen Euro gegen sieben Unternehmen
Die Firma Degussa, die sich ebenfalls des wiederholten Verstoßes gegen die Kartellregeln schuldig gemacht hat, blieb von einer Sanktion verschont: dem Unternehmen wurde die Geldbuße vollständig erlassen, weil es das Kartell angezeigt hatte. Im Prinzip unterliegt auch L’Air Liquide (mit ihrer Tochter Chemoxal) der Verbotsentscheidung, da sie aber 1998 aus dem Markt ausschied, ist die Kommission nicht mehr berechtigt, Geldbußen gegen das Unternehmen zu verhängen. Die neun betroffenen Unternehmen tauschten vertrauliche Informationen von wirtschaftlicher Bedeutung untereinander aus, schränkten die Produktion ein, teilten Markt und Kunden untereinander auf und setzten zwischen 1994 und 2000 (Ziel-)Preise für Wasserstoffperoxid und Perborat im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) fest und überwachten sie.
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte: „Kartelle stellen ein unannehmbares Geschäftsgebaren dar, das die Kunden um die Vorteile des Binnenmarktes bringt. Die verhängten Geldbußen sind so hoch, weil manche Unternehmen wiederholt gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen haben. Sowohl Vorstände als auch Aktionäre sollten sich fragen, wie es dazu kommen konnte, dass diese Praktiken nicht unterbunden wurden.”
Wasserstoffperoxid ist ein Oxidationsmittel, das als Bleichmittel in der Zellstoff- und Papierherstellung sowie in der Textilindustrie, zur Desinfektion und im Umweltbereich, wie z. B. in der Abwasserbehandlung, verwendet wird. Es dient außerdem als Rohstoff in der nachgelagerten Produktion von Peroxidprodukten wie z. B. den Persalzen (zu denen auch Perborat gehört). Perborat wird hauptsächlich als Wirkstoff in synthetischen Waschmitteln und Waschpulvern verwendet. Bereits 1984 wurden Kartelle auf dem Wasserstoffperoxid- und Perboratmarkt, an denen Degussa, Solvay, Atochem (heute Arkema) und L’Air Liquide beteiligt waren, per Kommissionsentscheidung verboten. 2000 wurde der EWR-Marktwert von Wasserstoffperoxid und Perborat auf insgesamt rund 470 Mio. EUR geschätzt.
Degussa beantragte im Dezember 2002 einen vollständigen Geldbußenerlass. Anschließend führte die Kommission im März 2003 Nachprüfungen bei Atofina (heute Arkema) und Solvay durch, woraufhin mehrere Unternehmen Anträge auf Ermäßigung der Geldbußen beantragten.
Klare Anhaltspunkte
Am deutlichsten ergibt sich der Tatbestand des Verstoßes aus dem Protokoll einer Sitzung der Wettbewerber Anfang 1995, in dem ein „Modell zur Aufteilung unter den Herstellern” erwähnt wird.
Bei einem Treffen in einem Brüsseler Restaurant am 26. November 1997 wurde über die Umsetzung und Bewertung von Preiserhöhungen gesprochen, die bei einem Treffen von Führungskräften im August 1997 beschlossen worden waren. Außerdem wurden weitere Preiserhöhungen geplant.
Aus den Aufzeichnungen eines weiteren Treffens unter Führungskräften Anfang 1988 geht hervor, dass die Anwesenden die gelungene Umsetzung der Preiserhöhung von Oktober/November 1997 begrüßten und sich vergewisserten, dass alle Beteiligten sich an die Umsetzung der in diesem und in früheren Treffen festgelegten Leitlinien gehalten hatten.
Geldbußen
Die Kommission stellte fest, dass es sich bei den fraglichen Praktiken um einen besonders schweren Verstoß handelt. Bei der Festsetzung der Geldbußen berücksichtigte sie die Größe des EWR-Marktes, die Dauer des Kartellverstoßes und die Größe der beteiligten Firmen. Die Geldbußen der Firmen, die wiederholt gegen das Kartellrecht verstoßen haben, wurden von der Kommission um 50 % erhöht.
Die von einigen Unternehmen angebotene Zusammenarbeit, aus der sich wichtige Informationen zur Aufdeckung der Zuwiderhandlung ergaben, wurde entsprechend der Kronzeugenregelung der Kommission belohnt (siehe IP/02/247 und MEMO/02/23). Degussa wurde die Geldbuße, die 129,938 Mio. EUR betragen hätte, vollständig erlassen. Den Unternehmen Akzo/EKA, Total/Elf Aquitaine/Arkema und Solvay wurde aufgrund der von ihnen zur Verfügung gestellten Informationen eine Ermäßigung ihrer Geldbuße gewährt. Eine Ermäßigung hängt nicht nur von der Nützlichkeit der Informationen ab, sondern auch davon, wann sie geliefert werden. In diesem Fall wurden innerhalb von Tagen bzw. Stunden mehrere Anträge eingereicht.
Da Air Liquide an dem letzten Kartell in der Branche beteiligt war und umfangreiches Material darüber vorliegt, dass sich Air Liquide bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Markt an den Zuwiderhandlungen beteiligt hat und dabei eine ähnliche Rolle wie die übrigen Kartellmitglieder spielte, erließ die Kommission auch gegen Air Liquide/Chemoxal eine Entscheidung, obwohl die fünfjährige Verjährungsfrist für die Verhängung von Geldbußen bereits bei Eröffnung der Untersuchung abgelaufen war (das Unternehmen war 1988 aus dem Wasserstoffperoxidmarkt ausgeschieden). Die Entscheidung gibt Geschädigten die Möglichkeit, gegen alle Kartellmitglieder vor einem nationalen Gericht zu klagen.
Schadenersatzklage
Personen oder Unternehmen, die von dem hier beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten Klage auf Schadenersatz erheben und Teile der veröffentlichten Entscheidung der Kommission als Beweis vorlegen, dass das Verhalten tatsächlich stattgefunden hat und rechtswidrig war. Bei der Gewährung von Schadenersatz erfolgt keine Verrechnung mit dieser Geldbuße.
Quelle: PM der Europäischen Kommission
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