Kein Ausschluss des Widerrufsrechts: Beim Kauf von Autoreifen im Internet (LG Hannover)

Kein Ausschluss des Widerrufsrechts: Beim Kauf von Autoreifen im Internet (LG Hannover)
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Beitrag vom: 05.11.2009

Das LG Hannover hatte zu befinden, ob beim Kauf eines Reifenbaums und individuell zusammengestellter und vom Händler montierter Autoreifen auf Felgen, das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312d IV Nr.1 BGB ausgeschlossen ist. Das Landgericht Hannover folgt im Ergebnis der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2003 und verneint im konkreten Fall einen Ausschluss des Widerrufsrechts.

1. Was war im Fall passiert?

Ein Verbraucher (Kläger) bestellte im Internet vier Autoreifen samt Felgen und einen Reifenbaum. Der Verbraucher hatte hierbei auf der Internetseite der Beklagten die Möglichkeit aus verschiedenen Reifen und Felgen auszuwählen. Die Beklagte zog die bestellten Reifen auf die Felgen auf und lieferte diese, zusammen mit dem bestellten Reifenbaum an den Kläger aus. Als in der Folge der Kläger den Kaufvertrag widerrief, weigerte sich die Beklagte den Vertrag rückabzuwickeln. Die Beklagte war der Auffassung, dem Kläger stehe kein Widerrufsrecht zu, da ein solches von Anfang an nicht bestanden habe. Die Beklagte stützte sich hier auf § 312d IV Nr.1 BGB, der ein Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließt, wenn die gelieferten Waren nach Kundenspezifikation angefertigt wurden. Die Beklagte begründete ihre Auffassung damit, dass sie die Reifen nach dem Wunsch des Klägers auf die Felgen gezogen habe und die Felgen bei Demontage eine Substanzveränderung erleiden würden und gerade deshalb nicht mehr als neuwertig verwendet werden könnten.

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2. Die Entscheidung des LG Hannover

Das LG Hannover verneinte das Vorliegen einer Ware, die nach Kundenspezifikationen angefertigt wurde und begründete seine Rechtsansicht mit einer Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 19.03.2003; Az.:VIII ZR 295/01) aus dem Jahre 2003. Der BGH hatte in seiner Entscheidung einen Ausschluss des Widerrufsrechts aufgrund kundenspezifischer Anfertigung an folgende Bedingungen geknüpft:

„Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist deshalb nur dann wegen Anfertigung der Ware "nach Kundenspezifikation" ausgeschlossen, wenn der Unternehmer durch die Rücknahme auf Bestellung angefertigter Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, die spezifisch damit zusammenhängen und dadurch entstehen, daß die Ware erst auf Bestellung des Kunden nach dessen besonderen Wünschen angefertigt wurde.(…)

Nur wenn der Unternehmer (…) besondere Nachteile erleidet, die gerade durch die Anfertigung nach Kundenspezifikation bedingt sind, kann dem Unternehmer ein Widerrufsrecht des Verbrauchers und die damit verbundene Pflicht zur Rücknahme der Ware - ausnahmsweise - nicht zugemutet werden.“

Das LG Hannover übernimmt die Formel des BGH der „unzumutbaren Beeinträchtigung“ als Beurteilungsmaßstab und verneint im Ergebnis dessen Vorliegen. Das Gericht begründet die mangelnde unzumutbare Beeinträchtigung der Beklagten damit, dass die Beklagte eine solche Beeinträchtigung schon nicht dargelegt hatte. Hiernach wäre es nötig gewesen vorzutragen, dass die Reifen, bzw. Felgen nur mit einem erheblichen Preisnachlass hätten weiter veräußert werden können. Das Gericht stellt darüber hinaus klar, dass der Vortrag der Beklagten, die Demontage würde eine Substanzveränderung der Felgen herbeiführen, nicht ausreiche, um eine unzumutbare Beeinträchtigung zu begründen. Ebenso genüge es nach Ansicht des LG Hannover nicht, auf Schwierigkeiten der Rückabwicklung mit den Herstellern zu verweisen.

3. Fazit

Die Entscheidung des LG Hannover erscheint auf dem ersten Blick sehr verbraucherfreundlich, allerdings darf diese Rechtsprechung in ihren Auswirkungen nicht überbewertet werden. Zwar hatte das LG Hannover zu Lasten der Händlerin entschieden. Der Grund hierfür lag vor allem in der mangelnden Darlegung einer unzumutbaren Beeinträchtigung. Hätte die Händlerin vorgetragen, dass eine Veräußerung der Reifen und Felgen nur mit einem erheblichen Preisnachlass hätten veräußert werden können, wäre das Gericht durchaus geneigt gewesen eine unzumutbare Beeinträchtigung der Händlerin und damit eine kundenspezifische Anfertigung zu bejahen, was im Ergebnis zu einem Ausschluss des Widerrufsrechts geführt hätte.

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1 Kommentar

T
Tobias Q. 11.11.2009, 23:36 Uhr
Das Fazit als wichtiger Hinweis
Ich finde es wichtig, dass im Fazit auf die Fehler seitens der Händlerin, bzw. deren Vertretung vor Gericht hingewiesen wird. Leider entsteht nämlich bei einem "Überfliegen" der Meldung im WWW an vielen Stellen der Eindruck, dass dieses Urteil übertragen richtungsweisend sei.

Da Reifen sowohl bei der Montage, als auch bei der Demontage hohen Kräften ausgesetzt sind, die einem gewissen Verschleiss entsprechen, wird wohl kein Verbraucher einen bereits vormontierten und wieder demontierten Radsatz als "neu" erwerben wollen. Somit ist von einer Wertminderung der Ware auszugehen. Der Reifengroßhandel schließt in seinen AGB eine Rücknahme von montierter Ware gegeüber dem Händler aus, oder belegt diese mit derart hohen Pauschalen, dass diese für den Montagebetrieb unattraktiv wird.
Weiterhin gibt es sogenannte "Runflat"-Reifen die nur ein einziges Mal montiert werden können und bei der Demontage unbrauchbar werden.

In jedem Fall werden Reifen und Felge kundenspezifisch beim Grosshandel bestellt und montiert. Auch wenn der § 312d IV Nr.1 BGB oft missbräuchlich Verwendung findet, halte ich ihn gerade in diesem Fall für notwendig. Denn die Alternative wäre, dass der Händler die zurückgenommene, möglicherweise mehrfach montierte und demontierte Ware zu einem späteren Zeitpunkt als "neu" verkauft.

Vielleicht hätte die Händlerin den/die Richter einfach einmal zu einer Reifenmontage / -demontage in die Werkstatt einladen sollen, um zu demonstrieren, welche "Arbeit" ein Reifen in dem Moment leistet, während er über das Felgenhorn gezogen wird.

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