Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen: Welche Wirtschaftsverbände dürfen abmahnen?

Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen: Welche Wirtschaftsverbände dürfen abmahnen?
13.07.2023 | Lesezeit: 9 min

Neben Wettbewerbern dürfen in Deutschland auch bestimmte Wirtschaftsverbände in eigenem Namen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen aussprechen. Allerdings sind hierzu aufgrund einer Gesetzesänderung im Dezember 2020 insbesondere nur noch solche Wirtschaftsverbände berechtigt, die in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG oder in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) eingetragen sind. Fehlt es an einer solchen Eintragung, kann dies auch Auswirkungen auf die Geltendmachung von Ansprüchen haben, die auf Gerichtstiteln beruhen, welche bereits vor der Gesetzesänderung erwirkt wurden, wie eine aktuelle Gerichtsentscheidung des OLG Hamm zeigt.

I. Rechtlicher Hintergrund

Am 02.12.2020 ist in Deutschland das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in Kraft getreten. Dieses sah u. a. Änderungen zu den Voraussetzungen der Aktivlegitimation für Wirtschaftsverbände vor, die in eigenem Namen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen aussprechen dürfen.

Nach der bis dahin gültigen Rechtslage (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a. F.) konnten u. a. auch rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen in eigenem Namen abmahnen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehörte, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande waren, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührte.

Auf diese Regelung beriefen sich seinerzeit einige Verbände bei ihren wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, wenn sie nicht in die schon damals bestehende Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen waren.

Da es sich hierbei jedoch um eine reichlich unbestimmte Regelung handelte und die Erfahrungen in der Praxis zeigten, dass sich auch Verbände mit eher fragwürdigem Hintergrund diese Rechtsgrundlage für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zunutze machten, wollte der Gesetzgeber dieser Möglichkeit mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs einen Riegel vorschieben.

II. Aktuelle Voraussetzungen für die Aktivlegitimation

Nach der aktuellen Regelung des § 8 Abs. 3 UWG sind neben Mitbewerben nur noch folgende Institutionen berechtigt, Wettbewerbsverstöße von Unternehmen in eigenem Namen zu verfolgen:

- diejenigen rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt,

- qualifizierte Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind,

- die Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.

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1) Qualifizierte Wirtschaftsverbände nach dem UWG

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) führt eine Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Qualifizierte Wirtschaftsverbände, die in diese Liste eingetragen sind, können bei Verwendung unwirksamer Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, bei unwirksamen Individualvereinbarungen, bei verbraucherschutzgesetzeswidrigen Geschäftspraktiken oder bei unlauteren geschäftlichen Handlungen von ihrem Verbandsklagerecht auf Unterlassung und auf Widerruf Gebrauch machen.

Eintragungsfähig sind gemäß § 8b Abs. 2 UWG rechtsfähige Verbände, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, gewerbliche oder selbstständige berufliche Interessen zu verfolgen und zu fördern sowie zu Fragen des lauteren Wettbewerbs zu beraten und zu informieren, wenn

1. sie mindestens 75 Unternehmer als Mitglieder haben,

2. sie zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr ihre satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen haben,

3. auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass sie

a) ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden und

b) ihre Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen werden, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen,

4. ihren Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Verbandsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verband tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden.

Die aktuelle Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG ist hier einsehbar.

2) Qualifizierte Einrichtungen nach dem UKlaG

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) führt eine Liste qualifizierter Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG). Es übermittelt die Liste mit Stand zum 1. Januar und zum 1. Juli eines jeden Jahres an die Europäische Kommission unter Hinweis auf Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2009/22/EG. Qualifizierte Einrichtungen, die in diese Liste eingetragen sind, können bei Verwendung unwirksamer Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, bei unwirksamen Individualvereinbarungen oder bei verbraucherschutzgesetzwidrigen Geschäftspraktiken von ihrem Verbandsklagerecht auf Unterlassung und auf Widerruf Gebrauch machen.

Eintragungsfähig sind gemäß § 4 Abs. 2 UKlaG eingetragene Vereine, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wenn

1. sie mindestens drei Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder haben,

2. sie zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister eingetragen sind und ein Jahr ihre satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen haben,

3. auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass sie

a) ihre satzungsgemäßen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen werden und

b) ihre Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen werden, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen,

4. den Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Vereinsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verein tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden.

Die aktuelle Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG ist hier einsehbar.

III. Rechtsfolgen bei fehlender Eintragung

Wirtschaftsverbände, die nicht in eine der vorgenannten Listen eingetragen sind, können Wettbewerbsverstöße von Unternehmen nicht in eigenem Namen verfolgen und sind damit insbesondere nicht berechtigt, wettbewerbsrechtliche Abmahnungen in eigenem Namen auszusprechen.

Dass die fehlende Eintragung aber auch negative Folgen für die Durchsetzung gerichtlicher Unterlassungstitel aus der Zeit vor der o. a. Gesetzesänderung haben kann, zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 15.05.2023 - 4 W 32/22), in der dieses einen Ordnungsgeldantrag des IDO - Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (IDO) wegen mangelnder Antragsbefugnis zurückwies.

Der IDO, welcher in der Vergangenheit durch massenhafte Abmahnungen von Online-Händlern aufgefallen ist, wurde bisher nicht in eine der o. a. Listen eingetragen. Gleichwohl hat der IDO in der Vergangenheit zahlreiche Unterlassungserklärungen und vereinzelt auch gerichtliche Unterlassungstitel von abgemahnten Online-Händlern „eingesammelt“.

In dem vom OLG Hamm zu entscheidenden Fall hatte der IDO im Jahr 2018 beim Landgericht Essen eine einstweilige Verfügung gegen die Schuldnerin erwirkt, mit der dieser untersagt wurde, mit einer „Garantie“ zu werben, ohne gleichzeitig nähere Angaben zum Inhalt und zur Ausgestaltung dieser Garantie zu machen. Die Schuldnerin hatte zu dieser einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung abgegeben.

Am 11.11.2021 beantragte der IDO beim Landgericht Essen die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Schuldnerin, da sie gegen die einstweilige Verfügung verstoßen habe. Der Ordnungsmittelantrag wurde vom Landgericht Essen mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem IDO als Gläubiger die erforderliche Prozessführungsbefugnis fehle. Gegen diesen Beschluss erhob der IDO sofortige Beschwerde zum OLG Hamm mit der er seinen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln weiterverfolgte. Das OLG Hamm wies die sofortige Beschwerde jedoch zurück, da das Landgericht Essen den Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln zu Recht zurückgewiesen habe.

Das OLG Hamm begründete seine Entscheidung insbesondere damit, dass dem IDO aufgrund der fehlenden Eintragung in eine der o. a. Listen die Antragsbefugnis fehle:

Dem Gläubiger fehlt die erforderliche Antragsbefugnis.

Die Regelungen in § 8 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 UWG über die Befugnis von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen haben nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der auch der erkennende Senat folgt, eine “Doppelnatur”: Sie regeln nicht nur die materiellrechtliche Anspruchsberechtigung (Sachbefugnis oder Aktivlegitimation), sondern in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch die Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. [2023], § 8 Rdnr. 3.9 m.w.N.).

Diese Prozessführungsbefugnis muss, soweit es – wie im vorliegenden Falle – um einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG geht, nicht nur im Erkenntnisverfahren vorliegen, sondern auch noch bei der anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruches im Wege der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben sein […].

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das OLG Hamm hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

IV. Fazit

Durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs ist die Befugnis von Wirtschaftsverbänden, Wettbewerbsverstöße von Unternehmen in eigenem Namen zu verfolgen, stark eingeschränkt worden. Genügte nach der alten Rechtslage noch die substantiierte Darlegung bestimmter Voraussetzungen durch den Verband selbst, um Wettbewerbsverstöße in eigenem Namen verfolgen zu können, muss der Verband heute in die vom Bundesamt für Justiz geführte Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sein. Dies erfolgt jedoch nur auf Antrag des jeweiligen Verbandes und nur dann, wenn das BfJ die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung als erfüllt ansieht. Liegt keine Eintragung vor, sind Wirtschaftsverbände wie etwa der IDO nach der aktuellen Rechtslage nicht befugt, Wettbewerbsverstöße von Unternehmen in eigenem Namen zu verfolgen.

Nach Auffassung des OLG Hamm, wirkt sich die fehlende Eintragung von Wirtschaftsverbänden auch auf die Durchsetzung von gerichtlichen Titeln aus, die bereits vor der o. a. Gesetzesänderung erwirkt wurden. So sprach es dem IDO mangels Eintragung in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG die Prozessführungsbefugnis in einem Ordnungsmittelverfahren ab, bei dem der IDO einen bereits vor der o. a. Gesetzesänderung erwirkten Unterlassungstitel vollstrecken wollte.

Ein Blick in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG sowie in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG zeigt, dass es in Deutschland immer noch genügend Verbände gibt, die Wettbewerbsverstöße in eigenem Namen verfolgen dürfen. Auch die Erfahrung aus unserer Praxis zeigt, dass immer noch zahlreiche wettbewerbsrechtliche Abmahnungen von solchen Verbänden ausgesprochen werden. Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hat insoweit zwar zu einer gewissen „Beruhigung“ des Marktes geführt, allerdings sollten insbesondere Online-Händler keinesfalls dem Irrtum aufsitzen, dass aufgrund der o. a. Gesetzesänderung nicht mehr abgemahnt würde.

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1 Kommentar

V
Verband 10.09.2023, 20:49 Uhr
Verband klingt so nett
ich finde, der Staat sollte so langsam sich einschalten.
Diese Abmahnungen sind alles andere als FAIR und haben auch gar nichts, rein gar nicht mit Käuferschutz und Verbraucherschutz zu tun.

Es dient lediglich des Konkurrenz ausschalten und der eigenen Brieftasche.

So viele Verbände, die weder wirklich öffentlich einsehbar sind und noch was Ihre Absichten sind.
Reines Geschäftsmodell mit einer kleinen suche auf Google und Co hat man schon alle "Strafsünder" gefunden, so etwas sollte nicht zu strafen von echt hart erarbeiteten Gelder führen.

Selbst wenn man mal die AGB mit AGBs ausgeschrieben hat, oder beim Impressum eine Handynr und ein Telefon angegeben sind, sowie kein Grundpreis.
So viele Kleinigkeiten, die zu heftigen Abmahnungen führen, wo nicht mal ein echter Richter mal drüber schaut.

Existenzen werden genommen, um mit diesem Geld sein eigenes Brot zu finanzieren; vergessen wird dabei, das andere es auch nur für Ihr Brot tun.

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