OLG Hamburg: Werbung mit „natürlicher Milchsäurekultur“ bei Laborerzeugnis ist unzulässig
Gerade im Bereich des Lebensmittelvertriebes wird die Natürlichkeit bestimmter Inhaltsstoffe häufig beworben, um dem Verbraucher eine besondere Qualität des jeweiligen Produktes zu suggerieren und ihn darauf hinzuweisen, dass insbesondere keine gentechnischen Verfahren bei der Herstellung bestimmter Komponenten verwendet wurden. Sowohl im Einzel- als auch im Online-Handel soll dies die Kaufentscheidung der Verbraucher für spezifische Waren positiv beeinflussen.
Inhaltsverzeichnis
Das OLG Hamburg hat nun mit Urteil vom 29.08.2013 für den Marktbereich der Babynahrung entschieden, dass die Verpackungswerbung „mit natürlicher Milchsäurekultur“ eine irreführende und damit wettbewerbswidrige Handlung im Sinne des UWG darstellt, wenn die Kultur in der verwendeten Form nicht in der Natur vorkommt, sondern im Labor in seiner biochemischen Beschaffenheit verändert wurde.
„Natürliche Stoffe“, „Stoffe natürlicher Herkunft“ und „chemisch gleiche Stoffe“
Grundsätzlich gilt es, bei der Natürlichkeit eines Inhaltsstoffes in Anlehnung an den §2 Abs. 3 Nr.1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) zu differenzieren. Dieser sieht eine Unterteilung in natürliche Stoffe, Stoffe natürlicher Herkunft und Stoffe, die den natürlichen „chemisch gleich“ sind, vor.
Während natürliche Stoffe als solche unmittelbar in der belebten oder unbelebten Natur vorkommen, werden Stoffe natürlicher Herkunft aus den natürlichen Stoffen durch physikalische oder chemische Verfahren gewonnen. Grundsätzlich darf für die Bejahung des natürlichen Ursprungs der Molekularaufbau des Stoffes nicht verändert werden, wobei enzymatische Prozesse, die auf die Molekülstruktur einwirken, aufgrund ihres natürlichen Ablaufes für die Natürlichkeit der Herkunft unerheblich sind.
Als dritte Kategorie gelten solche Stoffe, die zwar chemisch hergestellt werden, aber mit natürlichen, in der Natur vorkommenden Bestandteilen identisch sind.
Die Entscheidung des Gerichts
Dem Urteil des OLG Hamburg lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem zwei Vertreiber von Babynahrung über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Werbung „mit natürlicher Milchsäurekultur“ stritten. Die Klägerin klagte mit der Begründung auf Unterlassung, dass die streitige Werbung einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des UWG darstelle, weil die betroffene Milchsäurekultur durch einen enzymatischen Selektionsprozess im Labor von unerwünschten Molekülbestandteilen befreit und somit verändert wurde.
Das OLG wies hier in Anlehnung an die erstinstanzliche Entscheidung des LG Hamburg die Revision zurück, indem es bei der fraglichen Angabe einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot nach §5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG und somit eine wettbewerbswidrige Handlung bejahte.
Maßgeblich für die Beurteilung des Irreführungspotenzials sei stets das allgemeine Verkehrsverständnis, für dessen Erörterung auf einen situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen sei.
Dieser dürfe aber unter einer „natürlichen Milchsäurekultur“ nur eine solche verstehen, die tatsächlich in identischer Form auch in der Natur vorkomme. Eine laborinterne Bearbeitung des Stoffes und somit eine biochemische Beschaffenheitsveränderung seien indes nicht zu erwarten.
Die Irreführung ergebe sich also konkret aus dem Umstand, dass die Werbung einen tatsächlich unveränderten, natürlichen Inhaltsstoff anpries, dieser aber zuvor noch genetisch modifiziert worden war.
Etwas anderes ergebe sich insbesondere auch nicht aus der begriffstechnischen Unterscheidung des § 2 Abs. 3 Nr. 1 LFGB.
Fazit
Bei der Werbung mit der Natürlichkeit eines Produkts oder eines bestimmten Inhaltsstoffes ist – nicht nur im Bereich der Babynahrung - grundsätzlich Vorsicht geboten, da ein hohes Abmahnrisiko besteht.
Insbesondere sollte von der Werbung „mit natürlichem/r...“ dann abgesehen werden, wenn die betroffene Komponente vorher biochemisch in ihrer Beschaffenheit verändert wurde.
Um einem Verstoß gegen das Irreführungsverbot entgegenzuwirken, sollte bei der Werbung die gesetzliche Differenzierung zwischen natürlichen Stoffen, Stoffen natürlicher Herkunft und natürlichen chemisch gleichen Stoffen zugrunde gelegt werden.
So kann auch die Werbung mit „enthält ... natürlicher Herkunft“ noch eine qualitative Hochwertigkeit implizieren, die den Verbraucher in positiver Weise auf das entsprechende Produkt aufmerksam macht.
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