Persönliches Verabschiedungsschreiben: Kann wettbewerbswidrig sein
Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 22.04.2004, Az. 05 I ZR 303/01) hat entschieden, dass ein persönliches Verabschiedungsschreiben eines Mitarbeiters, das dieser vor einem Wechsel zu einem Wettbewerber an die durch ihn betreuten Kunden versendet, unter bestimmten Voraussetzungen wettbewerbswidrig sein kann. Das Gericht hat außerdem ein wettbewerbswidriges Verhalten des neuen Arbeitgebers festgestellt, da dieser den Mitarbeiter zu dem Schreiben „angestiftet“ hat.
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Kläger war ein Lohnsteuerhilfeverein, der gegen einen ehemaligen Mitarbeiter sowie gegen dessen neuen Arbeitgeber (ebenfalls ein Lohnsteuerhilfeverein in derselben Stadt) geklagt hat. Der Mitarbeiter war seit 1991 beim Kläger beschäftigt und hat sein Arbeitsverhältnis zum 31.12.1998 gekündigt. Am 19.12.1998 verabschiedete sich der Mitarbeiter mit folgendem Schreiben bei den durch ihn betreuten Mitgliedern:
„Sehr geehrter Herr …,
hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, daß ich zum 31.12.2998 meine Tätigkeit bei der Lohnsteuerhilfe B e.V.
beenden werde.
Ich bedanke mich für das bisherige, langjährige entgegengebrachte Vertrauen und wünsche Ihnen für de
Zukunft alles Gute, ein frohes Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr.
Mit freundlichen Grüßen“
Das Schreiben wurde auf dem Briefpapier des Klägers verfasst und enthielt die Privatanschrift sowie die private Telefonnummer des Mitarbeiters. Der Kläger behauptet, dass durch den Brief systematisch Mitglieder abgeworben worden seien, was so zwischen den beiden Beklagten abgesprochen und gewollt war. Es sei deshalb allein im Jahr 2000 zu einem Verlust von Mitgliedsbeiträgen bei der Klägerin in Höhe von 50.730 DM gekommen. Der Kläger forderte deshalb mindestens 100.000 DM Schadensersatz.
Aus der Entscheidung des Gerichts
Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass sowohl das Rundschreiben des Mitarbeiters wettbewerbswidrig war, als auch das Verhalten des neuen Arbeitgebers.
Das Schreiben des Beklagten ehemaligen Mitarbeiters, zielte auf die Abwerbung der betreuten Mitglieder. Zum einen sei auf einem Verabschiedungsschreiben die Angabe der privaten Anschrift und Telefonnummer nicht notwendig. Zum anderen bedankt sich der Beklagte für das „bisherige“ Vertrauen. Dadurch wollte dieser erreichen, dass die Adressaten weiterhin vertrauensvoll mit ihm zusammenarbeiten. Ein ernst zu nehmendes Verabschiedungsschreiben hätte Angaben dazu enthalten müssen wie und durch wen die steuerliche Beratung zukünftig beim Kläger erfolgen würde. Das Schreiben in seiner obigen Form war lediglich darauf ausgerichtet die betreuten Mitglieder zum Wechsel ihrer Mitgliedschaft zu bewegen und sich weiterhin von der gleichen Person beraten zu lassen.
Das unlautere Verhalten des Beklagten Mitarbeiters ergibt sich aus § 1 UWG, da er zum Zeitpunkt des Rundschreibens, noch beim Kläger beschäftigt war, und sich daher gegenüber diesem loyal zu verhalten hatte. Er hätte die ihm vom Kläger anvertrauten wertvollen Adressen nicht zweckwidrig und zielgerichtet für seinen neues Unternehmen einsetzen dürfen.
Der Beklagte Lohnsteuerverein (und neue Arbeitgeber des Beklagten Mitarbeiters) hat sich ebenfalls wettbewerbswidrig verhalten. Vom Vorliegen der getroffenen Vereinbarungen zwischen den beiden Beklagten ging bereits das Berufungsgericht aus. Aufgrund dieser Absprachen handelte der Lohnsteuerhilfeverein unter dem Gesichtspunkt der Anstiftung, zumindest aber der (psychischen) Beihilfe, wettbewerbswidrig.
Fazit
Ein persönliches Verabschiedungsschreiben eines Mitarbeiters ist immer dann problematisch, wenn dieser zu einem Wettbewerber wechselt und darauf im Schreiben – auch nur indirekt – hingewiesen wird. Aber nicht nur der Mitarbeiter selbst handelt wettbewerbswidrig, sondern auch dessen neuer Arbeitgeber, wenn letzterer den Mitarbeiter zu dem Schreiben bewegt hat.
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