Rechtsbehelfe des britischen Verbrauchers gegen deutsche Online-Händler

Rechtsbehelfe des britischen Verbrauchers gegen deutsche Online-Händler

Verbraucher mit Wohnsitz in UK können im Falle eines Mangels der Kaufsache nach britischem Recht ähnliche Rechtsbehelfe gegen den Verkäufer geltend machen wie vor dem Brexit. Insoweit hat sich durch den Brexit nichts Wesentliches geändert. Fraglich ist aber, ob britische Verbraucher Rechtsbehelfe gegen Online-Händler mit Sitz in Deutschland im Streitfall auch durchsetzen können und welche Möglichkeiten ihnen hierzu offenstehen.

Durchsetzung von Ansprüchen auf dem Klageweg

Geht es um die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen, so stellt sich die Frage, welches Recht bei Vertragsstreitigkeiten eines Verbrauchers mit Wohnsitz in UK gegen einen Online-Händler mit Geschäftssitz in Deutschland anwendbar ist, ob bei solchen Klagen Gerichte in UK zuständig sind und ob ihre Urteile in Deutschland vollstreckt werden können.

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1. Anwendbares Recht

Vor dem Brexit war das Vereinigte Königreich hinsichtlich der Frage des anwendbaren Rechts bei innergemeinschaftlichen Verträgen mit Verbrauchern an die EU-Verordnungen Rom I und II gebunden. Nach diesen Verordnungen ist grundsätzlich das Recht des Staates anwendbar, in dem der Verbraucher seinen regelmäßigen Aufenthalt hat. Das britische Parlament hat beide Verordnungen in britisches Recht übertragen (The Law Applicable to Contractual Obligations and Non-Contractual Obligations (Amendment etc.) (EU ExitRegulations 2019). Damit finden die genannten EU-Verordnungen auch nach dem Brexit in der Gestalt eines britischen Gesetzes weiterhin Anwendung.

2. Gerichtszuständigkeit

Vor dem Brexit galt in UK die EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12.12.2012. Diese Verordnung gilt nach dem Brexit nicht mehr in UK. Das von der britischen Regierung favorisierte Lugano Übereinkommen schafft keine Lösung, da der Beitritt des Vereinigen Königreichs zum Lugano Übereinkommen die Zustimmung aller Vertragsparteien voraussetzt (EU- Staaten plus EFTA-Staaten), die nicht vorliegt. Die Europäische Kommission hat in einer Mitteilung vom 04.05.2021 an den Europäischen Rat und das Europäische Parlament eine Empfehlung abgegeben, die EU möge einem Beitritt des Vereinigten Königreichs zum Lugano Übereinkommen nicht zustimmen. Es ist daher fraglich, ob Gerichte im Vereinigten Königreich nach eigener Rechtsauffassung überhaupt ihre Zuständigkeit bei Vertragsstreitigkeiten eines britischen Verbrauchers gegen einen Online-Händler mit Geschäftssitz in Deutschland bejahen würden.

3. Vollstreckbarkeit in Deutschland

Die Vollstreckbarkeit von Urteilen eines Gerichts im Vereinigten Königreich in Verbraucherangelegenheit gegen einen Online-Händler mit Geschäftssitz in Deutschland ist nach dem Brexit schwierig.
Die o.g. EU-Verordnung vom 12.12.2012 gilt nach dem Brexit nicht mehr in UK.

Deutschland und das Vereinigte Königreich sind zwar Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen. Dieses Übereinkommen gilt aber nicht für Verbraucherstreitigkeiten. Umstritten ist, ob das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14. Juli 1960 hier eine Abhilfe schaffen kann. Das ist aber eher zu verneinen. Die deutsche und auch die britische Regierung haben sich ausdrücklich gegen die Anwendbarkeit dieses Abkommens ausgesprochen.

Für die Vollstreckung von Urteilen britischer Gerichte in Deutschland ist das sog. Allgemeine Exequatur-Verfahren vorgesehen. Danach können die allgemeinen Regelungen der deutschen Zivilprozessordnung für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen (§ 328 ZPO) zur Anwendung kommen. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die sogenannte Gegenseitigkeit verbürgt ist. Wie die deutschen Gerichte dies nach dem Brexit beurteilen, ist noch nicht abzusehen. Für Verbraucher mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich ist ein solch langwieriges und mit großen Unsicherheiten behaftetes Verfahren jedoch schon aus praktischen Gründen keine hilfreiche Option.

Alternative Durchsetzungsmöglichkeiten

1. UK international Consumer Centre

Das UK international Consumer Centre hat sich auf grenzüberschreitende Verbraucherstreitigkeiten mit Unternehmen in anderen Ländern wie zum Beispiel in den Mitgliedsstaaten der EU spezialisiert. Ein britischer Verbraucher kann sich im Streitfall kostenlos an diese Organisation wenden. Das erspart ihm die mühsame Suche nach der zuständigen Schlichtungsstelle in Deutschland, mit der er ggf. in deutscher Sprache kommunizieren müsste. Das UK International Consumer Centre ist in einem Netzwerk von Verbraucherverbänden auch mit den deutschen Verbraucherschlichtungsstellen verbunden. Es kann sich bei einer Beschwerde eines britischen Verbrauchers gegen einen Online-Händler mit Geschäftssitz in Deutschland an das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland wenden und versuchen, über dieses und die zuständige deutsche Schlichtungsstelle Kontakt zu dem jeweiligen Online-Händler aufzubauen und mit ihm eine Lösung der Vertragsstreitigkeit zu finden.

Dies mag im Einzelfall zu einer Lösung führen. Es hängt aber vom guten Willen des Online-Händlers ab, ob er auf die Argumente des britischen Verbrauchers eingehen will. Gegen den Willen des Online-Händlers kann eine Beschwerde des britischen Verbrauchers nicht durchgesetzt werden.

2. Britisches Kreditinstitut

Bei Zahlungen via Kreditkarte haftet im Falle von Vertragsstreitigkeiten gemäß Artikel 75 des Consumer Credit Act 1974 das betroffene Kreditinstitut gemeinsam mit dem Online-Händler. Der britische Verbraucher muss nicht abwarten, ob seine Beschwerde gegenüber dem Online-Händler zum Erfolg führt, sondern kann sich gleichzeitig an den Online-Händler und an das Kreditinstitut wenden. Der Verbraucher kann gegenüber dem Kreditinstitut die gleichen Rechte wie gegenüber dem Online-Händler geltend machen. Artikel 75 des Consumer Credit Act 1974 gilt auch für Online-Käufe, die der Verbraucher außerhalb des Vereinigten Königreichs getätigt hat.

Eine Haftung des Kreditinstituts kommt aber nur in Betracht, wenn der Preis der vertragsgegenständlichen Ware oder Dienstleistung zwischen £100 und £30,000 liegt.

Weist das betroffene Kreditinstitut die Beschwerde des Verbrauchers zurück und verweigert die Zahlung, so kann der Verbraucher sich mit einem sog. „letter of deadlock“ an das Kreditinstitut wenden und im Falle einer weiteren Zurückweisung den Financial Ombudsman Service https://www.financial-ombudsman.org.uk/ anrufen. Dieser kann von dem betroffenen Kreditinstitut eine Zahlung zugunsten des Verbrauchers verlangen. Die Anrufung des Ombudsman ist für den Verbraucher kostenlos.

Fazit

Bei Vertragsstreitigkeiten eines britischen Verbrauchers mit einem Online-Händler mit Geschäftssitz in Deutschland wegen eines Mangels der Kaufsache hat der britische Verbraucher auch nach dem Brexit weitgehend dieselben Rechte gegen den Händler, wie vor dem Brexit. Problematisch gestaltet sich aber die Durchsetzung dieser Rechte. Insoweit kommen unterschiedliche Rechtsbehelfe in Betracht, die jedoch mit unterschiedlichen praktischen Problemen behaftet sind. Online-Händlern mit Geschäftssitz in Deutschland sollten diese Rechtsbehelfe zumindest bekannt sein, wenn sie auch Verträge mit Verbrauchern aus UK abschließen.

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Bildquelle: Sherif Ashraf 22 / shutterstock.com

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