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Jugendschutz

Jugendschutz bei sexuellen Inhalten: Pornographie oder Erotik?

Jugendschutz bei sexuellen Inhalten: Pornographie oder Erotik?
13 min
Beitrag vom: 09.12.2015
Aktualisiert: 19.12.2025

Sexuelle Inhalte im Internet unterliegen strengen jugendschutzrechtlichen Vorgaben. Der Beitrag zeigt, wie Pornographie, Erotik und sexuelle Darstellungen rechtlich abzugrenzen sind – und welche Pflichten Anbieter dabei treffen.

Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Anforderungen an die Verbreitung sexueller Inhalte im Internet und die hierfür vorgesehenen Schutzmaßnahmen.

Einordnung und kategorische Abgrenzung von Sexualinhalten

Wie die maßgeblichen jugendschutzrechtlichen Vorschriften zeigen, hat der Gesetzgeber ein differenziertes Schutzkonzept geschaffen, dessen Verbote und Handlungspflichten an die jeweilige inhaltliche Ausprägung der betreffenden Angebote anknüpfen. Entscheidend für den Umfang der Zugangsbeschränkungen und Sicherungsmaßnahmen ist dabei stets die konkrete Gefährdungslage, in die Kinder und Jugendliche durch die Wahrnehmung der jeweiligen sexuellen Inhalte versetzt werden können.

Mithin hängen die von Dienste- und Warenanbietern im Internet zu beachtenden Sicherungs- und Kontrollanforderungen davon ab, wie die jugendschutzrechtlich relevanten Sexualdarstellungen qualitativ zu klassifizieren sind. Während bei der Zugänglichmachung pornographischer Inhalte strenge gesetzliche Verbote und Zugangsbeschränkungen gelten, sind Angebote mit bloß erotischen Bezügen demgegenüber unter deutlich milderen Voraussetzungen zulässig.

Da eine zutreffende inhaltliche Abgrenzung im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann und Fehlklassifizierungen regelmäßig zu Lasten der Diensteanbieter gehen, die für eine unzureichende Umsetzung des Jugendmedienschutzrechts einstehen müssen, werden die maßgeblichen Wesensmerkmale der verschiedenen Kategorien sexueller Inhalte im Folgenden näher dargestellt.

1. Pornographie

Ab wann ein Inhalt als pornographisch und damit als in besonderem Maße jugendschutzrechtlich relevant einzustufen ist, war in Rechtsprechung und Literatur lange Zeit umstritten.

Um einerseits unverhältnismäßige Eingriffe in die grundrechtlich gewährleistete Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) zu vermeiden, andererseits aber dem Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie der Menschenwürde Rechnung zu tragen, wurde lange argumentiert, der Begriff der Pornographie sei nicht allgemeinverbindlich definierbar, sondern müsse stets unter Berücksichtigung des jeweiligen sozial-ethischen Wandels beurteilt werden.

a. Generelle Kriterien

Gleichwohl hat sich die Rechtsprechung bereits Anfang der 1990er-Jahre zu einer bis heute tragfähigen und weiterhin maßgeblichen Begriffsbestimmung durchgerungen:

Pornographie liegt vor, wenn eine Darstellung unter Ausklammerung sonstiger menschlicher Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung sexueller Reize abzielt (BGH, Urteil vom 21.06.1990 – 1 StR 477/89).

Die Beurteilung erfolgt dabei ausschließlich objektiv anhand des Inhalts und der konkreten Darstellungsform aus Sicht eines verständigen Durchschnittsbetrachters. Subjektive Absichten des Urhebers, behauptete künstlerische Zielsetzungen oder pädagogische Selbstzuschreibungen sind unbeachtlich.

Die Einstufung als pornographisch hat stets unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs zu erfolgen. Einzelne Indikatoren können zwar eine entsprechende Tendenz begründen, reichen für sich genommen jedoch nicht zwingend aus. Wort-Bild-Kombinationen, erläuternde Hinweise oder ein erkennbarer aufklärender, dokumentarischer oder präventiver Kontext können den pornographischen Charakter im Einzelfall entfallen lassen.

b. Typische inhaltliche und gestalterische Attribute

Typische Merkmale pornographischer Darstellungen sind insbesondere Inszenierungen, bei denen die individuelle Persönlichkeit der dargestellten Personen vollständig in den Hintergrund tritt und der Mensch als austauschbares Objekt sexueller Begierde erscheint.

Kennzeichnend sind regelmäßig:

  • Anonymität der Beteiligten,
  • Betonung scheinbar grenzenloser sexueller Verfügbarkeit,
  • überdeutliche Hervorhebung von Geschlechtsorganen,
  • detailreiche Darstellungen sexueller Handlungen,
  • eine zusammenhangslose Aneinanderreihung sexueller Sequenzen.
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c. Unbeachtlichkeit der Werkform

Pornographische Inhalte sind nicht auf audiovisuelle Darstellungen beschränkt. Maßgeblich ist allein, ob die Darstellung objektiv der sexuellen Erregung dient.

Mithin können Fotografien ebenso pornographisch sein wie bloße Texte, die eine entsprechende bildliche Vorstellung des Lesers hervorrufen. Unerheblich für das Vorliegen tatbestandlicher Pornographie ist es ferner, wenn die Darstellung keine realen oder mit deutlichen menschlichen Attributen ausgestatten Personen in Bezug nehmen.

Auch grobe, cartoonistische Zeichnungen können pornographisch sein. Gleiches gilt für Computeranimationen und sonstige virtuelle Gestaltungen.

Beachtenswert ist insoweit die ständige Aufsichtspraxis der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sowie der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), die ihre Bewertungskriterien konsequent auch auf neue Medienformen anwenden:

  • Reine Textinhalte: Erotische Geschichten (z. B. E-Books oder Self-Publishing-Texte) können weiterhin als pornographisch und als offensichtlich schwer entwicklungsgefährdend im Sinne des § 4 Abs. 2 JMStV eingestuft werden, wenn sie sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund rücken.
  • Teaser-Pornographie: Die bloße Unkenntlichmachung von Geschlechtsteilen (etwa durch Emojis oder Verpixelung) schließt den pornographischen Charakter nicht aus, wenn der begleitende Text vulgär ist oder der Inhalt als Lockmittel gezielt zu weiterführender harter Pornographie leitet.
  • User Generated Content: Detaillierte Schilderungen sexueller Erlebnisse oder Fantasien in Foren, Messengern oder Kommentarspalten können die Grenze zur Pornographie überschreiten. Anbieter haften hier ab positiver Kenntnis, wenn sie rechtswidrige Inhalte nicht unverzüglich entfernen.
  • KI-generierte Inhalte: Auch mittels Künstlicher Intelligenz erzeugte Texte oder Bilder unterfallen dem Pornographiebegriff. Wirklichkeitsnahe oder täuschend echte KI-Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder können strafrechtlich wie reale Aufnahmen behandelt werden, wenn sie nach ihrem objektiven Gesamteindruck den Tatbestand der §§ 184b oder 184c StGB erfüllen.

2. Harte und einfache Pornographie

Ist der pornographische Charakter festgestellt, ist weiter zwischen harter und einfacher Pornographie zu unterscheiden.

Während einfachpornographische Inhalte im Internet unter strengen Voraussetzungen verbreitet werden dürfen, ist die Wiedergabe harter Pornographie ausnahmslos unzulässig.

a. Harte Pornographie

Zur harten Pornographie zählen Darstellungen, die stets strafbar sind. Maßgeblich sind heute insbesondere die §§ 184a, 184b und 184c StGB.

Harte Pornographie umfasst insbesondere:

aa. Gewaltpornographie

Gewaltpornographie liegt vor, wenn sexuelle Darstellungen mit erheblicher Gewaltanwendung verbunden sind und diese Gewalt integraler Bestandteil der sexuellen Inszenierung ist. Unerheblich ist, ob die Gewalt real oder nur vorgetäuscht ist.

Sadistische oder sadomasochistische Darstellungen können als Gewaltpornographie einzustufen sein, wenn sie objektiv eine erhebliche Gewaltanwendung sexualisieren und eine Degradierung oder Entmenschlichung der dargestellten Person vermitteln.

bb. Kinder- und jugendpornographische Inhalte

Kinderpornographische Inhalte erfassen Darstellungen sexueller Handlungen unter Beteiligung von Kindern unter 14 Jahren (§ 184b StGB) .

Jugendpornographische Inhalte betreffen entsprechende Darstellungen mit Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren (§ 184c StGB) .

Erfasst sind nicht nur körperliche Sexualhandlungen, sondern auch:

  • sexuelle Handlungen vor Minderjährigen,
  • sexuelle Selbsthandlungen Minderjähriger,
  • das Vorführen pornographischer Inhalte gegenüber Minderjährigen.

Auch Darstellungen mit volljährigen Personen können als kinder- oder jugendpornographisch eingestuft werden, wenn sie objektiv den Eindruck der Minderjährigkeit hervorrufen. Maßgeblich ist der Gesamteindruck aus Sicht des Betrachters, einschließlich begleitender Texte oder stilistischer Mittel.

cc. Tierpornographie

Tierpornographie umfasst sexuelle Handlungen zwischen Menschen und Tieren oder entsprechende Darstellungen. Unerheblich ist, ob das Tier lebt oder tot ist. Reine Darstellungen tierischer Fortpflanzung ohne menschlichen Sexualbezug sind hingegen nicht erfasst.

b. Einfache Pornographie

Einfache Pornographie umfasst sämtliche pornographischen Inhalte, die nicht unter die Kategorien der harten Pornographie fallen.

Solche Inhalte dürfen im Internet nur dann zugänglich gemacht werden, wenn durch ein wirksames Altersverifikationssystem nach den von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) entwickelten Maßstäben, insbesondere unter Einsatz zweistufiger Altersverifikationsverfahren (Identitätsprüfung und nachgelagerte Authentifizierung), zuverlässig ausgeschlossen ist, dass Kinder und Jugendliche Zugriff erhalten (§ 4 JMStV).

Die Einordnung eines Angebots als einfachpornographisch muss stets unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, kann sich aber gleichwohl an bestimmten Maßstäben orientieren.

So streitet insbesondere bei detailgenauen Darstellungen von sexuell anreißersich aufbereitetem Geschlechtsverkehr und anderen interpersonellen Sexualhandlungen eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen von einfacher Pornographie. Auch bei Nahaufnahmen bzw. inhaltlicher Umschreibung von erigierten Geschlechtsorganen und bei der Bezugnahme auf die männliche oder weibliche Ejakulation kann meist ein einfachpornographischer Gehalt bejaht werden.

Einfachpornographische Gestaltungen müssen allerdings nicht zwangsweise interdependente Sexualhandlungen ins Auge fassen. Auch die graphische oder textliche Wiedergabe von männlichen und weiblichen Masturbationshandlungen kann die Grenze zur Pornographie überschreiten.

Demgegenüber sind Nacktaufnahmen sowie die Darstellung von Geschlechtsverkehr nicht schlichtweg pornographisch. Ein hinreichender Bezug liegt erst vor, wenn die Darstellungen gerade darauf anspielen, die Sexualhandlungen zum Kern der Inszenierung zu machen und persönlich-individuelle Bezüge sowie anders pointierte Handlungsstränge weitgehend auszublenden.

Aktfotographien erfüllen demnach regelmäßig ebenso wenig die Anforderungen an die einfache Pornographie wie in andere Handlungen eingebundene Sexszenen ohne besondere Detailgenauigkeit.

Nach einem Urteil des KG Berlin (Entscheidung v. 08.02.2008 – Az (4) 1 Ss 312/07) sollen selbst Fotokalender, die auf ihren einzelnen Seiten Ganzkörperdarstellungen von Männern mit erigierten Penissen zeigen, keine pornographischen Inhalte sein, weil hier regelmäßig eine Inszenierung unter Berücksichtigung der menschlichen Individualität – insbesondere unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Degradierung zum Sexualobjekt – erfolgt. Weil gerade auf die Männlichkeit und die körperlichen Züge jedes einzelnen Modells abgestellt wird und mithin gleichsam eine gewisse ästhetische Wirkung gegeben ist, findet keine pornographietypische „Entmenschlichung“ statt.

Wird die Schwelle zur Pornographie nicht überschritten, kann freilich dennoch eine Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung vorliegen, die eine Zugangsbeschränkung nach Maßgabe des §5 JMStV erforderlich macht.

3. Das sexuelle Posing Minderjähriger

Neben der harten Pornographie stufen die maßgeblichen jugendschutzrechtlichen Vorschriften des § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG sowie des § 4 Abs. 2 Nr. 9 JMStV auch solche Inhalte als absolut unzulässig ein, die Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen.

Erfasst wird hiermit das sogenannte sexuelle Posing Minderjähriger, das zwar einen Bezug zur menschlichen Sexualität herstellt, jedoch noch nicht die Schwelle zur strafbaren Kinder- oder Jugendpornographie im Sinne der §§ 184b, 184c StGB überschreitet. Die Vorschriften dienen damit dem vorbeugenden Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierenden Darstellungen im Vorfeld strafbarer Inhalte.

Eine unnatürliche Geschlechtsbetontheit liegt vor, wenn Minderjährige unter besonderer Hervorhebung ihrer sexuellen Anmutung in einer sexuell anbietenden, nicht altersgerechten Weise dargestellt werden. Maßgeblich ist dabei nicht ein einzelnes isoliertes Merkmal, sondern stets die Gesamtwirkung der Darstellung auf einen objektiven Betrachter.

Für die Einordnung ist eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich. Besonderes Gewicht kommt dabei insbesondere zu:

  • der konkreten Inszenierung,
  • der Gestik und Mimik des minderjährigen Subjekts,
  • der Körperhaltung,
  • der Kameraperspektive sowie
  • der Fokussierung bestimmter Körperpartien, insbesondere des Genital- oder Brustbereichs.

Auch der gewählte Kamerawinkel kann ausschlaggebend sein, etwa wenn dieser gezielt sexualisierende Assoziationen hervorruft. Erfasst werden nicht nur offen laszive oder provozierende Posen, die sexuelle Bereitschaft oder Verfügbarkeit suggerieren, sondern auch solche Darstellungen, die durch eine bewusst inszenierte vermeintliche Schüchternheit oder kindliche Unschuld gerade eine sexualisierte Betrachtung nahelegen.

Nach ständiger Rechtsprechung – etwa OLG Celle, Beschluss vom 23.02.2007 – 322 Ss 24/07, die weiterhin Geltung beansprucht – ist eine Nacktheit der dargestellten Minderjährigen nicht erforderlich.

Ausreichend sind vielmehr sonstige objektive Hinweise auf einen sexualisierten Kontext, wie etwa:

  • besonders aufreizende oder unangemessen erwachsene Bekleidung,
  • stark sexualisierende Schminke (z. B. übermäßiger Mascara oder Lippenstift),
  • das gezielte Herausstellen geschlechtsspezifischer Körpermerkmale,
  • oder eine Inszenierung, die erkennbar auf sexuelle Wirkung abzielt.

Auch bei der Beurteilung des sexuellen Posings Minderjähriger spielt der Problemkreis der Scheinjugendlichkeit eine wesentliche Rolle. Für Darstellungen tatsächlich volljähriger Personen, die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung, Inszenierung oder begleitender Hinweise als minderjährig wahrgenommen werden, gelten die gleichen Maßstäbe wie bei realen Minderjährigen.

Entscheidend ist insoweit, ob die dargestellte Person nach dem Gesamteindruck vernünftigerweise als minderjährig erscheint und ob zusätzliche Umstände – etwa Texte, Bildunterschriften oder stilistische Mittel – diesen Eindruck verstärken oder entkräften.

4. Erotik und sonstige Sexualbezüge

Erotische Inhalte unterscheiden sich von pornographischen Darstellungen dadurch, dass nicht die detaillierte Wiedergabe sexueller Handlungen, sondern die sinnliche Anziehung und sexuelle Stimmung im Vordergrund stehen. Gleichwohl können auch erotische Inhalte jugendschutzrechtlich relevant sein, wenn sie aufgrund ihrer Intensität, Kontextualisierung oder Zugriffssituation Wirkungsrisiken für Minderjährige begründen.

a. Unzulässige erotische Inhalte (§ 4 JMStV

Erotische Inhalte, die die Grenze zur Pornographie nicht überschreiten, unterfallen nicht automatisch den Unzulässigkeitstatbeständen des Jugendmedienschutzrechts. Eine Unzulässigkeit kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die konkrete Darstellung aufgrund ihrer Gesamtwirkung einen der in § 4 Abs. 1 JMStV genannten Tatbestände verwirklicht.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn erotische Inszenierungen eine Verletzung der Menschenwürde begründen oder sexuelle Darstellungen in einer Weise ausgestaltet sind, die eine sexualisierte Degradierung oder Entmenschlichung der dargestellten Personen vermittelt. Maßgeblich ist dabei stets eine objektive Betrachtung aus Sicht eines verständigen Betrachters unter Berücksichtigung von Darstellungsform, Kontext, Dramaturgie und Zugriffssituation.

In der Aufsichtspraxis der Landesmedienanstalten werden Unzulässigkeitstatbestände insbesondere bei erotischen Darstellungen diskutiert, die durch ihre Ausgestaltung geeignet sind, Kinder oder Jugendliche in ihrer sozialethischen Entwicklung schwerwiegend zu desorientieren, indem sie Sexualität mit Gewalt, Zwang, Entwürdigung oder massiver Diskriminierung verknüpfen. Entscheidend ist, ob die Darstellung geeignet ist, grundlegende Wertvorstellungen zu destabilisieren und sexuelle Praktiken als sozial gebilligt oder sittlich unbedenklich erscheinen zu lassen, obwohl sie objektiv entwürdigenden oder verrohenden Charakter haben.

In diesem Zusammenhang wurden in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis unter anderem Konstellationen problematisiert, in denen erotische Darstellungen etwa:

  • sexualisierte Gewalt oder Vergewaltigungsszenarien als einvernehmliches oder reizorientiertes Geschehen inszenieren,
  • Selbstverletzung oder extreme Unterwerfungspraktiken sexualisieren,
  • Inzestbezüge oder entwürdigende Fetischkonstellationen verharmlosend darstellen,
  • sexualisierte Diskriminierung, extremen Sexismus oder rassistische Zuschreibungen in erotischem Kontext transportieren.

Ob eine solche Darstellung tatsächlich als unzulässig einzustufen ist, bedarf stets einer einzelfallbezogenen Gesamtwürdigung; pauschale Kategorisierungen verbieten sich.

b. Entwicklungsbeeinträchtigende Erotik (§ 5 JMStV)

Liegt keine Unzulässigkeit nach § 4 JMStV vor, können erotische Inhalte gleichwohl entwicklungsbeeinträchtigend im Sinne des § 5 JMStV sein. Dies ist der Regelfall bei erotischen Darstellungen, die zwar nicht menschenwürdeverletzend oder pornographisch sind, jedoch aufgrund ihrer Intensität, Bildsprache oder Kontextualisierung geeignet erscheinen, Kinder oder Jugendliche in ihrer psychosexuellen Entwicklung zu überfordern oder zu verunsichern.

Maßgeblich ist hierbei, ob die Darstellung ein Wirkungsrisiko begründet, also geeignet ist, bei Minderjährigen nachhaltige Eindrücke zu hinterlassen, die über eine bloß kurzfristige Irritation hinausgehen. Ein solches Risiko wird insbesondere dann angenommen, wenn durch die Inhalte:

  • Überforderung oder Verunsicherung ausgelöst wird,
  • unrealistische oder problematische Sexualbilder vermittelt werden,
  • stereotype Rollenbilder oder objektifizierende Vorstellungen verfestigt werden,
  • oder eine Orientierung an erwachsenen Sexualpraktiken nahegelegt wird.

Im Unterschied zu unzulässigen Inhalten wird bei entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten davon ausgegangen, dass mögliche Wirkungen grundsätzlich durch altersangemessene Einordnung, elterliche Begleitung oder pädagogische Aufklärung kompensierbar sind. Gleichwohl verlangt § 5 JMStV, dass der Anbieter geeignete zeitliche oder technische Schutzmaßnahmen ergreift, um die Wahrnehmung durch jüngere Altersstufen zu verhindern oder wesentlich zu erschweren.

Im Rahmen der Altersdifferenzierung sind insbesondere die Altersstufen ab 16 und ab 18 Jahren relevant. Zu den maßgeblichen Abgrenzungskriterien zählen dabei:

  • die Intensität des sexuellen Bezugs,
  • die Detailgenauigkeit der Darstellung,
  • die Dauer und Wiederholung erotischer Szenen,
  • sowie der Gesamtzusammenhang des Angebots.

Eine Einordnung in die Altersstufe ab 16 Jahren wird in der Praxis regelmäßig als vertretbar angesehen, wenn etwa nackte Körper ohne Erektionsdarstellungen, aufreizende Körperhaltungen oder sexuelle Annäherungen ohne explizite Darstellung von Geschlechtsorganen gezeigt werden.

Demgegenüber spricht eine Einstufung ab 18 Jahren für nicht-pornographische Darstellungen von expliziten sexuellen Handlungsabläufen, etwa bei deutlich erkennbaren Oral- oder Selbstbefriedigungshandlungen, bei einer starken Häufung wechselnder Sexualkontakte oder bei der Verfestigung extrem sexistischer oder überholter Rollenklischees.

Nicht als entwicklungsbeeinträchtigend werden nach der gefestigten Aufsichtspraxis der Landesmedienanstalten regelmäßig solche Darstellungen angesehen, die sich auf ästhetische Aktfotografie, Ganzkörperdarstellungen ohne erigierte Geschlechtsteile, Reizwäsche, FKK-Szenen oder lediglich angedeutete sexuelle Handlungen beschränken, sofern diese nicht in einen sexualisierenden Gesamtzusammenhang eingebettet sind.

Fazit

Der Verbreitung und Zugänglichmachung von sexuell geprägten Inhalten kommt eine erhebliche jugendschutzrechtliche Bedeutung zu, da deren Wahrnehmung durch Kinder und Jugendliche altersbedingt häufig mit Überforderung einhergeht und geeignet sein kann, sozialethisch bedenkliche Wert- und Rollenbilder zu verfestigen.

Um eine ungestörte und gemeinschaftsverträgliche Entwicklung Minderjähriger zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber die Bereitstellung sexueller Darstellungen im Internet an ein abgestuftes System von Verboten, Zugangsbeschränkungen und Schutzmaßnahmen geknüpft, dessen Einhaltung Diensteanbieter eigenverantwortlich sicherzustellen haben.

Während harte pornographische Inhalte sowie sexualisierte Darstellungen von Minderjährigen ausnahmslos unzulässig und teilweise strafbewehrt sind, dürfen einfachpornographische Inhalte nur unter Einsatz eines wirksamen Altersverifikationssystems mit hohem Schutzniveau bereitgestellt werden. Erotische Inhalte unterliegen demgegenüber – abhängig von Intensität, Kontext und Wirkungsrisiko – entweder strengen Verboten nach § 4 JMStV oder abgestuften Schutzpflichten nach § 5 JMStV; bloße erotische Anklänge ohne jugendschutzrelevante Wirkung bleiben hingegen zulässig.

Da die Abgrenzung zwischen den einzelnen Inhaltskategorien im Einzelfall mit erheblichen Wertungsfragen verbunden ist, sind Anbieter jugendschutzrelevanter Sexualdarstellungen einem erhöhten rechtlichen Risiko ausgesetzt. Fehlklassifikationen gehen regelmäßig zu ihren Lasten und können neben straf- oder ordnungsrechtlichen Maßnahmen auch empfindliche wettbewerbsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Auch wenn die Rechtsanwendung in diesem Bereich weiterhin von fließenden Übergängen geprägt ist, bieten die vorstehenden Ausführungen eine belastbare und auch für die heutige Medienpraxis tragfähige Orientierung für die jugendschutzrechtliche Einordnung sexueller Inhalte im Internet.

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