Falsche Lieferadresse - wer trägt die Versandkosten?

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Häufig sehen sich Online-Händler mit dem Problem konfrontiert, dass der Kunde im Rahmen der Bestellung eine falsche Lieferadresse angibt. In solch einem Fall wird oftmals die Zustellung der Ware für den Paketdienstleister unmöglich. In der Folge wird die Ware an den Online-Händler retourniert. Die große Frage dann: Wer trägt in diesem Fall die entstandenen Versandkosten?
1. Der Kaufvertrag bleibt bestehen
Sollte der Kunde im Rahmen des Bestellvorgangs eine falsche bzw. nicht vollständige Zustelladresse mitgeteilt haben, bleibt die Wirksamkeit des geschlossenen Vertrags hiervon unberührt. Auch wenn die Zustellung im ersten Versuch nicht erfolgreich gewesen ist, führt dies nicht dazu, dass der Vertrag (automatisch) unwirksam wird.
Hinweis: Sollte es sich beim Kunden um einen Verbraucher handeln und dieser den Widerruf erklärt haben, wird der Vertrag hierdurch aufgelöst. Die Rechtsfolgen bestimmen sich nach der vom Online-Händler verwendeten Widerrufsbelehrung. Siehe hierzu sodann auch weiter unten.
2. Pflichtverletzung durch falsche Adressangabe
Durch die falsche Mitteilung der falschen Lieferadresse begeht der Kunde eine Verletzung nebenvertraglicher Pflichten, da der Kunde verpflichtet ist, seine korrekte Lieferadresse anzugeben. Zudem wird dem Kunden im Rahmen des Bestellvorgangs auch eine ausreichende Möglichkeit gegeben, auf der bestellzusammenfassenden Seite die angegebenen Daten zu prüfen und ggfls. zu korrigieren.
Rechnungs- und Lieferadresse sind unterschiedlich: Auch für den Fall, dass der Empfänger nicht identisch mit dem Besteller ist, gelten keine anderen Grundsätze. Wer die Ware an einen anderen Empfänger übersenden lassen möchte, muss auch hier (erst recht) sicherstellen, dass die korrekte Lieferadresse mitgeteilt wird.
Sonderproblem: Fraglich ist, was gilt, wenn die falsche Adressangabe z.B. im Falle der Zahlung per PayPal durch den Zahlungsdienstleister an den Online-Händler übermittelt wird? Auch hier gilt allerdings nichts abweichendes, da der Kunde zum einen die Lieferdaten bei PayPal selbst hinterlegt hat und zum anderen diese Daten auch vor jeder Zahlung prüfen und korrigieren kann.
Ergo: Auch im Falle der Übermittlung der Lieferadressdaten durch PayPal hat der Kunde die falsche Adressübermittlung selbst verschuldet.
3. Kunde befindet sich im Annahmeverzug
Infolge der falschen Angabe der Lieferanschrift und einem nicht erfolgreichen Zustellungsversuch befindet sich der Kunde im sog. Annahmeverzug. Von einem sog. Annahmeverzug (oder auch: Gläubigerverzug) spricht man, wenn der Gläubiger die Leistung des Schuldners, die möglich gewesen wäre und vertragsgemäß angeboten wurde, nicht rechtzeitig zum Leistungszeitpunkt annimmt. Auf ein Verschulden kommt es hierbei nicht an.
Folge des Annahmeverzugs:
Der Online-Händler (= Schuldner hinsichtlich der Leistung „Lieferung der Ware“) genießt während des Annahmeverzugs eine Haftungsprivilegierung und muss nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vertreten. Geht die Kaufsache leicht fahrlässig oder zufällig unter oder verschlechtert sich diese, bleibt der Kunde zu seiner Gegenleistung (= Zahlung des Kaufpreises) verpflichtet, während der Online-Händler die Leistung nicht mehr bewirken muss.
4. Anspruch auf Ersatz der Mehraufwendungen (Hinsendekosten)
Hat der Online-Händler die Ware an die vom Käufer angegebene Adresse verschickt und der Kunde ist dort (aufgrund der falschen Adressangabe) nicht anzutreffen, schuldet der Kunde die Kosten für die erfolglose Zustellung im Wege des Ersatzes für Mehraufwendungen (§ 304 BGB) .
Problem „kostenloser“ Versand: Fraglich ist, was gilt, wenn der Online-Händler die Versandkosten in seinem Angebot als „kostenlos“ deklariert hatte. In diesem Fall könnte man argumentieren, dass es keinen Schaden bzw. keine Mehraufwendungen beim Händler gibt, da die Versandkosten gerade nicht explizit berechnet worden sind. Gleichwohl dürfte der Kunde in solch einem Fall zur Zahlung der Versandkosten verpflichtet sein, denn:
Der Online-Händler wird nur dann den Versand kostenfrei gestalten, wenn die Ware im Erstversuch an den Kunden zugestellt werden kann. Es kann daher gut vertreten werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten im Wege des Ersatzanspruchs nach § 304 BGB erstattet verlangt werden können.
Allerdings ist diese spezielle Frage bislang noch nicht höherinstanzlich entschieden worden, daher bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in solch einem Fall positionieren wird.
Wünscht der Kunde eine erneute Versendung der Ware, richten sich die erneuten Versandkosten in diesem Fall nach der (ursprünglichen) Vereinbarung zu den Versandkosten aus dem zugrunde liegenden Kaufvertrag.
5. Vorgehen des Online-Händlers bei retournierter Ware
Da der Online-Händler in manchen Fällen die Ware ohne Vermerk des Zustellers zurückerhalten wird und daher nicht weiß, warum die Zustellung nicht erfolgt ist, sollte beim Kunden nachgefragt werden, ob die angegebenen Adressdaten korrekt sind.
Stellt sich heraus, dass die Adressdaten falsch gewesen sind, kann der Online-Händler die Zahlung der erneuten Versandkosten seitens des Kunden vorab verlangen, denn: Dem Online-Händler steht ein sog. Zurückbehaltungsrecht zu, welches besagt, dass der Online-Händler erst dann die Ware erneut versenden muss, wenn die Mehraufwendungen (= Hinsendekosten des ersten Zustellversuchs) erstattet worden sind.
Ist hingegen schon aus dem Zustellervermerk ersichtlich, dass die Adresse nicht korrekt war, kann der Online-Händler sogleich die Kosten für den erfolglosen Zustellversuch vom Kunden erstattet verlangen (bevor die Ware erneut versendet wird).
Aber Achtung: Sollte der Kunde Verbraucher sein und den Vertrag widerrufen, ordnet die gesetzliche Regelung an, dass die Hinsendekosten vom Online-Händler zu tragen sind (§ 357 Abs. 2 S. 1 BGB) . Widerruft der Verbraucher also den Kaufvertrag, können die Kosten für den ersten Zustellversuch nicht im Wege des Mehraufwendungsersatzanspruchs erstattet verlangt werden.
6. Fazit
Gibt der Kunde im Rahmen des Bestellvorgangs falsche Adressdaten an und kann infolge dessen die Ware nicht zugestellt werden, befindet sich der Kunde im Annahmeverzug. Der Online-Händler genießt während des Annahmeverzugs eine sog. Haftungsprivilegierung und muss nur noch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vertreten.
Zudem kann der Online-Händler im Wege des Ersatzes für Mehraufwendungen die Kosten für den ersten Zustellversuch vom Kunden erstattet verlangen. Dem Online-Händler steht insofern sogar ein Zurückbehaltungsrecht zu, das bedeutet, dass er die Ware erst dann wieder an den Kunden erneut übersenden muss, wenn dieser die "ersten" Hinsendekosten erstattet hat. Achtung ist allerdings geboten, wenn der Kunde (sofern dieser Verbraucher ist) den Vertrag widerruft, denn in diesem Fall bleibt der Online-Händler auf den Kosten für die Hinsendung sitzen.
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10 Kommentare
den Empfänger zu ermitteln, evtl. eine Fake Adresse in Schweden. Wie kann ich das weiter kommen, es steht als zugestellt im Sendungsstatus aber nicht an wen. LG
Ich stelle meine Frage kurz und bündig:
Ein Kunde bestellt im Onlineshop Ware die per Spedition versendet muss (Wert 4.000,00 Euro bezahlt im Vorfeld durch Paypal beglichen).
Die Kunden- und Lieferadresse wurde vom Kunden eingegeben und mit KONTROLLKÄSTCHEN bestätigt. Problem ist die Hausnummer, hier wurde vom Kunden statt der 60 eine 70 gewählt.
Die Spedition wird beauftragt, die Ware an die genannte Adresse auszuliefern. Tut dies und bekommt eine Unterschrift auf dem Scanner.
Der Kunde fragt nach einer Woche wo der bestellte Artikel verblieben ist. Der Verkäufer wundert sich, da bereits ein Auslieferungsbeleg vorliegt und teilt dies dem Kunden mit. Es werden nochmals die Adressen verglichen, wobei der Fehler der falschen Adresse auffällt. Der Kunde fragt seinen Nachbarn (den mit der angegebenen Adresse) nach dem Verbleib, aber dieser teilt mit keine Ware angenommen zu haben. Der Käufer verlangt weiterhin die Ware. Wer haftet für den Schaden?
die für mich viel wichtigere Frage ist eigentlich, wer die Rücksendekosten zu tragen hat.
Die DHL berechnet aktuell 4,00€ netto für jede Rücksendung, die zB durch falsche Adressangabe, Lagerfristenüberschreitung oder Annahmenverweigerung zustande kommt.
Wir versenden aktuell versandkostenfrei. Das Hinsendeentgelt bleibt hier also bei uns hängen. Bislang stellen wir dem Kunden für eine erneute Zustellung die Versandkosten für den zweiten Versuch und das Rücksendeentgelt in Rechnung. Bei Verweigerung der Annahme behandeln wir den Vorgang bisher als einen Widerruf und verrechnen die 4,00€ auch mit der Rückzahlung.
Spricht da aus juristischer Sicht etwas dagegen?
MfG
Üblicherweise muss ein Kunde eine Ware erst annehmen, damit er das Widerrufsrecht ausüben kann.
Erhält er die Ware nicht, weil er eine falsche Adresse angegeben hat, kann er die Bestellung meines Erachtens auch nicht widerrufen und auf Erstattung der Gesamtsumme bestehen.
Erstmal danke für den aufschlussreichen Artikel. Aber was passiert denn nun, wenn die Ware verschwunden ist ?
Meine Kundin hat mir eine falsche Adresse angegeben, eine Packstation. Sie wusste nicht, dass die Packstation keine Briefe annimmt hat aber beim Bestellvorgang auch die Adresse nicht überprüft.
Ware verschwunden, ihr verschulden und jetzt will sie ihr Geld zurück.
Wer ist hier im Recht ?