Niedersachsen: Celle

Beschluss vom OLG Celle

Entscheidungsdatum: 04.03.2010
Aktenzeichen: 13 Verg 1/10

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 15. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 86.656,60 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 schrieb die Antragsgegnerin die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme elektronischer Fahrscheindrucker in ihrem Verkehrsverbund im offenen Verfahren aus. Nach Ziffer 3.3. der Verdingungsunterlagen waren u. a. Nachweise zur persönlichen Lage, wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie Anforderungen zur technischen Leistungsfähigkeit mit dem Angebot vorzulegen.

Nachdem die Antragsgegnerin die zunächst für den 22. Juni 2009 bestimmte Angebotsfrist mit ihrem an die Bieter gerichteten Schreiben vom 16. Juni 2009 auf den 6. Juli 2009 verlängert hatte, lagen bei der Submission von sieben abgegebenen Angeboten die Antragstellerin mit einer ungeprüften Angebotssumme in Höhe von 1.733.132,02 € an dritter Stelle und die Beigeladene mit 1.828.234,00 € an vierter Stelle. Ausweislich des Vergabevermerks hatte die Antragstellerin keinen aktuellen Auszug aus dem Gewerberegister vorgelegt und keine den vorgegebenen Anforderungen entsprechende Projekte zum Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit benannt. Es fehlten zudem die geforderten Bilanzen und bauartbedingten Zulassungen bzw. Prüfzertifikate in deutscher Sprache. Insgesamt waren aus der Sicht der Antragsgegnerin nur zwei Angebote wertbar, von denen das der Beigeladenen das Wirtschaftlichste war. Mit E-Mail vom 7. August 2009 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 101a GWB, dass ihr Angebot von der Wertung ausgeschlossen worden sei, weil es geforderte Erklärungen, wie den Gewerberegisterauszug, die Bilanzen und Umsätze der letzten drei Geschäftsjahre und die bauartbedingten Zulassungen/Prüfzertifikate, nicht enthalte. Bereits am selben Tag rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots und führte zur Begründung aus, die geforderten Nachweise seien bereits in der Bekanntmachung anzugeben gewesen. Da dies unterblieben sei, könne ihr Angebot nicht wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werden. Darauf antwortete die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18. September 2009 und versandte am 23. September 2009 eine neue Information nach § 101a GWB mit demselben Inhalt und der Mitteilung, dass das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag erhalten solle. Dagegen wandte sich die Antragstellerin mit Rüge vom selben Tag und beanstandete ergänzend, dass nur ihr Angebot wertbar sei, weil kein anderes Angebot fristgerecht eingereicht worden sei. Ferner erfülle das Angebot der Beigeladenen die Vergabebedingungen nicht.

Nachdem die Antragstellerin der Antragsgegnerin zunächst mit E-Mail vom 29. September 2009 einen Verzicht auf die Einlegung rechtlicher Schritte gegen Erstattung von 40 % ihrer anfallenden Kosten vorgeschlagen und am Folgetag eine 100 % Kostenübernahme verlangt hatte, stellte sie am 2. Oktober 2009 einen Nachprüfungsantrag, mit dem sie sich u. a. gegen die Nichtabhilfe ihrer Rüge hinsichtlich der Verlängerung der Angebotsfrist und den Ausschluss ihres Angebots wegen unvollständiger Erklärungen wandte. Dem gegenüber hielt die Antragsgegnerin den Nachprüfungsantrag wegen Überschreitung der in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB vorgesehenen 15 Kalendertage zwischen eindeutiger Zurückweisung der Rügen mit Schreiben vom 18. August 2009 und der erst mit Schreiben vom 2. Oktober 2009 erfolgten Einleitung des Nachprüfungsverfahrens für unzulässig. Der Nachprüfungsantrag sei im Übrigen auch unbegründet, weil das Angebot der Antragstellerin zwingend nach den §§ 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a, 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A wegen unvollständiger Erklärungen auszuschließen gewesen sei.

Mit Beschluss vom 15. Dezember 2009 hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei, soweit die Antragsgegnerin bei der Angebotswertung nicht beachtet habe, dass auch die Beigeladene ihrem Angebot nicht den geforderten Nachweis über die erfolgreiche Prüfung im Rahmen des EG-Typgenehmigungsverfahrens auf der Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG beigefügt habe. Sie hat die Antragsgegnerin verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen. Soweit die Antragstellerin die Feststellung begehrte, dass ihr Angebot gewertet werden müsse und die Angebote der anderen Bieter wegen verspäteter Abgabe auszuschließen seien, hat die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag zurückgewiesen und ihr die Kosten des Verfahrens zu 2/3 auferlegt. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin beanstande, dass die Antragsgegnerin erst mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Nr.3. 2 und 3. 3 Eignungsnachweise nach § 7 a Nr. 3 Abs. 1 lit. c (Bilanzen) und lit. d (Umsätze) VOL/A sowie unter Hinweis auf Kapitel 4 des Abschnitts „III a Allgemeine und technische Vorkehrungen" sonstige Nachweise gefordert habe. Eine Unzulässigkeit des gesamten Nachprüfungsantrags nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB scheide dagegen aus, weil das Schreiben der Antragsgegnerin vom 18. September 2009 einen ausdrücklichen Hinweis auf eine Zurückweisung der Rügen nicht enthalte. Der Nachprüfungsantrag sei begründet, soweit sich die Antragstellerin gegen die Wertung des Angebots der Beigeladenen wende. Deren Angebot fehle ebenso wie dem Angebot der Antragstellerin der unter „III a Allgemeine und technische Vorkehrungen" geforderte Nachweis des positiven Durchlaufens eines Typgenehmigungsverfahrens auf der Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG. Der weitergehende Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Die Antragsgegnerin habe das Angebot der Antragstellerin zu Recht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A wegen Fehlens des vorgenannten Nachweises sowie der geforderten Referenzen, Bilanzen und Umsätze der letzten drei Jahre ausgeschlossen. Die mit Bieterrundschreiben vom 16. Juni 2009 erfolgte Verlängerung der Angebotsfrist um zwei Wochen sei nicht vergaberechtswidrig.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 4. Januar 2010 beim Oberlandesgericht Celle eingegangenen sofortigen Beschwerde. Ergänzend zu ihrem bereits vor der Vergabekammer gehaltenen Sachvortrag und vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin ihr und den weiteren Bietern mit Schreiben vom 24. Dezember 2009 mitgeteilt hatte, dass sie die streitgegenständliche Ausschreibung aus schwerwiegenden Gründen aufgehoben habe und von der Durchführung des ausgeschriebenen Lieferauftrages aus wirtschaftlichen Gründen Abstand nehme, macht die Antragstellerin geltend, dass ihr durch die teilweise Zurückweisung ihres Nachprüfungsantrages sowie durch die Kostenentscheidung, wonach sie 2/3 der Kosten zu tragen habe, ein erheblicher finanzieller Schaden drohe. Dadurch, dass die Antragsgegnerin entgegen § 25 Nr. 3 VOL/A den Zuschlag nicht auf ihr Angebot erteilen wolle, werde sie in ihren subjektiven Bieterrechten verletzt. Entgegen der Auffassung der Vergabekammer habe die Antragsgegnerin die Angebotsfrist nicht wirksam verlängert, weil es neben einer ausreichenden Begründung auch an einer europaweiten Bekanntgabe gefehlt habe. Mit ihrer am 8. August 2009 erklärten Rüge, dass die Antragsgegnerin erst mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter der laufenden Nummer 3.2 und 3.3. Eignungsnachweise gem. § 7 a Nr. 3 Abs. 1 lit. c (Bilanzen) und d (Umsätze) VOL/A sowie unter Hinweis auf Kapitel 4 des Abschnitts „III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen“ sonstige Nachweise gefordert habe, sei sie nicht gem. § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert, weil diese in einem Nebensatz versteckten Anforderungen weder von ihr erkannt worden noch überhaupt erkennbar gewesen seien. Ferner habe sie den geforderten EMV-Nachweis durch Vorlage eines in englischer Sprache verfassten Bestätigungsschreibens der SGS-TÜV S. F. GmbH vom 18. November 2008 erbracht.

Die Antragsstellerin beantragt,

die Kostenentscheidung der Vergabekammer aufzuheben und die Kosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen,

festzustellen, dass die Verlängerung der Angebotsfrist im offenen Verfahren unwirksam ist, weil diese Verlängerung nicht im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden ist,

hilfsweise beantragt sie,

festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt worden ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen,

der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der für die zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen,

die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer und führt ergänzend aus, die sofortige Beschwerde sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig, sofern sie nicht die Kostenentscheidung betreffe. Im Übrigen sei sie unbegründet, weil der Nachprüfungsantrag schon wegen Überschreitung der in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB vorgesehenen 15 Kalendertage zwischen eindeutiger Zurückweisung der Rügen mit Schreiben vom 18. August 2009 und der erst mit Schreiben vom 2. Oktober 2009 erfolgten Einleitung des Nachprüfungsverfahrens unzulässig sei. In jedem Fall habe die Antragstellerin die Forderung nach der Vorlage von Bilanzen und Umsätzen sowie weiteren Nachweisen nach Kap. 4 des Abschnittes III a der Vergabeunterlagen bis zum Ablauf der Angebotsfrist beanstanden müssen; mit ihrer danach erhobenen Rüge sei sie gem. § 107 Abs. 3 GWB präkludiert. Davon abgesehen sei ihr Nachprüfungsantrag unbegründet, weil ihr Angebot zwingend nach den §§ 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a, 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A wegen fehlender Nachweise von Referenzen, der Bilanzen und Umsätze der letzten drei Geschäftsjahre sowie des Gewerbezentralregisterauszugs auszuschließen gewesen sei. Das von ihr in englischer Sprache vorgelegte Dokument („application form for product certification“) zum Nachweis des erfolgreichen EG-Typgenehmigungsverfahrens auf der Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG bestätige lediglich, dass sie einen Antrag auf Zertifizierung gestellt habe, stelle aber keinen Nachweis für eine erfolgreiche Zertifizierung dar. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin habe die Verlängerung der Angebotsfrist nur in einer an alle Bewerber gerichteten Bekanntmachung, nicht aber EU-weit bekannt gemacht werden müssen. Zudem werde die Antragstellerin durch die Verlängerung der Angebotsfrist nicht in ihren Rechten verletzt, sondern vielmehr begünstigt. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Kostenentscheidung der Vergabekammer insoweit nicht als fehlerhaft, als sie zu Lasten der Antragstellerin getroffen worden sei.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist weitgehend unzulässig, im Übrigen unbegründet.

Auf das vorliegende Vergabeverfahren findet gem. § 131 Abs. 8 GWB das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der nach Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 (BGBl. I, S. 790) seit dem 24. April 2009 geltenden Fassung Anwendung, da das vorliegende Vergabeverfahren mit Absendung der EU-Bekanntmachung am 28. April 2009 und damit nach Inkrafttreten der GWB-Novelle zum 24. April 2009 begonnen hat.

A. Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist insoweit zulässig, als sie sich gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer in dem angefochtenen Beschluss wendet. Im Übrigen ist sie unzulässig.

1. Für die von ihr begehrte Feststellung, dass die Verlängerung der Angebotsfrist im offenen Verfahren mangels Veröffentlichung im Amtsblatt der EU unwirksam ist, fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzinteresse. Soweit die Vergabekammer in dieser Frage zu ihrem Nachteil entschieden hat, kann die Antragstellerin die Beseitigung einer darin liegenden Beschwer im Beschwerdeverfahren nicht mehr erreichen, nachdem das Vergabeverfahren durch die im Schreiben der Antragsgegnerin vom 24. Dezember 2009 erklärte Aufhebung seine Erledigung gefunden hat. Das Vergabenachprüfungsverfahren in seiner Ausgestaltung als primärer Rechtschutz dient ausschließlich der Überprüfung des Verhaltens der Vergabestelle in noch laufenden Vergabeverfahren. Sobald der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren durch Aufhebung, Einstellung oder in sonstiger Weise erledigt ist (§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB), findet ein Primärrechtsschutz nicht mehr statt, weil das Ziel des Verfahrens, auf das Vergabeverfahren einzuwirken und dieses zu einem rechtmäßigen Abschluss zu bringen, nicht mehr erreicht werden kann (OLG Frankfurt, NZBau 2001, 101, 102). Infolgedessen ist die von der Antragstellerin begehrte Feststellung im Rahmen des konkreten Vergabeverfahrens nach dessen Erledigung durch Aufhebung gegenstandslos geworden.

2. Auch ihr hilfsweise geltend gemachter Feststellungsantrag gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 GWB ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig.

a) Für einen Antrag nach §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Satz 3 und 4 GWB muss als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse vorliegen. Dieses fehlt, wenn ein Schadensersatzprozess, dessen Vorbereitung das Feststellungsinteresse dient, offensichtlich aussichtslos erscheint, und auch sonst kein Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art zu erkennen ist (OLG Celle, NZBau 2006, 329, 330).

b) So liegt der Fall hier. Schon der Beschwerdeschrift ist zu diesem Punkt nichts zu entnehmen. Mögliche Ansprüche auf Ersatz des positiven Schadens aus den §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB können vorliegend schon deswegen nicht bestehen, weil die Antragstellerin in diesem Vergabeverfahren aufgrund der inzwischen erfolgten Aufhebung ohnehin keinen Zuschlag mehr hätte erhalten können (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2003 - X ZR 282/02, NZBau 2004, 283). Zwar ist auch der Ersatz der Angebotskosten als Vertrauensschaden denkbar. Dieser kommt aber grundsätzlich allein für den Bieter in Betracht, der als Sieger aus dem Vergabeverfahren hervorgegangen wäre (BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 18/07, VergabeR 2008, 219, Tz. 35 ff.). Darauf beruft sich die Antragstellerin in ihrer Beschwerde nicht. Darüber hinaus kann auch einem Bieter, der den Zuschlag nicht erhalten hätte, gleichwohl ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen zustehen, die er ohne Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens nicht getätigt hätte (BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 18/07, a. a. O. Tz. 35 f.). Die hier von der Antragstellerin in den Blick genommenen Aufwendungen für die Angebotserstellung sind danach aber nur dann erstattungsfähig, wenn der Bieter sich in Kenntnis des tatsächlichen Ausschreibungsinhaltes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht am Vergabeverfahren beteiligt und kein Angebot abgegeben hätte (Maier in: Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht 2. Aufl., § 114 Rdn.81). Das macht die Antragstellerin jedoch nicht geltend. Entsprechende Beanstandungen hat sie auch nicht erhoben. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Vergabeverfahren nach § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A aufzuheben, hat sie ebenfalls nicht angegriffen.

3. Die Antragstellerin ist allerdings dadurch beschwert, dass ihr 2/3 der Kosten des Verfahrens von der Vergabekammer auferlegt worden sind. Insoweit ist ihre sofortige Beschwerde zulässig, weil auch eine isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung in dem gem. § 116 ff. GWB vorgesehenen Beschwerdeverfahren statthaft ist (§ 128 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 22 VwKostG). Das Beschwerdeverfahren in Vergabesachen umfasst nach der in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig vertretenen Auffassung auch sogenannte „isolierte“ Kostengrundentscheidungen (OLG Frankfurt, NZBau 2001, 101, 102; OLG Rostock, VergabeR 2001, 315, 319.; Hunger in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergabe-recht 2. Aufl., § 116 Rdn. 22). Daher ist die sofortige Beschwerde auch zulässig, wenn sich das Nachprüfungsverfahren gem. §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Satz 4 GWB nach Abschluss des Verfahrens vor der Vergabekammer bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erledigt hat, weil sich ein unterlegener Beteiligter anders nicht in zulässiger Weise gegen eine ihn belastende Kostenentscheidung wenden könnte (OLG Frankfurt, NZBau 2001, 101, 102).

B. Begründetheit der sofortigen Beschwerde:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat - soweit sie zulässig ist - in der Sache keinen Erfolg.

1. Da sich die Hauptsache aufgrund der Regelungen in den §§ 114 Abs. 2 Satz 2 und 3, 123 Satz 4 GWB erledigt hat und das Verfahren nicht nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB mit einem zulässigen Feststellungsantrag fortgesetzt werden kann, ist über die Kosten des gesamten Verfahrens, also einschließlich der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, gem. § 78 Nr. 1 GWB nach den auch für § 91 a ZPO geltenden Grundsätzen zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - KVR 23/98, WRP 2008, 252 f.; OLG Frankfurt, NZBau 2001, 101, 102 f.; Summa in: jurisPK-VergR 2. Aufl. 2008, § 120 GWB Rdn. 30.21). Unter Berücksichtigung des danach maßgebenden Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Aufhebung des Vergabeverfahrens verbleibt es bei der von der Vergabekammer vorgenommenen Kostenverteilung, soweit sie zu Lasten der Antragstellerin ergangen ist.

2. Mit zutreffenden Erwägungen hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Antragstellerin lediglich dadurch in ihren Rechten verletzt ist, dass die Antragsgegnerin bei der Angebotswertung nicht berücksichtigt hat, dass auch die Beigeladene ihrem Angebot nicht den in den Verdingungsunterlagen geforderten Nachweis auf Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG beigefügt hatte. Deshalb hat sie die Antragsgegnerin (lediglich) verpflichtet, erneut unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer in die Angebotswertung einzutreten. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres weitergehenden Nachprüfungsantrags, mit dem sie die Wertung ihres Angebots sowie den Ausschluss der Angebote der anderen Bieter wegen verspäteter Abgabe begehrt hatte, durch die Vergabekammer wendet, wäre ihr Rechtsmittel ohne das erledigende Ereignis, die Aufhebung des Vergabeverfahrens, ohne Erfolg geblieben.

a) Bezüglich ihres Einwands, die Antragsgegnerin habe entgegen § 7 a Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 VOL/A und § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m VOL/A i. V. m. § 17 a VOL/A Eignungsnachweise i. S. des § 7 a Nr. 3 Abs. 1 lit. c (Bilanzen) und d (Umsätze) VOL/A sowie unter Hinweis auf Kapitel 4 des Abschnitts „III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen" sonstige Nachweise nicht bereits in der EU-Bekanntmachung, sondern erst mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter der laufenden Nummer 3. 2 und 3. 3 gefordert, ist ihr Nachprüfungsantrag bereits unzulässig, weil sie mit dieser erst am 8. August 2009 erklärten Rüge gem. § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert ist.

aa) Nach § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB sind Verstöße gegen Vergabevorschriften, die (erst) in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewertung gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Ausweislich der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 war als Schlusstermin für den Eingang der Angebote der 22. Juni 2009, 10:00 Uhr bestimmt. Diese Angebotsfrist hat die Antragsgegnerin mit ihrem an die Bieter gerichteten Schreiben vom 16. Juni 2009 auf den 6. Juli 2009, 10:00 Uhr verlängert. Auch bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragstellerin die Forderung nach Vorlage von Bilanzen und Umsätzen sowie weiteren Nachweisen nach Kap. 4 des Abschnitts III a der Vergabeunterlagen nicht gerügt.

bb) Der Verstoß gegen § 7 a Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 VOL/A und § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m VOL/A i. V. m. § 17 a VOL/A war aus den Verdingungsunterlagen sowohl für einen Durchschnittsanbieter als auch für die Antragstellerin erkennbar. In der Vergabebekanntmachung vom 30. April 2009 waren unter Ziff. III 2. 2 (Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit) lediglich die Benennung der Mitarbeiterzahlen 2007 und 2008 sowie unter Ziff. III 2. 3 (Technische Leistungsfähigkeit) Referenzen darüber gefordert worden, dass der Bieter wenigstens zwei Projekte zum Fahrgeldmanagement unter Nutzung eines elektronischen Fahrscheins mit mindestens 200 ausgerüsteten Fahrzeugen verantwortlich umgesetzt und in mindestens zwei Projekten je eine im Wirkbetrieb befindliche Schnittstelle zum Planungssystem „M.“ realisiert hatte. Darüber hinaus wurden in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziff. 3. 2 und 3. 3 weitere Eignungsnachweise in Form von Bilanzen und Umsätzen sowie bestimmte bauartbedingte Zulassungen/Prüfzertifikate verlangt, insbesondere nach Ziff. 3. 15 des Abschnitts „III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen“ ein Nachweis, dass die elektronischen Unterbaugruppen in den Fahrzeugen ein EG-Typgenehmigungsverfahren auf Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG und der sie ergänzenden Richtlinien positiv durchlaufen hatten. Mit diesen in den „Allgemeinen Verdingungsunterlagen" geforderten weiteren Nachweisen musste sich die Antragstellerin wie alle übrigen Bieter zur Erstellung eines ordnungsgemäßen Angebots befassen. Damit war für sie unter Beachtung der - sowohl gemessen an den Anforderungen eines durchschnittlichen Bieters als auch an ihren individuellen Kenntnissen - üblichen Sorgfalt erkennbar, dass in den Verdingungsunterlagen weitergehende Anforderungen als in der EU-Bekanntmachung angekündigt gestellt wurden.

b) Im Übrigen erachtet der Senat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nicht wegen der Präklusionsregelung des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB als unzulässig.

aa) Nach dieser mit der Vergaberechtsnovelle 2009 neu eingeführten Regelung ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftragsgebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Damit soll „frühzeitig Klarheit über die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens geschaffen" werden (BT-Drucks. 16/10117 S. 22).

bb) Die Antragstellerin hatte die Verlängerung der Angebotsfrist bereits mit Schreiben vom 16. und vom 30. Juni 2009 gerügt. Mit Schreiben vom 30. Juni 2009 hat die Antragsgegnerin daraufhin mitgeteilt, dass diese Rüge unbegründet sei und die Antragstellerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt werde. In diesen Aussagen und den weiteren Formulierungen des vorgenannten Schreibens liegt eine eindeutige Zurückweisung der Rüge wegen der verlängerten Angebotsfrist. Ob eine eindeutige Zurückweisung auch dem Antwortschreiben vom 18. August 2009 auf die weiteren von der Antragstellerin später erhobenen Rügen zu entnehmen ist, kann dahinstehen. Vor dem Hintergrund, dass mit der Einführung des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB eine Antragsfrist geschaffen wurde, die den Primärrechtschutz des Bieters zeitlich begrenzt, sind an die Eindeutigkeit der Nichtabhilfeerklärung gem. § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB hohe Anforderungen zu stellen (vgl. auch Summa in: jurisPK-VergR 2. Aufl. § 107 Rdn. 186.23). Ob der in dem Schreiben vom 18. August 2009 gewählte Schlusssatz „Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung“ aus Sicht eines verständigen Bieters nicht bloß als reine Höflichkeitsfloskel, sondern auch so verstanden werden konnte, dass die Antragsgegnerin an ihren dargestellten Ausschlussgründen zunächst festhalten, sich aber einer weiteren Erörterung mit der Antragstellerin darüber nicht verschließen wolle, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn mangels Hinweises auf die von den Bietern nach der Neuregelung in § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB zu wahrende Frist ist die Präklusionswirkung nach Ansicht des Senats nicht eingetreten.

aaa) Nach § 17 a Nr.1 VOL/A i. V. mit Ziffer VI. 4. 2. Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 der Kommission vom 7. September 2005 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen im Rahmen von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß der Richtlinie 2004/17/EG und der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 257 vom 1. Oktober 2005) ist der Auftraggeber verpflichtet, genaue Angaben zu den von den Bietern zu beachtenden Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen zu machen oder eine Stelle zu benennen, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich ist (VI. 4. 4.).

bbb) Bei § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB handelt es sich nach Auffassung des Senats um eine anzugebende Rechtsbehelfsfrist. Zwar ist § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB zunächst lediglich als materielle Präklusionsvorschrift ausgestaltet, so dass bei isolierter Betrachtung ein Nachprüfungsantrag weiterhin Frist ungebunden eingereicht werden kann und allein die Geltendmachung des der Rüge zu Grunde liegenden Sachverhalts präkludiert ist. Nach der Konzeption des § 107 Abs. 3 GWB setzt aber die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens regelmäßig eine Rüge voraus, der durch den Auftraggeber nicht abgeholfen wurde, so dass die Frist zwischen Bekanntgabe der Nichtabhilfe und der Einreichung des Nachprüfungsantrags als echte Rechtsbehelfsfrist anzusehen ist (VK Bund, Beschluss vom 30. Oktober 2009 - VK 2 - 180/09, zitiert nach juris Tz. 102; VK Südbayern, Beschluss vom 5. Februar 2010 - Z3-3-3194-1-66-12/09, zitiert nach ibr-online, S. 11, Summa in: jurisPK-VergR 2. Aufl. § 107 Rdn. 186.32; Jaeger, NZBau 2009, 558, 562).

Auf diese Frist hat die Antragsgegnerin in ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt der EU nicht hingewiesen (vgl. Ziffer VI. 4. 2.). Auch eine Stelle, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind (Ziffer VI. 4. 4.), hat sie nicht angegeben.

c) Zu Recht hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für unbegründet erachtet, soweit er sich nicht bloß gegen die Wertung des Angebots der Beigeladenen gewandt hat, die ebenfalls nicht - wie in den Verdingungsunterlagen gefordert - den Nachweis über ein positives Durchlaufen eines EG-Typgenehmigungsverfahrens auf Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG und der sie ergänzenden Richtlinien beigefügt hatte, sondern vor allem die Berücksichtigung des Angebots der Antragsstellerin bei der Wertung und den Ausschluss sämtlicher anderer Angebote wegen der unzulässigen Verlängerung der Angebotsfrist zum Gegenstand gehabt hat.

aa) Ohne Erfolg hat die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots durch die Antragsgegnerin wegen des Fehlens geforderter Angaben und Erklärungen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A beanstandet.

aaa) Danach können Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Dieses eingeräumte Ermessen („kann“) reduziert sich durch Selbstbindung eines Auftraggebers auf Null und damit auf einen zwingenden Ausschluss des Angebotes, wenn er mit der Vergabebekanntmachung, der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder den sonstigen Vergabeunterlagen Nachweise und Belege zu Mindestbedingungen erhebt, indem er ihre Vorlage ausdrücklich mit Angebotsabgabe verlangt und einen zwingenden Ausschluss im Falle ihres Fehlens oder ihrer nicht rechtzeitigen Vorlage vorsieht. Der Auftraggeber ist dann an diese von ihm gesetzten Voraussetzungen gebunden und darf nachträglich nicht von seinen Mindestbedingungen abweichen (OLG Celle, VergabeR 2004, 542, 544; BayObLG, NZBau 2000, 259, 261). So liegt der Fall hier. Die Auftraggeberin hat in den Bewerbungsbedingungen (Formblatt EMV (L) BwB EG 232 EG - VHB Bund - Ausgabe 2002 - Stand: 01.11.2006) unter Ziff. 3.3. auf das Vollständigkeitserfordernis und die Folge unvollständig eingereichter Angebot („unvollständige Angebote werden ausgeschlossen.") hingewiesen.

bbb) Die von der Antragsgegnerin in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziff. 3.1. (Gewerberegisterauszug) und 3.2 vorgegebenen Eignungsnachweise gem. § 7 a Nr. 3 Abs. 1 lit. c (Bilanzen) und d (Umsätze) VOL/A sowie den unter Hinweis auf Kapitel 4 des Abschnitts „III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen“ verlangten Nachweis hat die Antragsstellerin nicht mit der Abgabe ihres Angebots vorgelegt.

(1) Das gilt zunächst für den in den Allgemeinen Verdingungsunterlagen in Abschnitt „III a Allgemeine und technische Vorbemerkungen“ unter 3.15 der Beschreibung (S. 18) für die elektronischen Unterbaugruppen in den Fahrzeugen geforderten Nachweis über das positive Durchlaufen eines EG-Typgenehmigungs-verfahrens auf der Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG und der sie ergänzenden Richtlinien, der dem Angebot beizufügen war. Diesen Nachweis hat die Antragstellerin mit ihrem Angebot nicht vorgelegt. Sie hat stattdessen ein in englischer Sprache verfasstes und an das Transportministerium L. adressiertes Bestätigungsschreiben der SGS-TÜV S. F. GmbH vom 18. November 2008 beigefügt. Unabhängig davon, dass die Vorlage der in englisch gehaltenen „application form for product certification“ den Voraussetzungen nach Ziffer IV. 3.5. der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009: Sprache(n), in der (denen) das Angebot oder Anträge auf Teilnahme verfasst werden können: Deutsch" nicht genügt, stellt dieses Schreiben lediglich eine Bestätigung darüber dar, dass die Antragstellerin einen Antrag auf Zertifizierung des von ihr angebotenen Produkts auf der Grundlage der Richtlinie 2006/96/EG, die auf die vorbezeichnete EMV-Richtlinie 2004/104/EG Bezug nimmt, gestellt hat. Allein der Antrag auf Zertifizierung des von ihr angebotenen Produktes stellt jedoch keinen Nachweis für das positive Durchlaufen eines Typgenehmigungsverfahrens auf Basis der EMV-Richtlinie 2004/104/EG und der sie ergänzenden Richtlinien dar.

(2) Darüber hinaus lagen dem Angebot der Antragstellerin auch die in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Ziff. 3.2 geforderten Bilanzen und Umsätze der letzten drei Geschäftsjahre sowie der unter Ziff. 3.1 geforderte Auszug aus dem Gewerbezentralregister nicht bei.

ccc) Zu Recht hat die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin ferner deswegen ausgeschlossen, weil sie keine geeigneten Referenzen vorgelegt hat, obwohl die Antragsgegnerin deren Vorlage bereits in der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 (Ziffer III. 2.3.) gefordert hatte.

(1) Nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A sind bei der Auswahl der Angebote nur Bieter zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Zum Nachweis dafür können von ihnen gem. § 7 Nr. 4 VOL/A entsprechende Angaben gefordert werden, soweit es durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist. Dabei ist die Vorgabe von Mindestanforderungen dem Auftraggeber grundsätzlich nicht verwehrt (Hausmann in: Kulartz/Max/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A § 7 Rdn. 186 f.). Vor diesem Hintergrund hatte die Antragsgegnerin in der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 unter Ziff. III.2.3 zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit folgende Referenzen gefordert:

„1) Der Bieter muss im Angebot nachweisen, dass er wenigstens zwei Projekte zum Fahrgeldmanagement unter Nutzung eines elektronischen Fahrscheins mit insgesamt mindestens 200 ausgerüsteten Fahrzeugen verantwortlich umgesetzt hat. Die im Angebot anzugebenden Referenzen benennen den Auftraggeber und dort tätigen Ansprechpartner.

2) Der Bieter muss im Angebot nachweisen, dass er in mindestens zwei Projekten je eine im Wirkbetrieb befindliche Schnittstelle zum Planungssystem M. realisiert hat. Die Nutzung der Schnittstelle im Wirkbetrieb gilt als nachgewiesen, wenn Daten aus mehreren Fahrplanperioden mit Hilfe der Schnittstellen übertragen wurden. Die im Angebot anzugebenden Referenzen benennen den Auftraggeber und dort tätigen Ansprechpartner.“

(2) Für die letztgenannte Voraussetzung hat die Antragstellerin in ihrem Angebot keine Referenzen angeboten. Bezüglich der ersten Anforderung enthält ihr Angebot zwar zwei Referenzen. Diese hat die Antragsgegnerin zu Recht als unzureichend bewertet. Nach der Feststellung des von ihr mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragten Ingenieurbüros S. bezog sich die erste Referenz auf ein elektronisches Fahrgeldmanagement mit insgesamt lediglich 155 Fahrzeugen. Die zweite Referenz betraf einen Auftrag über die Ausrüstung von insgesamt 125 Fahrzeugen inklusive Vorverkaufsstellen, wobei nicht erkennbar war, inwieweit die eTicketing-Funktionalität umgesetzt worden ist. Zudem hat der in der Referenz benannte Auftraggeber auf Nachfrage erklärt, die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin im Projektverlauf aufgekündigt und die Gerätschaften komplett bei einem anderen Hersteller erneut beschafft zu haben.

(3) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war die Antragsgegnerin weder verpflichtet noch berechtigt, die fehlenden Nachweise im Wege einer Aufklärungsverhandlung nach § 24 VOL/A bei ihr nachzufordern. Ein nicht annahmefähiges Angebot darf nicht nachträglich wertungsfähig gemacht werden, indem fehlende, zwingende Angaben im Angebot nachgeholt werden (BayObLG, VergabeR 2002, 252, 254; Korthals in: Kulartz/Max/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 24 Rdn. 3 f.). Anderenfalls läge sowohl ein Verstoß gegen den vergaberechtlichen Wettbewerbsgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB sowie auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB vor.

(4) Anders als die Antragstellerin meint, steht einem Ausschluss wegen dieser fehlenden Referenzen auch nicht entgegen, dass in dem Schreiben gemäß § 101 a GWB dieser Ausschlussgrund nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Da der Ausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A vorliegend aufgrund der Selbstbindung der Antragstellerin zwingend ist, müssen Ausschlussgründe vom Auftraggeber sowie auch von der Vergabekammer in jeder Phase des Vergabeverfahrens zwingend beachtet werden (OLG Düsseldorf, VergabeR 2007, 92, 96; Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 25 Rdn.4).

bb) Auch die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Verlängerung der Angebotsfrist war wirksam.

aaa) Die Antragsgegnerin hat die ursprüngliche in der EU-Bekanntmachung vom 30. April 2009 vorgegebene Angebotsfrist im Wege ihres Bieterrundschreibens vom 16. Juni 2009 im Zusammenhang mit der Beantwortung von Bieteranfragen (Antwortkatalog 4, Position 22) um zwei Wochen bis zum 6. Juli 2009 verlängert und die Verlängerung gegenüber allen Bietern bekannt gegeben. Die von der Antragstellerin geäußerte Vermutung, die Verlängerung sei nur deswegen erfolgt, weil man einem gewünschten Bieter ermöglichen wollte, rechtzeitig ein ordnungsgemäßes Angebot abzugeben, wird weder durch die Dokumentation in der Vergabeakte noch durch den bekannten Sachverhalt in irgendeiner Weise gestützt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung, ein - zwischenzeitlich vom Vergabeverfahren ausgeschlossener - Bieter sei seinerzeit an sie herangetreten und habe um Verlängerung der Angebotsfrist gebeten, unzutreffend ist. Vielmehr entspricht sie der in der Vergabeakte in dem Antwortkatalog 4 unter der laufenden Nummer 22 dokumentierten Begründung der Verschiebung. Darin heißt es:

„Wegen der Komplexität der Angebotslegung wird eine Verschiebung der Submission beantragt. Der Terminsverschiebung wird zugestimmt. Die in Abschnitt IV der Bekanntmachung genannten Termine verschieben sich wie folgt: Schlusstermin für Eingang der Angebote bzw. Anträge auf Teilnahme: 06.07.2009, 10:00 Uhr.“

Ergänzend hat die Antragsgegnerin unwidersprochen ausgeführt, sie habe zur Beantwortung einer Bieterfrage ihrerseits umfangreiche Rückfragen bei acht einzelnen Verkehrsbetrieben halten müssen, und insoweit auf Position 8 des Antwortkatalogs 1 vom 28. Mai 2009 verwiesen. Danach hatten einige Bieter darauf hingewiesen, dass sie für die Kalkulation der geforderten Fahrzeugverkabelung und der Option „Ansage“ und „LSA-Ansteuerung“ eine Fahrzeugliste benötigen, die neben Typ und Baujahr auch die Typenbezeichnung der vorhandenen Bordverstärker und der vorhandenen Funkgeräte beinhalten sollte. Diese Fahrzeugliste hat die Antragsgegnerin ausweislich des Antwortkatalogs 1 vom 28. Mai 2009 bei dem beteiligten Unternehmen angefordert und mit Antwortkatalog 5 vom 26. Juni 2009 (Position 8) den Bietern zur Verfügung gestellt.

bbb) Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Interesse einer einwandfreien Kalkulationsgrundlage für die Bieter gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOL/A entschieden hat, diese Liste zu fertigen, sie den Bietern zur Verfügung zu stellen und die Angebotsfrist entsprechend § 18 a Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dafür angemessen zu verlängern. Aus § 18 a Nr. 1 Abs. 6 VOL/A folgt, dass der öffentliche Auftraggeber sogar zur Verlängerung der Angebotsfrist gezwungen ist, wenn die Bieter für die Kalkulation ihres Angebots weitere, mit den Verdingungsunterlagen nicht übersandte Unterlage oder Auskünfte benötigen. Diese rechtzeitig angeforderten zusätzlichen Auskünfte über die Verdingungsunterlagen und das Anschreiben muss der Auftraggeber spätestens 6 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist erteilen. Dass neben diesen Voraussetzungen und einer gleichzeitigen Bekanntgabe der Verlängerung der Angebotsfrist an alle Bieter für ihre Wirksamkeit noch weitere formelle Anforderungen - wie die von der Antragstellerin geforderte Veröffentlichung der Angebotsverlängerung im Rahmen einer EU-Bekanntmachung - bestehen, ist den Regelungen der §§ 18, 18 a VOL/A nicht zu entnehmen und wird auch nach den Vorgaben (Art.38) der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge nicht gefordert.

Dessen ungeachtet hat die Vergabekammer zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin durch die am 16. Juni 2009 bekannt gegebene Verlängerung der Angebotsfrist nicht in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein kann, weil sie die zugleich übersandte Fahrzeugliste als zusätzliche Information nach § 17 Nr. 6 Abs. 1 und 2 VOL/A noch im Rahmen ihrer Angebotskalkulation berücksichtigen konnte.

3. Hatte der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mithin nur zu einem Teil Erfolg, sind die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens sowie des Unterliegens zu verteilen. Dass die Antragstellerin vorliegend lediglich einen Teilerfolg erreicht hat, ergibt sich auch aus dem Vergleich des in ihren Anträgen zum Ausdruck kommenden Antragsziels mit dem Tenor der Vergabekammerentscheidung. Danach ging es der Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag vorrangig um die Feststellung, dass ihr - von der Antragsgegnerin ausgeschlossenes - Angebot gewertet werden muss. Darüber hinaus begehrte sie, die Angebote der anderen Bieter wegen verspäteter Abgabe auszuschließen. Hätte sie mit diesen Anträgen Erfolg gehabt, wäre ihr der Zuschlag auf ihr Angebot sicher gewesen. Unter Zurückweisung dieser Anträge hat die Vergabekammer allerdings lediglich ihren hilfsweise gestellten Antrag aufgegriffen, die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer und mithin auch unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu wiederholen. Da die Vergabekammer zugleich festgestellt hat, dass der Angebotsausschluss der Antragstellerin zu Recht erfolgt ist, bedeutet dieser Ausspruch für die Antragstellerin - gemessen an ihrem (Haupt)Antragsziel, die Auftraggeberin zu verpflichten, ihr Angebot nicht auszuschließen - lediglich einen geringen Teilerfolg. Vor diesem Hintergrund ist die von der Vergabekammer getroffene Kostenentscheidung, wonach die Antragstellerin 2/3 der Kostenlast trägt, jedenfalls nicht zu ihren Lasten erfolgt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 120 Abs. 2 GWB i. V. m. § 78 Satz 1 und 2 GWB.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. 

© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei