Was 2023 auf Händler zukommt – ein Überblick
Das eine Jahr endet, das nächste steht schon vor der Tür. Im Jahr 2023 werden einige Gesetze in Kraft treten, die auch Auswirkungen auf Händler haben. Dies betrifft insbesondere Änderungen des Verpackungsgesetzes, des Elektrogesetzes und des Hinweisgeberschutzgesetzes – aber auch andere Gesetze. Wir geben in diesem Beitrag einen Überblick darüber, welche Neuerungen Händler für 2023 unbedingt im Blick haben sollten.
Inhaltsverzeichnis
- I. Verpackungsgesetz – Mehrweg als neue Alternative
- II. Elektrogesetz – Änderungen kurzfristig verschoben
- III. Hinweisgeberschutzgesetz - Einrichtung von Meldestellen
- IV. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Verantwortung für die Kette
- V. Die Verbandsklagerichtlinie - Sammelklagen im Ansturm?
- VI. Der Digital Markets Act – Große Plattformbetreiber gefordert
- VII. Abmahnungen von Datenschutzverstößen durch Mitbewerber?
- VIII. Österreich: Gemäß Verpackungsnovelle werden Bevollmächtigte für nicht in Österreich ansäßige Online-Händler erforderlich
I. Verpackungsgesetz – Mehrweg als neue Alternative
1. Gesetzliche Pflicht zum Angebot von Lebensmittel-Mehrwegverpackungen zum 1. Januar 2023
Sog. Letztvertreiber i.S.d. Verpackungsgesetzes (VerpackG) müssen nach § 33 Abs. 1 VerpackG ab 1. Januar 2023 Lebensmittel zum unmittelbaren Verzehr, die sonst in Einwegkunststofflebensmittelverpackungen und Einweggetränkebechern abgegeben werden, am Ort des Inverkehrbringens zumindest auch in Mehrwegverpackungen zum Verkauf anbieten. Dabei geht es aber ausschließlich um solche Verpackungen, die jeweils erst beim Letztvertreiber mit den Waren befüllt werden.
Betroffene Letztvertreiber sind gemäß der gesetzlichen Definition in § 3 Abs. 13 VerpackG diejenigen Vertreiber – in diesem Fall von Lebensmitteln –, die Verpackungen an Endverbraucher abgeben. Hierzu gehören etwa Bäckereien und Coffee-Shops, die Kaffees und Snacks To Go anbieten, und etwa auch Pizza-Lieferdienste. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Letztvertreiber die Lebensmittel dann zwingend ausschließlich und immer in Mehrwegverpackungen anbieten müssen, sondern nur, dass diese ihren Kunden zumindest auch die Möglichkeit hierzu eröffnen müssen.
Nach den verpackungsrechtlichen Vorgaben dürfen die Letztvertreiber die Verkaufseinheit aus Ware und Mehrwegverpackung dabei im Übrigen nicht zu einem höheren Preis oder zu insgesamt schlechteren Bedingungen anbieten als die Verkaufseinheit aus der gleichen Ware und einer Einwegverpackung. Allerdings ist es natürlich erlaubt, auf die Abgabe der Mehrwegverpackungen ein angemessenes Pfand zu erheben.
Letztvertreiber müssen Mehrwegverpackungen auch wieder zurücknehmen, allerdings nur solche, die sie selbst abgegeben haben – fremde Mehrwegverpackungen müssen also nicht zurückgenommen werden.
2. Hinweispflicht für Letztvertreiber im Offline und Online-Handel
Mit der gesetzlichen Pflicht zum Angebot von Lebensmittel-Mehrwegverpackungen geht zugleich eine neue Informationspflicht einher.
Nach § 33 Abs. 2 VerpackG sind die betreffenden Letztvertreiber auch verpflichtet, die Endverbraucher in der Verkaufsstelle durch deutlich sicht- und lesbare Informationstafeln oder -schilder auf die Möglichkeit, Waren in Mehrwegverpackungen zu erhalten, in geeigneter Form hinzuweisen.
Falls Waren nicht vor Ort erworben, sondern geliefert werden, ist dieser Hinweis in den jeweils verwendeten Darstellungsmedien entsprechend zu geben.
3. Ausnahmen für kleine Betriebe
Zwar hat der Gesetzgeber die neuen Pflichten zum Angebot von Mehrwegalternativen bereits im Jahre 2021 verabschiedet, so dass Betriebe mittlerweile an sich genug Zeit zur Vorbereitung hatten. Dennoch bedeutet die Einführung der Mehrwegpflicht gerade für kleinere Betriebe eine gewisse Belastung und ein Umstellungsaufwand.
Dies hat der Gesetzgeber zum Glück gesehen und für kleine Betriebe Ausnahmen bzw. Sonderregelungen vorgesehen. Letztvertreiber mit nicht mehr als fünf Beschäftigten, deren Verkaufsfläche zudem insgesamt 80 Quadratmeter nicht überschreitet, können die Pflicht zur Mehrwegalternative zudem auch dadurch erfüllen, dass sie die Lebensmittel auf Wunsch der Kunden in die von diesen selbst mitgebrachten Boxen, Gefäßen oder sonstigen Verpackungen füllen. Werden Lebensmittel auch ausgeliefert, zählen zur Verkaufsfläche allerdings auch sämtliche Lager- und Versandflächen. Natürlich bleibt es aber kleineren Betrieben unbenommen, dennoch Mehrwegalternativen ihren Kunden anzubieten, so wie es größere Betriebe tun müssen.
In jedem Fall müssen auch kleinere Betriebe, die von den Ausnahmeregelungen Gebrauch machen, entsprechende gesetzliche Informationspflichten erfüllen. Zudem sieht zumindest die Gesetzesbegründung vor, dass die Letztvertreiber dann auch die baulichen und technischen Voraussetzungen bieten müssen, um für die Befüllung von solchen Boxen in hygienisch einwandfreier Weise zu sorgen, die die Kunden selbst mitbringen.
II. Elektrogesetz – Änderungen kurzfristig verschoben
Im Jahr 2023 wird eine Prüfpflicht für Online-Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister eingeführt werden, wie sie bereits aus dem Verpackungsrecht bekannt ist. Die Betreiber von Marktplätzen und Fulfillment-Dienstleister werden dann dazu verpflichtet sein, zu prüfen, ob die betreffenden Gerätehersteller ordnungsgemäß nach den Vorgaben des Elektrogesetzes (ElektroG) registriert sind. Dies bedeutet, dass Händler, die ihre Waren auf Marktplätzen vertreiben oder mit Unterstützung von Fulfillment-Dienstleistern versenden, die Registrierung der Geräte gegenüber den Marktplatz-Betreibern bzw. Fulfillment-Dienstleistern werden nachweisen müssen.
Ursprünglich war vorgesehen, dass diese Prüfpflicht der Marktplatz-Betreiber und Fulfillment-Dienstleister bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Nun hat der deutsche Gesetzgeber dies aber kurzfristig um ein halbes Jahr auf den 1. Juli 2023 verschoben.
Weitere Informationen hierzu finden Sie in diesem Beitrag.
III. Hinweisgeberschutzgesetz - Einrichtung von Meldestellen
Die sog. Whistleblower-Richtlinie (EU) 2019/1937 vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, hätte der deutsche Gesetzgeber schon längst, nämlich bis 17. Dezember 2021 umsetzen müssen. Allerdings wurde das erste Gesetzgebungsverfahren durch die Bundestagswahl 2021 unterbrochen. Das zweite Gesetzgebungsverfahren der Ampelregierung läuft aktuell noch. Die finalen Regelungen stehen noch nicht fest, und daher ist auch noch nicht sicher, wann sie in Kraft treten werden – möglicherweise aber schon bald, d.h. ggf. zum 1. Januar 2023.
Die im Rahmen der Umsetzung vorgesehenen Regelungen und Pflichten für Unternehmen sind aber zumindest im Groben bereits klar: Es müssen Meldestellen und Meldewege eingerichtet werden, über die bestimmte Rechtsverstöße gemeldet werden können. Auch schon klar scheint, dass Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten die neuen Pflichten bereits unmittelbar mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes werden umsetzen müssen bzw. umgesetzt haben müssen, während Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten hierfür eine Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 eingeräumt werden soll.
Wer die Meldestelle nicht einrichtet, muss mit einer Geldbuße von EUR 20.000 rechnen. Weitere Informationen zur Whistleblower-Richtlinie und den grundsätzlich geplanten Regelungen finden Sie etwa in diesem Beitrag der IT-Recht Kanzlei.
IV. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – Verantwortung für die Kette
Große Wellen bei vor allem größeren Unternehmen schlägt bereits seit längerem die Einführung des sog. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Dieses betrifft ab 1. Januar 2023 zunächst Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und ab 2024 auch Unternehmen mit jedenfalls mehr als 1.000 Beschäftigten.
Verbunden damit ist die Einführung von Verantwortlichkeiten für die eigene Lieferkette im Hinblick auf den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt. Kleinere und mittlere Unternehmen betrifft dies aber nicht.
V. Die Verbandsklagerichtlinie - Sammelklagen im Ansturm?
Die Richtlinie (EU) 2022/1828 über Verbandsklagen zum Schutz von Kollektivinteressen der Verbraucher (sog. „Verbandsklagerichtlinie“) muss von allen EU-Mitgliedstaaten bis zum 25. Dezember 2022 umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass das Umsetzungsgesetz bis dahin erlassen und veröffentlicht sein muss.
Noch ist dies in Deutschland nicht geschehen, die Verbandsklagerichtlinie befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren, so dass der Impact des neuen Gesetzes auf die Geschäftswelt in Deutschland noch nicht vollständig überblickt werden kann.
Durch die Vorgaben der Verbandsklagerichtlinie steht allerdings schon Einiges fest: bereits heute kennt das deutsche Recht das Instrument der sog. Musterfeststellungsklage, mittels der im Ergebnis Verbraucher – wie der Name bereits suggeriert – rechtlich verbindliche Feststellungen einheitlich feststellen lassen können. Die Verbandsklagerichtlinie sieht darüber hinaus vor, dass künftig im Prinzip Sammelklagen auf Leistung möglich sein können, d.h. etwa direkt auf Zahlung von Schadensersatz für eine Vielzahl von Betroffenen.
In der Verbandsklagerichtlinie ist geregelt, dass die Erhebung von Verbandsklagen spätestens ab dem 25. Juni 2023 möglich sein muss. Es wird sich zeigen, welche spezifischen Rahmenbedingungen und Vorgaben das deutsche Umsetzungsgesetz enthalten wird, wie etwa Verbraucherschutzverbände sich auch personell aufstellen werden, um in umfangreichen, ggf. auch medienwirksam begleiteten Verfahren Verbandsklagen erheben zu können, und ob die Gerichte dem möglicherweise drohenden Ansturm gewachsen sein werden.
VI. Der Digital Markets Act – Große Plattformbetreiber gefordert
Bereits seit 1. November 2022 ist das Unionsgesetz über digitale Märkte in Kraft, entfaltet seine Wirkungen in der Praxis aber erst ab Mai 2023.
Unmittelbar hiervon betroffen sind nur sog. Gatekeeper (deutsch: Torwächter), die eine besonders große Marktmacht im digitalen Bereich haben, und somit im digitalen Business großen Einfluss ausüben und die Bedingungen dort teilweise (mit-)bestimmen können. Unternehmen müssen bis zum Mai 2023 nach den im Digital Markets Act enthaltenen Vorgaben überprüfen, ob sie solche Gatekeeper sind und der EU-Kommission entsprechend Bescheid geben.
Für Gatekeeper werden dann besondere Regelungen gelten, deren Ziel es ist, die Marktmacht der Gatekeeper einzuhegen und nicht zum Nachteil der nicht gar so Mächtigen auszuüben, die wie andere Unternehmer oder insbesondere auch Verbraucher auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu den großen Plattformen angewiesen sind.
Händler betrifft dies mittelbar, indem sie von dem neuen Regelgerüst dadurch profitieren können sollen, dass sie im Ergebnis zu fairen Bedingungen Zugang zu den Plattformen bzw. Leistungen der marktmächtigen Unternehmen bekommen.
VII. Abmahnungen von Datenschutzverstößen durch Mitbewerber?
Kein neues Gesetz, sondern die Auslegung bestehender Gesetze betrifft ein Verfahren, deren Abschluss der BGH aktuell für den 12. Januar 2023 angekündigt hat.
In den Verfahren des BGH, Az. I ZR 222/19 und I ZR 223/19 geht es um die Frage, ob Wettbewerber von Unternehmen von Gesetzes wegen dazu befugt sind, Verstöße gegen das Datenschutzrecht zu verfolgen, also etwa Mitbewerber abzumahnen.
Konkret muss der BGH darüber entscheiden, ob ein Verstoß eines Apothekers gegen datenschutzrechtliche Verpflichtungen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) begründet und dies von einem anderen Apotheker mit einer Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann. Während erstinstanzlich das Landgericht mit Verweis auf den insoweit (vermeintlich) abschließenden Charakter des Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine Abmahn- und schließlich auch Klagebefugnis des Apothekers noch abgelehnt hatte, sah dies das Oberlandesgericht in der Berufung anders, und nahm zumindest in den im Fall konkret betroffenen DSGVO-Regelungen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG an.
Die anstehende Entscheidung des BGH wird daher mit Spannung erwartet und wird gleich zu Beginn des Jahres 2023 einen deutlichen Hinweis geben, ob Händler in Zukunft vermehrt mit Abmahnungen von Mitbewerbern wegen Datenschutzverstößen rechnen müssen.
VIII. Österreich: Gemäß Verpackungsnovelle werden Bevollmächtigte für nicht in Österreich ansäßige Online-Händler erforderlich
Zum 1. Januar 2023 erfährt das österreichische Verpackungsrecht eine Reform, die vor allem Online-Händler mit Sitz in anderen Ländern betrifft: für den Versand nach Österreich muss ab dem 1. Januar 2023 ein Bevollmächtigter bestellt werden, der für solche Händler die Verpackungslizenzierung in Österreich übernimmt.
Welche neuen Anforderungen künftig für den Versand nach Österreich gelten und wie diese umzusetzen sind, zeigen wir in diesen FAQ.
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