Wettbewerbswidrige Nachahmung von Produkten: LG Köln über Raketengefechte in der Zahnmedizin

Wettbewerbswidrige Nachahmung von Produkten: LG Köln über Raketengefechte in der Zahnmedizin
von Mag. iur Christoph Engel
03.05.2011 | Lesezeit: 3 min

Die Nachahmung von Produkten kann wettbewerbswidrig sein, wenn sie einem Konkurrenzprodukt zum Verwechseln ähnlich sehen, ohne dass dies technisch notwendig ist. In einem Urteil des LG Köln zu dieser Problematik ging es um zahnmedizinische Produkte, die in einer unverwechselbaren Raketenform ausgestaltet sind (Urt. v. 12.10.2010, Az. 33 O 306/09).

Es handelte sich hierbei um Mischerspitzen für 2-Komponenten-Material, die in Form kleiner Raketen hergestellt werden. Zusätzlich verfügen die Spitzen über Bajonettverschlüsse in individueller Form und Farbe, wobei durch die Farbgebung gleichzeitig das Lumen der jeweiligen Spitze codiert wird.

Ein anderer Hersteller stellte nun eigene Mischerspitzen her, die praktisch identisch ausgestaltet waren. Hierbei sah er sich auch im Recht, und zwar mit dem Argument der Kompatibilität: Die Spitzen müssten gleich aussehen, damit sie auf die entsprechenden Kartuschen aufgesetzt werden können. Der Hersteller der Originale zog darauf gegen die „gefälschten“ Raketen vor Gericht – mit Erfolg.

Die Richter des LG Köln sprachen ihm einen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 9 und 8 UWG zu, da die nachgemachten Spitzen unlautere Nachahmungen des Produktsortiments der Klägerin sind. Hierbei ist von einer Wettbewerbswidrigkeit dann auszugehen, wenn die individuelle Gestaltung des Produkts technisch so nicht notwendig ist, sondern vielmehr der Zuordnung zu einem bestimmten Hersteller und somit letztlich als Herkunftsmerkmal dient:

„Der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses kann wettbewerbswidrig sein, wenn dieses von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die seine Nachahmung als unlauter erscheinen lassen. […]. Wettbewerbliche Eigenart setzt auch bei technischen Produkten voraus, dass die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen […]. Weitere Voraussetzung für die wettbewerbliche Eigenart technischer Produkte ist es, dass es sich bei den betreffenden Gestaltungselementen nicht um Merkmale handelt, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen […]. Insoweit ist es erforderlich, dass der Verkehr – anders als dies bei ‚Allerweltserzeugnissen‘ oder ‚Dutzendware‘ der Fall ist – auf die betriebliche Herkunft des Erzeugnisses Wert legt und gewohnt ist, aus bestimmten Merkmalen auf die betriebliche Herkunft zu schließen […].“

Genau dies war bei den Originalen durch die Gestaltung in Form einer kleinen Rakete bzw. durch die kuppelförmige Bajonettverriegelung der Fall. Dementsprechend kann hier nicht von technischer Notwendigkeit exakt dieser Formgebung ausgegangen werden:

„Die Gestaltung und Farbgebung der Mischerspitzen […] können danach nicht als technisch zwingend notwendig angesehen werden. Dies gilt auch, wenn man […] Kompatibilität mit den Kartuschen der Klägerin erreichen will.
[…]
Da sich weder die Gestaltungsmerkmale noch die Farbkennzeichnung als technisch zwingende Merkmale darstellen, können sie die wettbewerbliche Eigenart des Produkts-Sortiments der Klägerin mitbegründen.“

Es half dem beklagten Unternehmen dabei auch nicht weiter, dass die Spitzen nicht an den Durchschnittsverbraucher, sondern ausschließlich an Fachleute abgegeben werden:

„Eine Verwechslungsgefahr ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen um Fachleute handelt. Es ist nicht auszuschließen, dass der Verkehr aufgrund der quasi-identischen Gestaltung und Verwendung desselben Farbkennzeichnungssystem sowie […] der Kennzeichnung insgesamt davon ausgeht, dass zwischen den Parteien lizenzrechtliche oder sonst vertragliche Geschäftsbeziehungen bestehen. Nach den getroffenen Feststellungen hat die Beklagte […] die Merkmale der klägerischen Mischerspitzen praktisch identisch übernommen. Bei einer identischen Übernahme kann grundsätzlich die Gefahr einer Herkunftstäuschung bestehen, weil der interessierte Betrachter zwangsläufig davon ausgeht, die beiden identischen Produkte stammten von demselben Hersteller […].“

Das Urteil des LG Köln ist in seiner Argumentation überzeugend. Wenn ein Hersteller zahnmedizinische Produkte ausgerechnet in der Form kleiner Raketen herstellt, dann kann dies eigentlich nur dem optischen Wiedererkennungswert und so der optischen Verknüpfung mit eben diesem Hersteller dienen – rein technisch würde hier eine eher unspektakuläre Kegelform sicherlich ausreichen. Wenn nun ein zweiter Hersteller ebenfalls anfängt kleine Raketen zu produzieren, dann kann dies eigentlich nur der Imitation des Originals dienen – hiergegen richtet sich dann der genannte Unterlassungsanpruch.

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