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Frage des Tages: Brutto-Preisunterschiede nach Steuersatz des Lieferlandes trotz Geoblocking-Verbot zulässig?

17.06.2021, 15:10 Uhr | Lesezeit: 4 min
Frage des Tages: Brutto-Preisunterschiede nach Steuersatz des Lieferlandes trotz Geoblocking-Verbot zulässig?

Zum 01.07.2021 wird das EU-Umsatzsteuerrecht reformiert. Wer im B2C-Geschäftsverkehr eine EU-weite Umsatzschwelle von 10.000€ überschreitet, schuldet die Umsatzsteuer zukünftig im jeweiligen Lieferland. Hiervon können insbesondere auch Preisangaben im eigenen Online-Shop betroffen sein, die gegenüber Verbrauchern stets die Mehrwertsteuer enthalten müssen. Ein Spannungsfeld entsteht aber zur EU-Anti-Geoblocking-Verordnung, die unterschiedliche Preise für unterschiedliche Zielländer auf derselben Präsenz gerade verhindern will. Ob es künftig zulässig ist, unterschiedliche Bruttopreise je nach angewendetem Steuersatz des Lieferlandes im Online-Shop anzuzeigen, klärt die IT-Recht Kanzlei im heutigen Beitrag.

I. Die EU-Umsatzsteuerreform und ihre Auswirkung auf Preisangaben

Im Zuge des sog. Digitalpakets wird zum 01.07.2021 auf EU-Ebene das Umsatzsteuerrecht reformiert.

Außer Kraft tritt die bisher geltende Versandhandelsregelung, nach der Online-Händler bei innergemeinschaftlichen Lieferungen an Nicht-Unternehmer die Umsatzsteuer grundsätzlich im Wohnsitzland schuldeten und nur bei Überschreitung länderspezifischer Umsatzschwellen im Kalenderjahr der Umsatzsteuerschuld im Zielland unterworfen werden.

In Kraft tritt die sogenannte „Fernverkaufsregelung“, bei welcher Online-Händler bei Lieferungen an Nicht-Unternehmer (B2C) im EU-Ausland ab Überschreiten einer EU-weit geltenden Umsatzschwelle von 10.000 Euro netto die Umsatzsteuer stets im Zielland nach dem jeweiligen Mehrwertsteuersatz schulden.

Die 10.000€-Schwelle gilt insgesamt für alle Lieferungen in andere EU-Länder und nicht für jeden einzelnen anderen Mitgliedsstaat individuell.

Detaillierte Informationen zur Umsatzsteuerreform und den neuen Regeln der Umsatzbesteuerung in den EU-Zielländern stellt die IT-Recht Kanzlei hier bereit.

Die neue Regelung, dass bei Überschreitung der geringen Umsatzschwelle stets der Mehrwertsteuersatz des Ziellandes anfällt und die Mehrwertsteuer auch dort geschuldet wird, wird sich zwangsweise auf Preisangaben im Online-Shop auswirken.

Hintergrund ist, dass gegenüber Verbrauchern gemäß § 1 PAngV stets der Preis inkl. Umsatzsteuer ausgewiesen werden muss.

Ab einer Überschreitung der Lieferschwelle von 10.000€ fällt jedoch ab dem 01.07.2021 bei Auswahl eines anderen Lieferlandes in der EU automatisch die korrespondierende ausländische Mehrwertsteuer an.

Welche Möglichkeiten Online-Händler haben, Ihre Preisangaben im Online-Shop mit der EU-Umsatzsteuerreform in Einklang zu bringen, haben wir in diesem Beitrag dargestellt.

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II. Nach Steuersatz variierende Brutto-Preise und die Anti-Geoblocking-Verordnung

Um auf die geänderten steuerrechtlichen Grundlagen zu reagieren, erwägen derzeit viele Online-Händler, im eigenen Online-Shop je nach Lieferland unterschiedliche Brutto-Preise anzuzeigen.

So soll bei Aufruf des Shops über eine Abfragefunktion die Auswahl des Lieferlandes durch den Shop-Nutzer ermöglicht werden, die mit den jeweiligen Preisangaben in Wechselwirkung steht.

Dem Verbraucher werden dann die Preise inklusive dem Mehrwertsteuersatz des ausgewählten Lieferlandes angezeigt.

Was mit Blick auf § 1 PAngV als elegante und rechtskonforme Lösung überzeugt, erweist sich mit Blick auf Art. 4 der geltenden EU-Anti-Geoblocking-Verordnung Nr. 2018/302 augenscheinlich als problematisch.

Die Vorschrift verbietet nämlich die Anwendung unterschiedlicher „allgemeiner Geschäftsbedingungen“, zu denen auch Preise zählen, aus Gründen der Staatszugehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Niederlassungsortes bei Angeboten im Internet.

Gerade dies würde aber passieren, wenn in ein und demselben Online-Shop die Bruttopreise je nach Steuersatz des jeweiligen Lieferlandes variierten.

Glücklicherweise war sich der EU-Gesetzgeber des offenen Widerspruchs einheitlicher Preise einerseits und unterschiedlicher Steuersätze andererseits aber bewusst und formuliert in der Anti-Geoblocking-Verordnung eine entscheidende Einschränkung.

Gemäß Art. 2 Nr. 14 der Verordnung gelten als „allgemeine Geschäftsbedingungen“ im Sinne des Diskriminierungsverbotes nur Nettoverkaufspreise, also solche, welche die Umsatzsteuer gerade (noch) nicht enthalten.

Die Anwendung unterschiedlicher Steuersätze je nach Lieferland zur Bildung von verschiedenen Gesamtpreisen im eigenen Online-Shop ist daher nach der Anti-Geoblocking-Verordnung gerade nicht zu beanstanden.

Verboten ist es also gerade nicht, den Bruttopreis je Lieferland als Summe eines einheitlichen Netto-Preises und des jeweiligen Umsatzsteuersatzes zu bilden.

Untersagt ist es nur, bei der Preisbildung für andere Lieferländer im selben Shop auch abweichende Nettopreise anzusetzen.

III. Fazit

Die Anti-Geoblocking-Verordnung verbietet nur die Anwendung unterschiedlicher Netto-Preise für unterschiedliche Zielländer im eigenen Online-Shop, erlaubt aber ausdrücklich die Bruttopreisbildung unter Aufschlag des im jeweiligen Lieferland geltenden Mehrwertsteuersatzes auf einen einheitlichen Nettopreis.

Online-Händler, die mit Blick auf die EU-Umsatzsteuerreform zum 01.07.2021 vorhaben, je nach ausgewähltem Lieferland allein unter Berücksichtigung der dort geltenden Mehrwertsteuer unterschiedliche Bruttopreise anzuzeigen und zu verlangen, können dies rechtskonform tun.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.


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7 Kommentare

S
Sarah 22.06.2021, 10:34 Uhr
Nettopreise wirklich zwingend?
Ich kann weder dem Verordnungstext noch den Erläuterungen der EU-Kommission entnehmen, dass zwingend nur auf den Nettopreis abzustellen ist. Die Rede ist stets von "einschließlich der Nettopreise". Dies scheint mir eher eine Klarstellung in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Nutzung des Nettopreises mit der Folge unterschiedlicher Bruttopreise je Bestimmungsland zu sein denn ein Gebot, einheitliche Nettopreise anzubieten. Ich sehe hier durchaus noch Klärungsbedarf. Die bisher geübte Praxis einheitlicher Bruttopreise wäre dann seit jeher nicht statthaft gewesen.
D
Daniel Oswald 10.06.2021, 14:18 Uhr
Unterschiedliche Nettopreise Preise bei Amazon
bei Amazon kann man ja nur den Brutto-Preis angeben. Von diesem werden nun unterschiedliche USt.-Sätze in Abhängigkeit der jeweiligen Lieferländer abgezogen, so dass am Ende unterschiedliche Nettopreise entstehen (ob explizit ausgewiesen oder nicht). Widerspricht das nicht auch dem Geoblocking-Verbot?
S
Sebastian 09.06.2021, 16:14 Uhr
Stehen gleiche Bruttopreise nicht im Widerspruch zur
Von der EU gibt es ein ziemlich hilfreiches FAQ zur Geoblocking Verordnung:
https://www.euroconsumatori.org/de/download/extanmvqm.pdf. In dieser FAQ wird auch darauf hingewiesen, dass unterschiedliche Bruttopreise für Kunden aus Ländern mit unterschiedlicher Mehrwertsteuer kein Problem sind und, ich zitiere: "Bei Preisen beziehen sich die „allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Zugang“ auch ausdrücklich ausschließlich auf die Nettoverkaufspreise."
Wenn ich aber nun Kunden aus der EU auf Basis der Geoblocking Verordnung keine unterschiedlichen Nettoverkaufspreise anbieten darf, dann ergibt sich daraus für mich doch zwangsläufig, dass ich unterschiedliche Bruttopreise anbieten MUSS. An den den Bruttopreisen zugrunde liegenden unterschiedlichen Steuersätzen kann ich ja auch nichts drehen. Kurz gesagt: Bedeuten identische Bruttopreise für Kunden aus verschiedenen EU Ländern nicht zwangsläufig unterschiedliche Nettopreise und damit einen Verstoß gegen die Geoblocking Verordnung?
R
Robert 08.06.2021, 16:45 Uhr
Ich hoffe ich bringe es auf den Punkt :-)
Ich hoffe ich bringe es nun auf den Punkt :-)




Ist es nun erlaubt im Onlineshop die Bruttoendpreise mit dem jeweiligen MWST-Satz des Lieferlandes anzeigen zu lassen oder nicht ? Somit würde der Käufer SEINEN Endpreis erst sehen wenn dieser sein Lieferland angibt. Die MWST-Zahl würde aber nicht angezeigt. Es heisst nur INCL MWST. BEISPIEL > Der Shop ist in Deutschland (19%) - Nettopreis 100 Euro - Endpreis deutsche Lieferadresse 119 Euro - Kunde ist aus Österreich - sieht zuerst die ja auch die 119 Euro - im Bestellvorgang und bei Eingabe seiner Lieferadresse rechnet der Shop dann auf die 20% um und es werden im dann 120 Euro angezeigt. Ist dieses Vorgehen in einem Shop korrekt so oder doch nicht ?
T
Torsten Meyer 08.06.2021, 15:40 Uhr
Sind einheitliche Bruttopreise also doch erlaubt?
Bitte entschuldigen Sie, dass ich hier noch mal nachhake.
Ganz verstanden habe ich Ihre Antwort an Herrn Paukner noch nicht.
In Ihrem Artikel heißt es sinngemäß, dass es verboten ist, im selben Shop pro Land unterschiedliche Netto-Preise anzusetzen:

"Die Anti-Geoblocking-Verordnung verbietet nur die Anwendung unterschiedlicher Netto-Preise für unterschiedliche Zielländer im eigenen Online-Shop"

Genau das würde ja passieren, wenn man einheitliche Bruttopreise anbieten würde.
Darf ich nun einheitliche Bruttopreise ansetzen oder nicht?
Freundliche Grüße
Torsten Meyer
I
IT-Recht Kanzlei 08.06.2021, 09:04 Uhr
Dualität der Preisstrategien
Sehr geehrter Herr Paukner,

danke für Ihren Kommentar.

Sie bezeichnen zwei unterschiedliche Preisangabestrategien.

Einerseits besteht natürlich die Möglichkeit, länderspezifische Shops mit jeweils landesspezifischem Liefergebiet einzurichten und die jeweilige ausländische Umsatzsteuer shopspezifisch zu berücksichtigen.

Andererseits besteht aber die Möglichkeit, einen flexiblen Bruttopreis einzurichten und Kunden zur Auswahl ihres Lieferlandes mit der Absicht anzuhalten, auf einen Netto-Basispreis die jeweilige landesspezifische Mehrwertsteuer aufzuschlagen und damit nach Lieferland variierende Bruttopreise inkl. MwSt. anzuzeigen.

In beiden Fällen dürfte der Preis "inkl. MwSt." ohne konkreten Steuersatz ausgewiesen werden.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihre IT-Recht Kanzlei

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