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Nun auch OLG Hamm und LG Bochum: Onlinehändler müssen aktiv auf bestehende Garantien für Waren hinweisen

11.02.2020, 08:06 Uhr | Lesezeit: 9 min
Nun auch OLG Hamm und LG Bochum: Onlinehändler müssen aktiv auf bestehende Garantien für Waren hinweisen

Aktueller Stand der Rechtsprechung: Besteht eine Pflicht des Händlers über eine Herstellergarantie zu informieren? Hinweis: Interessante weiterführende Informationen zum Thema hat die IT-Recht Kanzlei in ihrem Beitrag "Aktueller Stand der Rechtsprechung: Besteht eine Pflicht des Händlers über eine Herstellergarantie zu informieren?" veröffentlicht.

Die Frage, ob Händler in ihren Angeboten von sich aus aktiv auf das Bestehen einer (Hersteller)Garantie hinweisen müssen, ist in der Rechtsprechung umstritten. Nachdem zuletzt das LG Hannover dies im September 2019 verneint hat, entschied das OLG Hamm ebenso wie das LG Bochum nun im November 2019 jeweils gegenteilig.

Die Frage, ob Händler in ihren Angeboten von sich aus aktiv auf das Bestehen einer (Hersteller)Garantie hinweisen müssen, ist in der Rechtsprechung umstritten. Nachdem zuletzt das LG Hannover dies im September 2019 verneint hat, entschied das OLG Hamm ebenso wie das LG Bochum nun im November 2019 jeweils gegenteilig.

Worum geht es?

Es gibt Händler, die bewerben von sich aus aktiv bestehende Garantien auf deren Waren, weil es sich dabei um eine effektive Verkaufsförderungsmaßnahme handelt. Andererseits ist die Werbung mit einer Garantie seit jeher Einfallstor für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.

Denn es ist nicht ausreichend, mit pauschalen Aussagen wie „5 Jahre Herstellergarantie“ zu werben. Vielmehr muss der Händler zugleich zahlreiche Hinweis- und Informationspflichten erfüllen (etwa Name und Anschrift des Garantiegebers nennen sowie die Garantiebedingungen darstellen). Das macht eine (rechtssichere) Garantiewerbung komplex und aufwendig. Fehlt nur eine dieser „Pflichtangaben“, droht bereits eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung.

Deswegen verzichten viele Händler lieber auf die Bewerbung einer vorhandenen Garantie für die zu verkaufenden Ware. Dies ist sicher in der Praxis der einfachste Weg, aber im Ergebnis ebenfalls nicht rechtssicher.

Denn nimmt man die gesetzlichen Verbraucherinformationspflichten (hier nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB) im Fernabsatz ernst, sehen diese relativ klar vor, dass über Garantien, die für die angebotenen Waren bestehen, seitens des Verkäufers bereits online zu informieren ist. Das Gesetz differenziert hierbei nicht zwischen Garantien, die vom Verkäufer versprochen werden und solchen, die vom Hersteller der Ware versprochen werden.

Damit untersagt das Gesetz den Händlern quasi den „einfachen“ Weg, bestehende Garantien (wegen der bei der Werbung mit einer Garantie immer mitschwingenden Abmahngefahr) totzuschweigen.

In der Praxis leider eine Mammutaufgabe für die Händler

Nach Auffassung der IT-Recht Kanzlei (die bereits im Jahr 2016 durch das LG München I ausdrücklich bestätigt worden ist) haben Onlinehändler aktiv über Garantien zu informieren, die für die von Ihnen angebotenen Waren bestehen. Dies unabhängig davon, ob es sich um ein Garantieversprechen des Verkäufers selbst oder des Herstellers handelt.

Leider führt dies in der Praxis zu einem erheblichen Recherche- und Pflegeaufwand für die Händler. Denn diese müssen zunächst einmal sondieren, welche ihrer Produkte überhaupt betroffen sind. Je nach Sortimentsgröße kann dies schon eine Aufgabe von mehreren Tagen sein. Oft ist auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich, ob für eine Ware eine Herstellergarantie besteht.

Dann müssen die Händler sich jeweils die einschlägigen Garantiebedingungen beschaffen. Diese müssen natürlich aktuell sein und für deutsches Publikum in deutscher Sprache vorgehalten werden. Selbstverständlich müssen die Garantiebedingungen auch aktuell gehalten werden. D.h., ändert der Hersteller die Spielregeln für seine Garantie, müssen die bisherigen Garantiebedingungen durch den Händler gegen die aktuellen ausgetauscht werden, andernfalls droht eine Irreführung des Käufers.

Dann gilt es, die Garantiebedingungen neben der eigentlichen Information über das Bestehen der Garantie sowie den weiteren garantiebezogenen Informationspflichten in sämtliche betroffenen Angebote korrekt einzubinden. Im eigenen Shop noch machbar, auf Plattformen wie Amazon oder eBay oftmals technisch eine Herausforderung.

Details zu diesem Dilemma der Händler lesen Sie hier.

Mit Entscheidungen des OLG Hamm und des LG Bochum aus November 2019 wurde diese Rechtsansicht nun erneut in der Rechtsprechung bestätigt. Die Luft für „Garantieverschweiger“ wird damit zunehmend dünner…

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Die Entscheidung des OLG Hamm

Mit seinem Urteil vom 26.11.2019, Az.: I-4 U 22/19 hatte das OLG Hamm über einen Sachverhalt zu befinden, der sich auf der Plattform Amazon abspielte.

Der beklagte Verkäufer bot dort ein Taschenmesser an. Im Angebot des Verkäufers wurde die bestehende Herstellergarantie für das Messer nicht erwähnt. Im Angebot befand sich unter dem Punkt „Weitere technische Informationen“ jedoch ein Link auf ein Produktinformationsblatt des Herstellers des Messers.

Klickte der Interessent auf den Link, öffnete sich ein Dokument, in welchem der Hersteller des Messers eine Herstellergarantie für das Taschenmesser bewarb. Diese Werbung war jedoch so unzureichend, dass dabei nicht alle Informationspflichten, die bei einer Garantiewerbung greifen, erfüllt wurden.

Das OLG Hamm sah darin einen Wettbewerbsverstoß des Amazon-Verkäufers. Dieser sei verpflichtet, umfassend über die bestehende Garantie für das Messer zu informieren, was hier jedoch nicht geschehen sei.

Auch wenn dieser Sachverhalt nicht direkt den Fall der „komplett verschwiegenen“ Garantie betrifft (es fand sich ja ein Link auf Herstellerunterlagen mit unzureichenden Informationen zur bestehenden Garantie) zeigt diese obergerichtliche Entscheidung, dass der Senat von der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB auch eine Herstellergarantie erfasst sieht. Da hier eine Garantie vom Verkäufer durch die Verlinkung auf die Herstellerunterlagen zumindest mittelbar beworben wurde, mussten die Richter gar nicht auf die Frage eingehen, ob die Informationspflicht auch dann greift, wenn die Garantie überhaupt nicht erwähnt wird.

Die Entscheidung des LG Bochum

Tags darauf hatte das LG Bochum einen Sachverhalt bei eBay zu entscheiden (Urteil vom 27.11.2019, Az.: I-15 O 122/19).

Der vor dem LG Bochum beklagte eBay-Händler bot eine Smartwatch an, für die unzweifelhaft eine Herstellergarantie bestand. Über diese verlor der Beklagte in seinem Angebot jedoch kein Wort und wurde deswegen abgemahnt.
Mangels Abgabe einer Unterlassungserklärung mussten die Bochumer Richter nun diesen Streit entscheiden.

Die Kammer stellte dabei fest, dass alleine die Existenz einer solchen Garantieerklärung des Warenherstellers dafür ausreichend ist, dass der Händler über diese bestehende Garantie (eines Dritten) umfassend zu informieren habe. Das Bestehen der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB setzt nach Ansicht der Richter gerade nicht voraus, dass die Garantie überhaupt irgendwo angesprochen wird oder gar werblich herausgestellt wird.

Oder mit anderen Worten: Besteht für die angebotene Ware eine Herstellergarantie, muss der Verkäufer in seinem Angebot umfassend über diese informieren!

Es kann nur eine Garantie geben…

Die Richter aus Bochum stellten zudem auch klar, dass das Gesetz in Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB nicht danach unterscheidet, ob es sich um eine Verkäufer- oder eine Herstellergarantie handelt. Die Informationspflicht gilt einheitlich für beide Formen einer Garantie:

"Nach Artikel 6 Abs. 1 m.) der RL 2011/83/EU, umgesetzt durch Artikel 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB, muss der Unternehmer den Verbraucher auf das Bestehen und die Bedingungen von gewerblichen Garantien hinweisen. Abweichend von der grundsätzlichen Vollharmonisierung gem. Artikel 4 der RL 2011/83/EU können die Mitgliedsstaaten nach Artikel 6 Abs. 8 der RL 2011/83/EU zusätzliche Informationspflichten vorsehen, jedoch nicht von den vorgeschriebenen abweichen. Daher muss das Wort "Garantie" des Artikel 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass die "gewerbliche Garantie" gemeint ist und dementsprechend der Unternehmer auch auf eine zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung eingegangenen Verpflichtung des Herstellers als Garantiegeber hinzuweisen hat."

Händler können sich also nicht darauf zurückziehen, dass es sich um eine Herstellergarantie handelt. Auch eine solche wird von der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB erfasst.

Es handelt sich um eine umfassende Informationspflicht

Nach Ansicht der Kammer kann nur die umfassende Erfassung aller Garantien für die Ware dem Informationsinteresse des Verbrauchers gerecht werden. Eine Ausklammerung für Garantien, die nicht vom Verkäufer selbst versprochen werden von der Informationspflicht des Verkäufers sei daher nicht sachgerecht:

„Der Wortlaut des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB - Garantien - differenziert nicht zwischen einer Herstellergarantie und einer Garantie, die nur vom Verkäufer oder zwar von einem Dritten angeboten wird, mit der der Unternehmer jedoch selbst wirbt, eben nicht. Die globale Formulierung "Garantien" spricht nach Auffassung der Kammer bereits für eine umfassende Informationspflicht des Unternehmers über sämtliche Arten von Garantien. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist nach Ansicht der Kammer der Tatsache, dass der Unternehmer nach der vorgenannten Regelung auch über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst und Kundendienstleistungen zu informieren hat, nicht zwingend zu entnehmen, dass ausschließlich hinsichtlich solcher Garantien zu informieren wäre, bei denen der Unternehmer selbst der Garantiegeber ist. Denn dann würde sich die statuierte Informationspflicht nicht auf solche Garantien erstrecken, mit denen der Unternehmer zwar wirbt, die jedoch vom Hersteller oder sonstigen Dritten herrühren. Dass eine solche vom Wortlaut nicht geforderte und dem Verbraucherschutz diametral entgegenstehende Sichtweise unzutreffend ist, versteht sich nach Auffassung der Kammer von selbst; sie findet in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - keine Stütze. Vielmehr bestehen in jener Konstellation keine Zweifel hinsichtlich der Informationspflicht des mit der Garantie werbenden Unternehmers.“

Der Händler muss sich eben auf die Suche begeben!

Wie oben bereits angesprochen, wissen viele Verkäufer manchmal schlicht nicht, dass für deren Ware überhaupt eine Herstellergarantie besteht. Deren Problem, so die Richter aus Bochum. Das LG setzte hier sogar noch eines drauf und bejahte eine Pflicht zur Nachforschung für den Verkäufer:

"Nach Auffassung der Kammer (vom OLG Hamm, Urteil vom 26.11.2019 – 4 U 22/19 ausdrücklich offengelassen) verpflichtet § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB den Verkäufer einer Ware, aktiv nach dem Bestehen von (Hersteller-)Garantien für die angebotene Ware zu forschen, um seine Kunden sodann näher über diese Garantien informieren zu können. Die Informationspflicht des Verkäufers greift nach Wortlaut der vorgenannten Vorschriften, ihrem Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens nicht nur dann ein, wenn das Warenangebot - wie im Entscheidungsfall des OLG Hamm - einen Hinweis (in welcher Form auch immer) auf das Bestehen einer Garantie enthält."

Das wird viele Händler unglücklich machen, da damit ein enormer Zeitaufwand und eine große Rechtsunsicherheit verbunden sind.

Muster für rechtssichere Information über bestehende Garantie

Update-Service-Mandanten der IT-Recht Kanzlei finden Muster für die rechtssichere Garantiewerbung gerne hier.

Fazit

Im Ergebnis sprechen die besseren Gründe (und auch die Mehrzahl der gerichtlichen Entscheidungen) dafür, eine Pflicht des Händlers zur aktiven Information über eine für die von ihm angebotene Ware bestehende Herstellergarantie zu bejahen.

Spätestens wenn sich der BGH einmal mit dieser – nach wie vor umstrittenen – Fragestellung befasst hat, dürfte Klarheit herrschen.

In der Zwischenzeit sind Onlinehändler gut beraten, von sich aus aktiv und rechtskonform über eine bestehende Herstellergarantie zu informieren. Dies gilt zumindest dann, wenn es sich um (Marken)Ware handelt, für welche Dritte das Bestehen einer solchen Garantie leicht nachvollziehen können (z.B. anhand von entsprechenden Angaben / Werbung auf der Herstellerwebseite).

Bitte daran denken: Wenn die Informationspflicht erfüllt wird, wirbt der Händler zugleich natürlich auch mit einer Garantie und muss die Garantiewerbung insgesamt rechtssicher gestalten, da andernfalls wiederum Abmahnungen drohen. Wie dies gelingt, zeigen die oben genannten Muster der IT-Recht Kanzlei.

Sie möchten rechtssicher und abmahnfrei im Internet verkaufen? Werfen Sie einen Blick auf die Schutzpakete der IT-Recht Kanzlei.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.


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