Aktivlegitimation: Darf der IDO-Verband noch abmahnen?
Der IDO-Verband ist seit vielen Jahren wegen seiner Abmahnfreudigkeit bekannt und gefürchtet. In letzter Zeit sind einige Entscheidungen ergangen, welche die Aktivlegitimation (wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis) des IDO Verbands verneint haben. Ob der IDO-Verband nun aufgrund dieser Entscheidungen noch abmahnen darf oder ob seiner Abmahnfreude nun ein Riegel vorgeschoben wurde, erfahren Sie in unserem Beitrag.
Aktivlegitimation - wann darf ein Verband abmahnen?
Nur ein bestimmter, „erlesener“ Kreis darf wettbewerbsrechtliche, auf das UWG gestützte Abmahnungen aussprechen. Zu diesem Kreis zählen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG auch
"rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt."
Damit Ansprüche aus dem UWG geltend gemacht werden können, müssen dem IDO-Verband in jeweiligen Fall eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehören, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben.
Dieser Punkt ist immer wieder problematisch. Zu berücksichtigen sind hierbei diejenigen Verbands-Mitglieder, welche auf demselben räumlichen und sachlichen Markt wie der abgemahnte Unternehmer tätig sind.
Wird beispielsweise ein Schuh-Händler wegen eines Verstoßes gegen das UWG abgemahnt, sind nur diejenigen Vereinsmitglieder relevant, die selbst auch Schuhe vertreiben. Die „erhebliche Zahl von Unternehmern“ ist nicht im Sinne einer prozentualen Größe zu interpretieren.
Vielmehr zählt hier der Einzelfall. Entscheidend ist, welche Marktverhältnisse konkret vorliegen. Treten auf einem Markt nur wenige Mitbewerber in Erscheinung, kann auch die Verbandsmitgliedschaft von einem oder zwei Unternehmern genügen (OLG Nürnberg, Urteil vom 03.01.1995, Az.: 3 U 1258/94). Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 18.10.1995, Az.: I ZR 126/93) muss der Abmahnende im Prozess darüber hinaus auch nachprüfbar glaubhaft machen, dass eine ausreichende Mitgliederanzahl gegeben ist.
Dabei lassen die Richter die Vorlage einer anonymisierten Mitgliederliste nicht im Rahmen eines Gerichtsprozesses genügen (LG Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2019, Az.: 13 O 74/18). Außergerichtlich genügt es hingegen, die Abmahnberechtigung schlüssig zu behaupten (OLG Hamm, Beschluss vom 23.02.2017, Az.: 4 W 102/16).
Hat der IDO-Verband seine Aktivlegitimation verloren?
Aufgrund einiger Einzelfallentscheidungen in letzter Zeit, welche die Aktivlegitimation des IDO-Verbands verneinten, wäre die Annahme des generellen Verlusts der Aktivlegitimation aber zu vorschnell.
Wie bereits erwähnt, ist im konkreten Fall jeweils individuell zu prüfen, ob anhand der jeweils vorherrschenden Marktverhältnisse (Waren oder Dienstleistungen verwandter Art und auf demselben räumlichen Markt) eine ausreichende Zahl an Mitbewerbern Mitglied beim IDO-Verband gegeben ist.
In einem zweiten Schritt muss der Verband dann auch hinreichende Beweise dafür erbringen. Diesen Beweis konnte der Verband in einem Verfahren vor dem Landgericht Rostock (LG Rostock, Urt. v. 25.04.2019, Az. 5a HK O 112/18) nicht führen. Vor dem LG Rostock wurde dem IDO-Verband die Klagebefugnis abgesprochen, da er nicht nachweisen konnte über eine ausreichende Mitgliederanzahl im relevanten Marktsegment (hier im Bereich von Nahrungsergänzungsmitteln) zu verfügen.
Ein weiteres Verfahren vor dem OLG Frankfurt (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 02.05.2019, Az. 6 U 58/18) ging ebenfalls schlecht für den IDO Verband aus, da die in Frage kommenden Mitglieder die angegriffene Warenkategorie (Spielzeug) nur in geringer Stückzahl anboten.
Im Fall vor dem LG Bonn (Urteil vom 15.05.2018, Az.: 11 O 49/17) konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass es dem IDO Verband bei der konkreten Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen gehe.
Fazit
Auch wenn der IDO-Verband durch den Angriff sämtlicher Branchen mit Abmahnungen ein regelrechtes „Schreckgespenst“ in den Augen vieler Online-Händler ist, muss bei der Aktivlegitimation immer genau hingeschaut werden.
Klagen des Verbands scheiterten in der Vergangenheit nämlich meist daran, dass nicht dargelegt werden konnte, dass eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Mitgliedern (gleiches Angebot auf demselben räumlichen Markt) gegeben war. Das bedeutet aber auch, dass von Fall zu Fall entschieden werden muss. Während auf dem einen sachlich relevanten Markt unter Umständen die Aktivlegitimation fehlen kann, besteht diese auf einem anderen sachlich relevanten Markt aber gerade!
Ein allgemeiner Verlust der Aktivlegitimation des IDO-Verbands kann also derzeit nicht angenommen werden. Vielmehr kommt es immer auf den Einzelfall an, ob der IDO-Verband Online-Händler erfolgreich abmahnen bzw. vor Gericht verfolgen kann.
Tipp: Fragen zum Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook .
Link kopieren
Als PDF exportieren
Per E-Mail verschicken
Zum Facebook-Account der Kanzlei
Zum Instagram-Account der Kanzlei
3 Kommentare