Industriespionage light: Aktuelles BGH-Urteil zur Betriebsbeobachtung

In einem aktuellen Urteil hat der BGH zum Thema „Betriebsbeobachtung“ Stellung bezogen. Demnach kann das systematische Ausspähen eines Konkurrenten eine wettbewerbswidrige Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG darstellen.
Das Vorspiel
Frei nach dem Motto „pecunia non olet“ lieferten sich zwei Abfallentsorger einen erbitterten Konkurrenzkampf. Der eine Betrieb (der späteren Beklagte) war auf vermeintliche Unregelmäßigkeiten im Konkurrenzbetrieb aufmerksam geworden und postierte daraufhin einen Mitarbeiter vor dessen Grundstück, der von seinem geparkten Fahrzeug aus das Betriebsgelände des anderen (des späteren Klägers) beobachtete und Notizen über ankommende und abfahrende Fahrzeuge von Mitarbeitern und Kunden anfertigte. Später kam es angeblich auch zu dem Versuch, einen Kunden des Klägers gezielt abzuwerben.
Das juristische Nachspiel
Der Kläger zog nun vor das Landgericht Verden und beantragte dort, den beklagten Betrieb zur Unterlassung seiner Beobachtungstätigkeit, zur Auskunft über bisher erlangte Informationen und zur Zahlung von Anwaltsgebühren zu verurteilen. Das LG Verden wies ihn jedoch ab (Urteil vom 23.10.2006, Az. 10 O 70/06).
Ansicht des OLG Celle
Die Berufung vor dem Oberlandesgericht Celle führte jedoch zum Erfolg. Hier wurde der Beklagte den Anträgen des Klägers entsprechend verurteilt (08.03.2007, Az. 13 U 213/06). Argument der Richter:
„Mit dem systematischen Sammeln von Informationen über die Fahrzeuge, die das Betriebsgelände der Klägerin anfahren und verlassen, wird nicht nur der Markt beobachtet, was zulässig sein muss. Vielmehr soll mit diesen Informationen offenbar der Kundenkreis der Klägerin abgeschöpft werden, um die eigene Kundenpflege zu Lasten der Klägerin zu erleichtern. Ein systematisches Ausspähen behindert außerdem die Klägerin dadurch, dass es mit sich bringen kann, dass sich die Mitarbeiter der Klägerin beobachtet fühlen, was ihre Arbeit beeinträchtigen kann. Die Klägerin wird ihrerseits gezwungen, Gegenmaßnahmen zu treffen, die ihre betrieblichen Abläufe ebenfalls behindern.“
Ansicht des Bundesgerichtshofs
Die folgende Revision führte die Streithähne schließlich vor den Bundesgerichtshof, der das Urteil des OLG Celle wieder aufhob. Als Grund hierfür nannten die Richter des BGH in ihrem Urteil (16.07.2009, I ZR 56/07) einerseits die Anträge des Klägers, die zu unbestimmt waren, um als Grundlage für ein sinnvolles Urteil zu dienen; andererseits sei es dem Kläger auch nicht gelungen zu beweisen, dass der Konkurrenzbetrieb tatsächlich in wettbewerbswidriger Weise gehandelt hat:
„Das Berufungsgericht hat mit der Formulierung ‚offenbar‘ zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei seiner Annahme, mit den gesammelten Informationen habe der Kundenkreis der Klägerin abgeschöpft werden sollen, nur um eine Vermutung handelt. […] Selbst wenn der Mitarbeiter der Beklagten beim Beobachten des Betriebsgeländes Informationen gesammelt hätte, um Kunden der Klägerin abzuwerben, könnte dies nicht ohne weiteres als wettbewerbswidrig angesehen werden.
Zwar kann das Ausspannen und Abfangen von Kunden eines Mitbewerbers unter besonderen Umständen wettbewerbswidrig sein […] Allein die Absicht des Mitarbeiters der Beklagten, die durch das Beobachten des Betriebsgeländes der Klägerin erlangten Informationen für ein Abwerben von Kunden zu verwenden, könnte die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens jedoch nicht begründen […]. Zudem sind keine Umstände vorgetragen, aus denen sich die Wettbewerbswidrigkeit des behaupteten Abwerbeversuchs ergeben könnte.“
Insoweit bringt das Urteil jedoch auch nicht viel Klarheit, unter welchen Umständen eine solche Betriebsbeobachtung aus wettbewerbsrechtlicher Sicht jeweils erlaubt oder verboten wäre.
Einzelne Tatbestände
Allerdings hat der BGH in diesem Urteil einige Einzeltatbestände aufgeführt, die (jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände) einen Wettbewerbsverstoß begründen können:
- „Ausspannen und Abfangen“ von Kunden eines Mitbewerbers
- Ausspähen von Geschäftsgeheimnissen, einschließlich Kundendaten, soweit diese nicht offenkundig sind
- Herbeiführen der Gefahr von Betriebsstörungen, z.B. durch Fotografieren auf dem Werksgelände
Fazit
Interessant sind an diesem Urteil die widerstreitenden Positionen: Auf der einen Seite das (durchaus verständliche) Interesse des Klägers, die Konkurrenz auf Distanz von seinem Betriebsgelände und seinem Kundenstamm zu halten, auf der anderen Seite das (ebenso verständliche) Interesse des Beklagten, den Konkurrenten aus dem öffentlichen Raum heraus im Auge zu behalten.
Solange hier jedoch keine Wettbewerbswidrigkeit nachzuweisen ist (was, wie dieser Fall zeigt, auch äußerst schwierig sein dürfte), ist die reine Beobachtung der Konkurrenz „von außen“ juristisch nicht zu beanstanden. Erst die Verwertung der so gewonnenen Informationen zu unlauteren Zwecken kann später einen Wettbewerbsverstoß begründen.
Dennoch sollte eine allzu neugierige Konkurrenz auch nicht einfach ignoriert werden – unter bestimmten Umständen kann es durchaus sinnvoll sein, einen juristischen Berater aufzusuchen.
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