Rheinland-Pfalz: Hamm

„Frist-Beginn“ – Unterlassungsansprüche & die wettbewerbsrechtliche Konsequenz

Urteil vom OLG Hamm

Entscheidungsdatum: 24.03.2009
Aktenzeichen: 4 U 211/08

Leitsätze

Wird ein Unterlassungsanspruch nur zur Erzielung von Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht, ist dies rechtsmissbräuchlich und im Sinne von § 8 IV UWG wettbewerbswidrig.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 05. November 2008 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Beklagte betrieb einen ebay-shop und bot unter der Bezeichnung "h-shop" über die Auktionsplattform ebay Schmuck und Accessoires an. Die von ihr eingestellten Angebote enthielten folgende Widerrufsbelehrung:

"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung ..."

Wegen des weiteren Inhalts der Belehrung über das Widerrufsrecht und die Rücknahme der Ware wird auf den als Anlage K 1 überreichten Ausdruck verwiesen.

Die Klägerin bietet ebenfalls über die Auktionsplattform ebay u.a. Geldbörsen und Etuis an. Ihr Umsatz im August 2008 belief sich auf 184,88 €. Mit Anwaltsschreiben vom 30.06.2008 forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung zum 14.07.2008 auf, künftig keine Waren über ebay ohne eine ordnungsgemäße Belehrung über den rechtlich zutreffenden Fristbeginn für den Widerruf zu verkaufen, insoweit eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben und die mit 717,81 € bezifferten Abmahnkosten zu erstatten, basierend auf einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 € (vgl. Fotokopie der Abmahnung Bl. 27 ff d.A.).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie als Mitbewerberin der Beklagten aktivlegitimiert sei. Ihr stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 3.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, im Wege des Verkaufes bei dem Online-Auktionshaus "Ebay" Verkäufe zu tätigen ohne ordnungsgemäße Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist erst nach Erhalt der Widerrufsbelehrung in Textform gemäß §§ 312c Abs. 2, 355 Abs. 2 Satz 1, 356 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 4 Satz 2 BGB-InfoV;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 717,81 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat wegen der von den Parteien angebotenen unterschiedlichen Waren eine Mitbewerbereigenschaft der Klägerin bestritten und zudem behauptet, dass sie keinen eBay-Handel mehr betreibe. Sie hat darüber hinaus einen Wettbewerbsverstoß in Abrede gestellt und gemeint, dass die Verwendung des nach § 16 BGB-InfoV n.F. bis zum 1. Oktober 2008 zugelassenen alten Musters keinen Wettbewerbsverstoß darstelle.

Die Beklagte hat der Klägerin ferner ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen und dabei auf weitere Abmahnungen der Klägerin hingewiesen, die denselben Wortlaut wie die an sie gesandte Abmahnung gehabt hätten. Außerdem stehe die Abmahntätigkeit der Klägerin in keinem vernünftigen Verhältnis zur Geschäftstätigkeit der Klägerin. Deren Jahresumsatz belaufe sich auf 2.400,00 €. Demgegenüber ergebe sich bei 13 Abmahnungen ein "Umsatz" von 9.331,53 €.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Inhaber der Klägerin der Bruder des Rechtsanwaltes sei, der die Abmahnungen ausspreche.

Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit einem angeblichen Anspruch auf Ersatz der durch die zur Abwehr der Abmahnung entstandenen Kosten in Höhe von 489,45 € erklärt.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 5. November 2008 die Klage abgewiesen.

Es hat den Unterlassungsanspruch nicht für begründet erachtet, weil es den Gesetzesverstoß in erster Linie als Bagatelle i.S.d. § 3 UWG angesehen hat.

Sollte man jedoch keinen Bagatellverstoß annehmen, sei die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG.

Wegen des Inhaltes des Urteiles im Einzelnen wird auf Blatt 115 ff der Akten verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.

Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages rügt die Klägerin mit näheren Ausführungen die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass der Gesetzesverstoß der Beklagten als Bagatelle zu qualifizieren sei. Für einen Bagatellverstoß streite auch nicht der Umstand, dass bis zum 1. Oktober 2008 das alte Muster zu § 14 BGB-InfoV noch habe verwendet werden können. Insofern verweist die Klägerin darauf, dass  § 312 d Abs. 2 BGB und § 14 Abs. 1 BGB-InfoV nicht auf gleicher normenhierarchischer Ebene stünden.

Die Klägerin wendet sich ferner gegen den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Sie bestreitet das vom Landgericht angenommene enge Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Inhaber der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten und behauptet, der Inhaber der Klägerin sei der Onkel des abmahnenden Rechtsanwaltes. Außerdem meint sie, dass ein Verwandtschaftsverhältnis kein taugliches Indiz für einen Rechtsmissbrauch sei. Auch der der Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert sei nicht überhöht. Das Landgericht habe widersprüchlich argumentiert, wenn es einerseits den Gegenstandswert für weit überhöht angesehen habe, andererseits aber einen Streitwert von 5.000,00 € festgesetzt habe.

Sie, die Klägerin, habe ein wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen. Im vorliegenden Fall könne auch nicht von einer Überschneidung der angebotenen Waren lediglich in einem Randbereich ausgegangen werden. Die Parteien vertrieben vielmehr Waren desselben Artikelsegments. Auch in der Anzahl der Abmahnungen sei kein taugliches Indiz für einen Rechtsmissbrauch zu sehen. Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken der Klägerin mit ihrem Prozessbevollmächtigten seien nicht ersichtlich. Sie würde allein darüber entscheiden, ob Wettbewerbsverstöße verfolgt würden. Sie trage insofern auch allein das Kostenrisiko.

Die Klägerin beantragt,

Unter Aufhebung des am 05.11.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld, Az. 18 O 34/08, wird die Berufungsbeklagte verurteilt

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 3.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, im Wege des Verkaufes bei dem Online-Auktionshaus "Ebay" Verkäufe zu tätigen ohne ordnungsgemäße Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist erst nach Erhalt der Widerrufsbelehrung in Textform gemäß §§ 312c Abs. 2, 355 Abs. 2 Satz 1, 356 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 4 Satz 2 BGB-InfoV;

2. an die Berufungsklägerin 717,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages stellt die Beklagte weiterhin einen Wettbewerbsverstoß unter Hinweis auf § 16 BGB-InfoV in Abrede. Im Übrigen verkenne die Klägerin, dass die Beklagte der Ware jeweils eine Belehrung in Textform beigelegt habe (Zeugnis H).

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches durch die Klägerin sei auch rechtsmissbräuchlich, und zwar insbesondere aufgrund der geringen Umsätze der Klägerin und aufgrund der weiteren Abmahnungen wegen desselben angeblichen Wettbewerbsverstoßes. Das eklatante Missverhältnis von Abmahntätigkeit und Geschäftsumfang lege nicht zuletzt wegen des verwandtschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Inhaber der Klägerin und dem von ihr beauftragten Prozessbevollmächtigten nahe, dass das Interesse, Gebühren zu erzielen, im Vordergrund stehe. Dafür spreche auch der mit 10.000,00 € zu hoch angesetzte Streitwert.

Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, allerdings zu Unrecht als unbegründet. Die Klage ist vielmehr bereits als unzulässig abzuweisen, weil die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren hier rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG geltend macht. Denn es fehlt im Falle der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs bereits die Klagebefugnis (Piper/Ohly UWG § 8 Rz. 176 m.w.N.). Deshalb hat der Senat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage bereits als unzulässig abgewiesen bleibt. Darin liegt kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot gem. § 528 ZPO (Musielak ZPO § 528 Rz. 18). Der Klägerin wird durch diese Auswechslung des Abweisungsgrundes kein Recht verkürzt, das sie schon durch das angefochtene Urteil erworben hätte.

Zu Recht hat das Landgericht hier einen Fall rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs angenommen.

Nach § 8 Abs. 4 UWG liegt ein solcher Fall vor, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs vorwiegend dazu dient, gegen den zuwider Handelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Das ist hier der Fall.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin 11 weitere Abmahnungen ausgesprochen hat, und zwar alle nach demselben Muster. Nach der Behauptung der Beklagten begründete die Klägerin jede der erfolgten Abmahnungen wie im vorliegenden Fall auch mit einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung durch den fehlenden Hinweis auf den Erhalt einer gesonderten Belehrung in Textform. Die Klägerin hat dies nicht in Abrede gestellt, sondern ihr Verhalten nur zu erläutern versucht. Es spricht aber nicht für eine ernsthaft gemeinte Überwachung des lauteren Wettbewerbs, wenn sich ein Wettbewerber nur auf die Verfolgung eines bestimmten Wettbewerbsverstoßes gewissermaßen spezialisiert. Dies zeigt, dass es ihm eben nicht insgesamt um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs zu tun ist.

Vor allem steht der eigene Umsatz der Klägerin in keinem Verhältnis zu dieser umfangreichen Abmahntätigkeit in relativ kurzer Zeit. Unwidersprochen hat die Beklagte dargelegt, dass die Klägerin einen monatlichen Umsatz von maximal 200,00 € erzielt. Wenn dann noch der Anwalt der Klägerin der Neffe des Inhabers der Klägerin ist, schließt sich der Kreis, dass die Abmahntätigkeit der Klägerin nicht deshalb erfolgt, um die Wettbewerber zum Schutz ihrer eigenen Tätigkeit zu wettbewerbsrechtskonformem Verhalten anzuleiten, sondern dass die Klägerin hier nur eine gewinnbringende Beschäftigung betreiben will.

Dieser Eindruck wird auch dadurch verstärkt, dass sich die Geschäftskreise der Parteien nur geringfügig überschneiden, nämlich nur im Bereich von Geldbörsen und Taschen. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung für sich in Anspruch nimmt, wie die Beklagte ebenfalls auch Schmuck zu vertreiben, hätte sie dies angesichts ihres gegenteiligen erstinstanzlichen Vortrages detaillierter dartun müssen, worauf und zu welchen Prozentzahlen ihr Angebot aufzuschlüsseln ist.

Schließlich spricht auch die eigene Einlassung der Klägerin für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, soweit es die Verfolgung der ausgesprochenen Abmahnungen betrifft. Dass sich die Klägerin bei Herrn D großzügig gezeigt hat, ist wegen des sozialen Engagements des Herrn D sicher verständlich und anerkennenswert. Bei Herrn N ist dieser Großmut schon weniger nachvollziehbar, wenn es der Klägerin nur darum gegangen wäre, für die Lauterkeit des Wettbewerbs Sorge zu tragen. Allein der Umstand, dass schon gegen die Mutter ein wettbewerbsrechtliches Unterlassungsurteil ergangen war, ist an sich kein Grund, auf die Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes des Sohnes zu verzichten.

Bei Herrn B hat sich die Klägerin aus unerfindlichen Gründen damit zufrieden gegeben, dass der abgemahnte Verletzer seinen Internetauftritt korrigiert hat.

Gleiches gilt im Falle E. So zeigt die eigene Darstellung der Klägerin schon, dass hier von einer konsequenten Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zum Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht die Rede sein kann. Die Klägerin hat sich eher wie ein Wettbewerbspolizist geriert, der im Einzelfall Gnade vor Recht ergehen lässt. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist dem Mitbewerber aber gerade deshalb die Klagebefugnis zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gegeben, um seine eigenen Wettbewerbsinteressen verfolgen zu können. Diesen Interessen ist aber regelmäßig erst dann gedient, wenn der abgemahnte Wettbewerbsverstoß endgültig und mit Sicherheit abgestellt ist, also durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung des Abgemahnten oder durch dessen Verurteilung.

Gegen den Gegenstandswert der Abmahnung mit 10.000,00 € kann man zwar nicht unbedingt etwas sagen. Allerdings ist unverständlich, weshalb die Klägerin die Abmahngebühr immer noch nach einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 € berechnet, obwohl sie selbst mit der Herabsetzung des Streitwertes auf 5.000,00 € durch das Landgericht einverstanden war. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat konnte die Vertreterin der Klägerin diesen Widerspruch nicht erklären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.  

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