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„mein Herz ist schwer“ – Fehlerwahrscheinlichkeit & die Produkthaftung

Urteil vom OLG Hamm

Entscheidungsdatum: 26.10.2010
Aktenzeichen: 21 U 163/08

Leitsätze

Besteht bei einem bestimmten Modell eines Herzschrittmachers eine „prognostizierte Fehlerwahrscheinlichkeit“, da ein Dichtelement besonders störanfällig ist, so haftet der Importeur gemäß dem ProdHaftG für den Schaden, den der betroffene Patient aufgrund des Produktfehlers erleidet.

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des am 22.10.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld - AZ 18 O 14/08 - verurteilt, an die Klägerin 5.363,23 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist in zuerkanntem Umfang begründet.

I.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.363,23 € aus § 1 Abs. 1 S. 1 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) i.V.m. § 116 Abs. 1 SGB X.

1. Der Versicherten der Klägerin, Frau S, ist ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte in Höhe der Behandlungskosten für den Austausch des Herzschrittmachers der Marke H, Modell "H2", Seriennummer H3, in Höhe von 5.363,23 € aus § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG entstanden.

Dieser Anspruch richtet sich gegen die Beklagte. Gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG trifft die Haftung den Hersteller des fehlerhaften Produktes. Die Beklagte ist zwar nicht selbst Herstellerin i.S.d. § 4 Abs. 1 ProdHaftG. Der Herzschrittmacher wird von der in den USA ansässigen Muttergesellschaft der Beklagten, der H Corporation mit Sitz in H4 hergestellt. Die Beklagte steht aber gemäß § 4 Abs. 2 ProdHaftG dem Hersteller gleich. Sie ist alleinige Importeurin des hier zu beurteilenden Herzschrittmachers in den Europäischen Wirtschaftsraum. Als solche haftet sie neben dem Hersteller.

Der Herzschrittmacher Marke H, Modell "H2", Seriennummer H3 weist auch einen Produktfehler i.S.d. § 3 ProdHaftG auf.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin mit ihrer erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Argumentation, der streitgegenständliche Herzschrittmacher weise einen Produktfehler auf, nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Denn dieser Vortrag stellt kein neues Angriffsmittel i.S.d. §§ 530, 531 ZPO dar. Der Begriff des Angriffsmittels umfasst nach § 282 Abs. 1 ZPO den Tatsachenvortrag der Parteien (Behauptungen und Bestreiten), Einwendungen und Einreden, sowie Beweismittel und Beweiseinreden (Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 530 Nr. 11). Nicht zu den Angriffsmitteln gehören hingegen Rechtsausführungen, da das Gericht das Recht ohnehin "von Amts wegen" richtig anzuwenden hat (Zöller/Grummer/Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 530, Rdnr. 8). Nach den vorstehenden Grundsätzen ist zwischen dem Tatsachenvortrag, der einen Fehler i.S.d. § 1 Abs. 1, 3 ProdHaftG begründen soll, und der rechtlichen Wertung, ob die Tatsachengrundlage für diese Annahme ausreichend ist, zu unterscheiden. Es ist unbeachtlich i.S.d. § 531 ZPO, wenn die Klägerin - wie im vorliegenden Fall - lediglich ihre Rechtsmeinung ändert. Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz ihren tatsächlichen Vortrag, der die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Produktfehlers betrifft, nicht geändert. Sie hat sich weiterhin auf das berufen, was sie erstinstanzlich vorgetragen hat. So hat sie bereits erstinstanzlich unter Bezugnahme auf das "Sicherheitsschreiben" der Beklagten vom 22.07.2005 vorgetragen, ein in dem Herzschrittmacher "verwendetes Bauteil zur hermetischen Verriegelung unterliege möglicherweise einem sukzessiven Verfall". Außerdem hat sie die hieraus resultierenden möglichen Folgen, wie z.B. vorzeitige Batterieerschöpfung, Verlust der Stimulationsfunktion usw., erstinstanzlich vorgetragen. Die sich aus diesem Tatsachenvortrag ergebende Frage, ob eine Fehlfunktion weniger Geräte die Fehlerhaftigkeit der ganzen Serie und damit einen Produktfehler des hier zu beurteilenden Schrittmachers begründen kann, ist hingegen eine Rechtsfrage.

Der hier zu beurteilende Herzschrittmacher gehört zu einer Untergruppe des Modells "H2", bei der ein Bauteil zur hermetischen Verriegelung verwendet worden ist, das möglicherweise einem sukzessiven Verfall unterliegt, was zu einer Fehlerrate für die noch implantierten, aktiven Herzschrittmacher von mindestens 0,17 bis 0,51 % führt (vgl. Sicherheitsinformation der Herstellerin vom 22. Juli 2005, Bl. 518 d.A.), und die der Hersteller in seinem veröffentlichten Informationsschreiben vom 23. Januar 2006 sogar mit 0,31% - 0,88% angegeben hat (Anlage 2 des Gutachtens vom 07.09.2009). Hierin liegt ein Produktfehler i.S.d. § 3 ProdHaftG.

Ein Produkt hat gem. § 3 ProdHaftG einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die der Verkehr unter Berücksichtigung aller Umstände im Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens erwarten kann. Grundsätzlich muss ein Produkt daher bezüglich der Konstruktion, der Fabrikation und Instruktion so beschaffen sein, dass es die körperliche Unversehrtheit nicht beeinträchtigt. Maßstab sind hier die berechtigten Erwartungen, die ein Endverbraucher nach der Verkehrsauffassung an die Sicherheit des Produkts stellen kann (Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl., § 3 ProdHaftG, Rdnr. 2, 3). Diese Sicherheitserwartungen, die der Verkehr berechtigterweise an einen bestimmten Gegenstand richtet, sind nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen. Entscheidend sind die Erwartungen, die die Allgemeinheit und insbesondere die an der Herstellung, dem Verkauf und dem Gebrauch beteiligten Verkehrskreise haben. Demgegenüber spielen die subjektiven Sicherheitserwartungen des jeweiligen Benutzers keine Rolle. (MüKo-BGB/Wagner, 5. Auflage 2009, § 3 ProdHaftG Rdnr. 2). Die Erwartungen müssen berechtigt sein, denn die Allgemeinheit kann nicht von jedem Produkt in jeder Situation totale Sicherheit erwarten (Palandt/Sprau, 68. Auflage, § 3 ProdHaftG, Rdnr. 3).

Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass das Herstellungsverfahren des Herzschrittmachers so kompliziert sei, dass es störanfällig sei. Diese Störanfälligkeit hat dazu geführt, dass in bestimmten Geräten identifizierter Modelluntergruppen ein Fehler am Bauteil zur hermetischen Verriegelung aufgetreten ist, so dass dieses Bauteil einem sukzessiven Verfall unterlag. Damit liegt ein Produktfehler vor. Es konnte zwar nicht festgestellt werden, dass speziell auch das in dem hier zu beurteilenden Herzschrittmacher verwendete Bauteil zur hermetischen Verriegelung dem sukzessiven Verfall unterlag und zu einem Funktionsausfall gerade desjenigen Herzschrittmachers geführt hätte, der der Versicherten der Beklagten implantiert war. Darauf kommt es aber auch nicht an. Denn es genügt, dass der zu beurteilende Herzschrittmacher zu einer Modelluntergruppe gehört, die eine nicht zu vertretende Fehlerhäufigkeit aufweist.

Der Sachverständige hat überzeugend festgestellt, der implantierte Herzschrittmacher habe aufgrund der prognostizierten Fehlerwahrscheinlichkeit in jedem Fall vorzeitig ausgetauscht werden müssen, selbst wenn das zu beurteilende Gerät in Ordnung gewesen sein sollte. Denn die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls des Dichtelements bei der Modelluntergruppe, zu der der hier zu beurteilende Herzschrittmacher gehöre, sei 17 - 20mal höher als bei Herzschrittmachern üblich. (Bl. 534 d. A.). Damit bieten die Herzschrittmacher dieser Modelluntergruppe nicht die Sicherheit, die der Verkehr unter Berücksichtigung aller Umstände im Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens erwarten kann.

Dem steht nicht entgegen, dass es voraussichtlich lediglich in einer geringen Anzahl von Fällen bei Herzschrittmachern dieser Modelluntergruppe zu einem Ausfall des Gerätes kommen wird. Die berechtigten Erwartungen, die ein Endverbraucher nach der Verkehrsauffassung an die Sicherheit des Produktes stellen kann, sind sehr hoch. Ausschlaggebend ist dabei, dass der Herzschrittmacher nach der Art des Gebrauchs regelmäßig im menschlichen Körper eingesetzt wird. Der Nutzer kann den Gebrauch des Produktes nicht einfach einstellen. Aufgrund der Verwendung im menschlichen Körper ist eine Wartung des Produktes bzw. ein nachträglicher Austausch fehlerhafter Komponenten nur mit erheblichem Aufwand möglich. Beides ist für den Nutzer zwingend mit einer Operation verbunden. Eine Fehlfunktion des Herzschrittmachers ist für den Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar. Entscheidend ist, dass die Folgen des Versagens des Produktes in der Regel gravierend sind: Sie führen - insbesondere wenn der Nutzer, wie die Versicherte der Beklagten, "herzschrittmacherabhängig" ist - zu einer schwerwiegenden Gesundheitsschädigung bis zum Tod. Unter Berücksichtigung dieser Sicherheitserwartungen ist eine Wahrscheinlichkeit des Ausfalls des Dichtelementes, die der Hersteller in seinem veröffentlichten Informationsschreiben vom 23. Januar 2006 mit 0,31% - 0,88% angegeben hat, nicht akzeptabel. Zu dieser Wertung ist auch der Sachverständige überzeugend in seinem Gutachten vom 07.09.2009 (Bl. 26 d.A.) gelangt.

Der Sachverständige hat weiter überzeugend ausgeführt, dass das innerhalb der identifizierten Modelluntergruppen eingebaute "Bauteil zur hermetischen Versiegelung" nicht den im Jahre 1999 geltenden und notwendigen Sicherheitsstandards entsprochen habe. Es hätte vielmehr unter Berücksichtigung des Stands der Technik im Jahr 1999 so konstruiert und produziert werden können, dass der "sukzessive Verfall" des Bauteils auszuschließen gewesen wäre. Dies ergibt sich insbesondere schon allein daraus, dass die Herzschrittmacher der übrigen Modelluntergruppen desselben Herstellers die vorgenannte statistische Fehlerwahrscheinlichkeit nicht aufwiesen.

Die Angriffe der Beklagten gegen das Sachverständigengutachten überzeugen nicht. Soweit sie beanstandet, dass der Sachverständige seine Informationen zur Fehlerhäufigkeit aus den Informationsschreiben der Herstellerin bezieht, stehen keine anderen Informationsquellen zur Verfügung. Nur die Herstellerin hat Kenntnis darüber, wie häufig einzelne der von ihr hergestellten Geräte ausgefallen sind. Es gibt keinen Anlass, an der von ihr mitgeteilten Fehlerhäufigkeit zu zweifeln. Außerdem hat die Beklagte die Richtigkeit der Information der Herstellerin zur Fehlerhäufigkeit in den Modelluntergruppen nicht bestritten. Soweit die Beklagte geltend macht, der Sachverständige habe aus prozessualen Gründen nicht auf Unterlagen der Herstellerin, nämlich die Anlagen 1 und 2 zum Gutachten, zurückgreifen dürfen, verkennt sie, dass es sich um Pressemitteilungen handelt, die allgemein zugänglich sein dürften und auf die die Beklagte sich selbst mit Schriftsatz vom 20. Mai 2008 (Bl. 41 d.A.) bezieht.

Auch der Einwand der Beklagten, der Sachverständige begehe einen schweren Rückschaufehler, indem er von der jetzigen Wahrscheinlichkeit des Fehlereintritts ausgehe und nicht auf das Jahr 1999 abstelle, überzeugt nicht. Die Fehlerwahrscheinlichkeit, die sich jetzt zeigt, war bereits im Jahr der Herstellung angelegt und kann nur errechnet werden anhand der Fehler, die dann auch zu Tage getreten sind. Soweit die Beklagte geltend macht, dass für einen im Jahr 2009 in Verkehr gebrachten Herzschrittmacher andere Standards und Sicherheitserwartungen gelten würden als für den hier zu beurteilenden Herzschrittmacher, der im Jahr 1999 in Verkehr gebracht worden sei, übersieht sie, dass die Geräte der anderen Modelluntergruppen im gleichen Jahr in Verkehr gebracht wurden, aber die hier aufgetretene Fehlerwahrscheinlichkeit nicht aufweisen.

Dass der Sachverständige keine Untersuchungen an dem konkret in Rede stehenden Herzschrittmacher durchgeführt hat und hierzu keine Aussagen getroffen hat, steht der Überzeugungskraft des Gutachtens entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entgegen. Denn der Produktfehler liegt in der abstrakten Fehlerwahrscheinlichkeit für dieses Gerät, nicht darin, dass dieses Gerät einen Funktionsausfall erlitten hat oder erleiden würde. Die Argumentation der Beklagten, der Hersteller habe im Jahr 1999 kein besseres Gerät in Verkehr bringen können, weil die Konstruktion auch aus der Sicht des Sachverständigen fehlerfrei sei, wird bereits dadurch widerlegt, dass der Hersteller Herzschrittmacher produziert hat, die nicht in die identifizierten Produktuntergruppen fallen und deren nichtakzeptable Fehlerwahrscheinlichkeit nicht aufgewiesen haben.

Die Angriffe der Beklagten gegen die Qualifikation des Sachverständigen und seine Arbeitsweise überzeugen nicht. Insoweit ergeht sich die Beklagte in Mutmaßungen. Der Sachverständige hat zu seiner Qualifikation und zu seiner Erfahrung in der Untersuchung von Herzschrittmachern ausführlich Stellung genommen. Der Sachverständige ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und als solcher seit 30 Jahren im Bereich der Medizintechnik tätig. Insbesondere hat er fünf Modelle von Herzschrittmachern geprüft, und schon mehrere hundert Herzschrittmacher im Einzelnen überprüft. Er verfügt also sowohl über die erforderlichen theoretischen Kenntnisse als auch über die erforderliche praktische Erfahrung zur Beurteilung der hier vorliegenden Fragestellung.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es auch nicht auf die von dem Hersteller im Voraus errechnete Fehlereintrittswahrscheinlichkeit an. Entscheidend ist, in welcher Häufigkeit später tatsächlich Fehler aufgetreten sind. Auch aus der von der Beklagten aufgeworfenen Frage, welche DIN-Normen Anwendung finden, ergibt sich nichts für den hier zu entscheidenden Fall. Selbst wenn - wie die Beklagte argumentiert - in einer Studie vom 16. September 2005 eine tatsächliche durchschnittliche Fehlerrate für alle Herzschrittmacher von 0,15 % pro Jahr festgestellt worden ist, so ändert das nichts daran, dass in den vom Hersteller identifizierten Modelluntergruppen eine Fehlerwahrscheinlichkeit festgestellt worden ist, die über der vergleichbarer Herzschrittmacher liegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es auch nicht auf die Sicherheitserwartung des behandelnden Arztes, sondern auf die des Patienten an. Denn dieser ist Verwender des Herzschrittmachers, ihm wird das Gerät implantiert.

Auch die Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten, die sich auf das Herstellungsverfahren, die rechtliche Stellung der ####, erfolgte Zertifizierungen und Definitionen beziehen, spielen für die hier zu beurteilende Fragestellung keine Rolle.

Nach alledem sind die Ausführungen des Sachverständigen überzeugend, wonach die Fehlereintrittswahrscheinlichkeit als häufig zu bewerten sei, der Schweregrad der zu erwartenden Beeinträchtigung des Verwenders, nämlich des Patienten, hingegen als katastrophal, was zu einem nicht akzeptablen Ergebnis hinsichtlich der Sicherheitserwartungen führe. Hierin liegt der Produktfehler aller Herzschrittmacher aus den identifizierten Modelluntergruppen, zu denen auch der hier zu beurteilende Herzschrittmacher gehört.

Die Haftung ist nicht nach § 1 Abs. 2 ProdHaftG ausgeschlossen. Insbesondere liegt der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG nicht vor. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass zum Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens des Herzschrittmachers im Jahr 1999 nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik, das Risiko, dass die hier entscheidende Dichtung "einem Zerfall unterliegen könnte", nicht erkennbar gewesen sei. Soweit die Beklagte hierzu vorträgt, im Jahr 1999 sei nicht erkennbar gewesen, dass die in den Sicherheitsschreiben genannte Fehlereintrittswahrscheinlichkeit vorliege, kommt es darauf nicht an. Die Fehlereintrittswahrscheinlichkeit kann immer nur ex post beurteilt werden, nämlich nachdem Fehler bereits aufgetreten sind. Entscheidend ist aber, ob Fehler an den Dichtungen objektiv nicht erkennbar gewesen wären. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Darlegungs- und Beweispflichtig dafür, dass der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens nicht erkannt werden konnte, ist die Beklagte. Diese hat hierfür aber nichts vorgetragen. Der Hinweis der Beklagten auf die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems nach der europäischen Richtlinie 90/385/EWG reicht hierfür nicht aus. Sie kann sich im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG nicht darauf zurückziehen, zu der Ursache des sukzessiven Zerfalls der Dichtung zu schweigen und auf das Qualitätsmanagementsystem des Herstellers zu verweisen.

Der Produktfehler hat auch adäquat kausal zu einer Körperverletzung der Versicherten geführt. Diese musste zum Zwecke der vorzeitigen Explantation des Herzschrittmachers operiert werden.

Durch die durch den Produktfehler verursachte Körperverletzung ist der Versicherten ein Schaden in Höhe der Behandlungskosten entstanden. In diesem Zusammenhang kann die Beklagte nicht damit gehört werden, dass ein Austausch des Herzschrittmachers wegen der begrenzten Lebensdauer ohnehin hätte erfolgen müssen, wenn auch später ("Sowieso-Kosten"). Zwar ist anerkannt, dass bei Vorliegen einer sogenannten Schadenanlage, die auch ohne das schadenstiftende Ereignis in nicht allzu ferner Zukunft ohnehin zum gleichen Schaden geführt hätte, die Schadensersatzpflicht auf die Nachteile beschränkt ist, die durch den früheren Schadeneintritt bedingt sind (BGH, Urteil vom 23.10.1984 - VI ZR 24/83, NJW 1985, 676). Eine solche "Schadenanlage" liegt hier jedoch nicht vor. Der jetzt eingetretene Umstand der Notwendigkeit einer Operation beruht auf anderen Gründen, als es - unter dem Gesichtspunkt eines hypothetischen Kausalverlaufs - am Ende der Lebensdauer des Herzschrittmachers der Fall gewesen wäre. Der Herzschrittmacher ist eben nicht wegen seiner abgelaufenen Nutzungszeit, sondern wegen der Gefahr einer Fehlfunktion ausgetauscht worden.

Der Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten ist auch nicht nach den Grundsätzen des Abzugs neu für alt gemindert. Eine Vorteilsanrechnung ist bereits nicht zumutbar. Bei Gegenständen, auf die der Geschädigte zwingend angewiesen ist, und die er am - oder wie hier sogar im - Körper trägt, wird ein Vorteilsausgleich allgemein als unzumutbar abgelehnt (Beck, OK-BGB/Schubert, Edition 12, § 249 BGB, Rdnr. 139 m.w.N.)

Der bei der Klägerin versicherten Frau S ist damit ein Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz auf § 1 ProdHaftG in Höhe Behandlungskosten von 5.363,23 € entstanden.

2. Dieser Schadensersatzanspruch ist auch aufgrund § 116 SGB X auf die Beklagte als Sozialversicherungsträgerin übergegangen, weil diese aufgrund des Schadensereignisses als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Sozialleistungen zu erbringen hatte, die der Behebung des Schadens dienten und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz bezogen.

3. Die Berufung war teilweise zurückzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 280, 286 BGB, weil nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte sich im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts in Verzug befunden hat. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bereits vor dem Schreiben vom 01.10.2007 (Bl. 24 d.A.) zur Zahlung aufgefordert wäre oder aber sie gegenüber der Klägerin die Leistung "ernsthaft und endgültig" i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert hätte. Erst das Schreiben vom 01.10.2007 war verzugsbegründend, Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihre Anwältin aber bereits beauftragt. Die Rechtsanwaltskosten waren damit im Zeitpunkt des Verzugseintritts entstanden.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 2 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 711, 713, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

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