Rufumleitungs-Angebot eines deutschen Netzanbieters ist wettbewerbswidrig
Laut OLG Düsseldorf [(Urt. v. 21.06.2005 - Az.: I-20 U 29/05)](http://www.justiz.nrw.de/RB/nrwe/olgs/duesseldorf/j2005/I_20_U_29_05urteil20050621.html) ist das Rufumleitungs-Angebot eines deutschen Netzanbieters wettbewerbswidrig.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung einer unter der Bezeichnung "Switch & Profit" angebotenen Telefondienstleistung in Anspruch, bei der die Antragsgegnerin ihren Festnetzkunden, die zugleich über einen Mobiltelefonanschluss eines beliebigen Anbieters verfügen, eine "Umleitungs-Option" anbietet, bei deren Aktivierung von einem Festnetzanschluss der Antragsgegnerin ausgehende, an den Mobilfunktelefonanschluss des Kunden gerichtete Anrufe auf einen Festnetzanschluss der Antragsgegnerin umgeleitet werden, ohne dass der Anruf zuvor in das Mobilfunknetz eingespeist wird. Dies führt in Bezug auf das Mobilfunknetz der Antragstellerin dazu, dass die Antragsgegnerin das sogenannte Zusammenschaltungsentgelt in Höhe von derzeit 14,32 Cent pro Minute, das sie aufgrund einer "Zusammenschaltungsvereinbarung" mit der Antragstellerin bei von ihrem Festnetz in das Mobilfunknetz der Antragsstellerin weitergeleitete Anrufe an diese zu zahlen hat, nicht anfällt. Wird die Umleitungsfunktion ausgeübt, so berechnet die Antragsgegnerin einem Anrufer, der den betreffenden Mobilfunkanschluss anwählt, aber aufgrund der von der Antragsgegnerin eingerichteten Rufumleitung unmittelbar in das Festnetz umgeleitet wird, für die Vermittlung dieses Anrufs dennoch das - im Vergleich zu den Gebühren, die regelmäßig für ein festnetzinternes Gespräch zu zahlen sind, deutlich erhöhte - Entgelt, welches bei einem Anruf aus dem Festnetz in das Mobilfunknetz anfallen würde. Aus seiner Telefonrechnung ersieht der Anrufer die Umleitung des Anrufs in das Festnetz nicht. Dem die Rufumleitungsoption ausübenden Kunden erteilt die Antragsgegnerin für jeden umgeleiteten Anruf eine Gutschrift in Höhe von 2,59 Cent pro Gesprächsminute auf seiner Telefonrechnung für den Festnetzanschluss.
Das OLG Düsseldorf hat das Verhalten der Antragsgegnerin für wettbewerbswidrig erklärt:
1. "Der Unterlassungsanspruch ist in dem zuerkannten aus § 8 Abs. 1, Abs. 3, §§ 3, 4 Nr. 10 UWG begründet. Indem die Antragsgegnerin durch das streitgegenständliche Angebot, welches sich an Kunden richtet, die einen Festnetzanschluss bei ihr unterhalten und gleichzeitig Kunden eines Mobilfunkanbieters sind, dazu veranlasst, bei der Entgegennahme von an ihren Mobilfunkanschluss gerichteten Telefonanrufen nicht von der Leistung des Mobilfunkanbieters, der die Erreichbarkeit der Kunden im Mobilfunknetz gewährleistet, Gebrauch zu machen, sondern durch Umleitung des Anrufs in das Festnetz eine von der Antragsgegnerin angebotene Telefondienstleistung in Anspruch zu nehmen, greift sie in die Kundenbeziehung zwischen dem Inhaber des Mobilfunkanschlusses und dem Mobilfunknetzbetreiber ein. Allerdings ist ein Einbrechen in fremde Vertragsbeziehungen ebenso wie ein Abwerben von Kunden als solches nicht wettbewerbswidrig. Kein Wettbewerber hat Anspruch auf die Bewahrung seines Kundenkreises oder den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses mit einem Kunden (BGH GRUR 2002, 548, 549 - Mietwagenkostenersatz). Dies gilt erst recht, wenn wie im Streitfall der Kunde nicht endgültig von dem Konkurrenten weg - und auf das eigene Angebot umgelegt wird, sondern lediglich im Rahmen von zwei Dauerschuldverhältnissen verhindert wird, dass der Kunde eine Einzelleistung, zu deren Abnahme er nicht verpflichtet ist und für die er kein besonders berechnetes Entgelt leisten müsste, von dem Mitbewerber entgegennimmt."
2. "Auch ein solches Umlenken von Kunden im Rahmen der Abnahme einer als solche von dem betreffenden Kunden nicht zu vergütenden Einzelleistung kann jedoch - wie generell das Abfangen von Kunden - bei Hinzutreten besonderer Unlauterkeitsumstände wettbewerbswidrig sein. Dies ist der Fall, wenn unlautere Mittel eingesetzt werden, etwa wenn der Kunde unzureichend über das Leistungsangebot der Mitbewerber oder über die aus der Vertragsauflösung erwachsenden Nachteile und Risiken informiert wird (BGH GRUR 1988, 764, 766 f. - Krankenkassen-Fragebogen; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 4 Nr. 10, Rdn. 79)."
3. "Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor. Das sich an den Inhaber eines Festnetzanschlusses der Antragsgegnerin und eines Mobilfunkanschlusses eines beliebigen Mobilfunkanbieters richtende Angebot der Antragsgegnerin erscheint ihm aufgrund der Angaben der Antragsgegnerin über den Gegenstand und die Bedingungen dieses Angebots als ausschließlich vorteilhaft. Er hat, wenn er von der Umleitungsoption Gebrauch macht, keinerlei Entgelt zu bezahlen. Anders als bei von Mobilfunkanbietern angebotenen Rufumleitungen in das Festnetz, bei denen der Anruf zunächst in das Mobilfunknetz eingespeist und erst dann in das Festnetz umgeleitet wird und der Angerufene die durch die Umleitung von dem Mobilfunknetz in das Festnetz entstehenden Gebühren zu zahlen hat, hat der Angerufene, der von der Umleitungsoption der Antragsgegnerin Gebrauch macht, keinerlei Entgelt für die Umleitung des Anrufs zu bezahlen. Zudem bietet ihm die Antragsgegnerin durch die - allerdings relativ geringfügige - Gutschrift auf der Telefonrechnung einen gewissen zusätzlichen finanziellen Anreiz, von der Umleitungsfunktion Gebrauch zu machen. Hierbei wird der von dem Angebot angesprochene Kunde aber nicht darüber informiert, dass die Antragsgegnerin durch die Umleitung des Anrufs in ihr Festnetz - im Vergleich zu einer Vermittlung eines Anrufs aus ihrem Festnetz in ein Mobilfunknetz eines anderen Anbieters - nicht unerhebliche Kosten erspart. Die Antragstellerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat den - nicht näher konkretisierten - Vortrag der Antragsgegnerin bestritten, die Umleitung des Anrufs in das Festnetz verursache vergleichbare Kosten wie eine Weiterleitung in das Mobilfunknetz. Hierauf hat die Antragsgegnerin nicht mehr erwidert. Sie hätte aber nunmehr substantiiert darlegen und glaubhaft machen müssen, dass eine festnetzinterne Verbindungsleistung einen vergleichbaren Aufwand wie die Einspeisung eines Anrufs in ein Mobilfunknetz eines anderen Betreibers erfordert. Einer entsprechenden Konkretisierung und Glaubhaftmachung durch die Antragsgegnerin hätte es insbesondere im Hinblick darauf bedurft, dass der Vortrag der Antragstellerin, der Aufwand bei der Umleitung in das Festnetz sei erheblich geringer, bereits deshalb plausibel und überwiegend wahrscheinlich ist, weil die Antragsgegnerin unstreitig jedenfalls das anderenfalls an den Mobilfunknetzbetreiber von ihr zu zahlende Zusammenschaltungsentgelt erspart. Auch die - wenn auch geringfügige - Gutschrift, welche die Antragsgegnerin ihren Kunden bei Ausübung der Umleitungsfunktion für jedes hiervon betroffene umgeleitete Gespräch gewährt, spricht für eine solche Ersparnis. Zwischen den Parteien ist weiter unstreitig, dass die Antragsgegnerin trotz des geringeren Aufwandes, von dem mangels anderweitigen substantiierten Vortrags auszugehen ist, dem Anrufer die - im Fall einer Einspeisung des Anrufs in das Mobilfunknetz unter anderem durch das Zusammenschaltungsentgelt, das sie an den Mobilfunknetztreiber bezahlen muss, begründeten - relativ hohen Entgelte berechnet, die für Anrufe vom Festnetz in ein Mobilfunknetz anfallen. Diese Tarifgestaltung für ein tatsächlich rein festnetzinternes Gespräch zum Nachteil des Anrufers ist aber für den Kunden, der von der Umleitungs-Option angesprochen wird, von Bedeutung, obwohl er selbst dieses Entgelt nicht zu zahlen hat, sondern der Anrufer, der ihn auf seinem Mobilfunkanschluss erreichen will. Denn wie die Antragstellerin zu Recht hervorhebt, müsste dem Kunden, der die Umleitungsoption wählt und hierdurch finanzielle Vorteile (Ersparung der Gebühr für die Umleitung des Anrufs im Falle der vorherigen Einspeisung in das Mobilfunknetz und Erteilung einer Gutschrift auf der Rechnung für seinen Festnetzanschluss) erzielt, dies bei Kenntnis aller Umstände so erscheinen, als würde dies auf Kosten des ihn Anrufenden ohne dessen Wissen geschehen. Dies wird aber für eine nicht unerhebliche Zahl von Durchschnittskunden bei ihrer Entscheidung für oder gegen das Angebot der Antragsgegnerin ebenso von Bedeutung sein wie der Umstand, dass die Aufwendungen der Antragsgegnerin erheblich geringer sind als bei einer Einspeisung des Anrufs in das Mobilfunknetz, sie aber von dem Anrufer dennoch ebenso hohe Gebühren für ein festnetzinternes Gespräch verlangt. Auch wenn diese Art der Umleitung auf die Qualität des Gesprächs keine negativen Auswirkungen hat, werden diese Erwägungen für eine Vielzahl von Durchschnittsverbrauchern eine bedeutende Rolle spielen. Denn sie werden in der Regel nur dann bereit sein, einem Telefonanbieter - wenn auch nur mittelbar - relativ hohe Gebühren zukommen zu lassen, wenn dies durch vergleichsweise aufwendigere Leistungen gerechtfertigt erscheint."
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