Neue Hersteller- und Händlerpflichten: Digitale Produktpässe ab 2027

Die EU plant für eine Vielzahl von Waren digitale Produktpässe, die vom Hersteller veröffentlicht und von Händlern bereitgestellt werden sollen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum neuen Vorhaben.
Digitale Produktpässe: Was hat es damit auf sich?
Mit der Ökodesign-Verordnung 2024/1781 vom 13.06.2024 hat die EU-Kommission unter anderem die Einführung digitaler Produktpässe für diverse Warenkategorien beschlossen.
Bei diesen Pässen handelt es sich um Datensätze, die elektronisch verfügbar gemacht werden und die sowohl von Marktakteuren als auch von Endverbrauchern zur Erlangung aller relevanten Produktinformationen aufgerufen werden können.
Der digitale Produktpass soll so, sofern nach Produktgruppe einschlägig, mindestens Informationen über die folgenden Parameter enthalten:
- Hersteller- bzw. Importeurkontaktdaten
- Materialien
- Bestandteile
- Energieeffizienz
- Produktherkunft
- Reparaturmöglichkeiten
- Entsorgung
- Gebrauchsanleitungen
Mit dem Produktpass soll das Verbraucherbewusstsein für nachhaltigere Kaufentscheidungen geschärft und gleichzeitig Herstellen die Möglichkeit gegeben werden, Umweltanstrengungen und Nachhaltigkeitsbemühungen transparenter zu kommunizieren.
In der Handelskette soll der Pass ferner die händische Übermittlung von Produktinformationen zur Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten ersetzen und schließlich verschiedensten Dienstleistern von Werkstätten bis hin zu Recyclingunternehmen eine verlässliche Datenbasis für ihre Tätigkeiten ohne die Notwendigkeit vorheriger Konsultationen bieten.
Welche Produkte sind ab wann betroffen?
Welche Produkte künftig über einen digitalen Produktpass verfügen sollen, ist zum aktuellen Stand (04/2025) nicht abschließend geklärt.
Hintergrund ist, dass die Ökodesign-Verordnung 2024/871 nur den gesetzlichen Rahmen für die Ausrollung der Pässe an sich bildet und deren Mindestanforderungen festlegt, die produktgruppenspezifische Einführung und die Festlegung des konkreten Inhalts aber dem EU-Gesetzgeber mittels delegierter Rechtsverordnungen überlässt.
Bisher steht fest, dass als erste verpflichtete Produktkategorie Batterien einen digitalen Produktpass erhalten.
Sodann ist eine Einführung des Passes für Bauprodukte ab 2028 geplant (s. Art. 75 EU-Bauprodukteverordnung 2024/3110).
Ebenfalls wahrscheinlich ist eine Implementierung von Produktpassvorschriften bis 2030 für folgende Produkte:
- Eisen & Stahl
- Aluminium
- Textilien (insb. Bekleidung & Schuhwerk)
- Möbel (inkl. Matratzen)
- Reifen
- Waschmittel
- Anstrichmittel
- Schmierstoffe
- Chemikalien
- Energieverbrauchsrelevante Produkte
- Elektronikgeräte
- Produkte der Informations- und Kommunikationstechnik (Radio, Fernseher, Handys, Smartphones etc.)
Nicht eingeführt wird der digitale Produktpass dahingegen für folgende Produkte:
- Lebensmittel
- Futtermittel
- Arzneimittel
- Tierarzneimittel
- lebende Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen,
- Erzeugnisse menschlichen Ursprungs
- Erzeugnisse von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen
- Fahrzeuge
Welche Pflichten treffen Hersteller und Importeure?
Auch wenn die konkreten Hersteller- und Importeurpflichten je nach erfasster Produktgruppe noch in spezifischen Umsetzungsverordnungen konkretisiert werden, steht nach der EU-Ökodesign-Verordnung 2024/1781 fest, dass Hersteller und Importeure, die ein erfasstes Produkt in der EU erstmalig in Verkehr bringen, für die Erstellung des digitalen Produktpasses verantwortlich sein werden.
Sie müssen diesen Pass auf einer Internetseite veröffentlichen sowie per QR-Code oder per anderem maschinenlesbaren Zeichen auf
- dem Produkt selbst
- seiner Verpackung oder
- den dem Produkt beigefügten Unterlagen
zugänglich machen.
Gleichzeitig muss bei Inverkehrbringen des Produkts eine Sicherungskopie des Produktpasses erstellt und einem unabhängigen Dienstleister zur Verfügung gestellt werden. Dies soll dessen Vorhandensein auch bei Insolvenz, Liquidation oder sonstiger Tätigkeitseinstellung des Herstellers/Importeurs sicherstellen.
Der Produktpass muss für den gesamten Lebenszyklus des Produkts verfügbar sein und stets aktuell gehalten werden. Wird für ein Produkt ein neuer Pass ausgestellt, muss der neue Pass digital mit dem vorherigen so verknüpft werden, dass er unmittelbar aufgerufen werden kann.
Schließlich muss eine digitale Kopie des QR- oder sonstigen Codes, über den der Pass abrufbar ist, beim Inverkehrbringen den Händlern und/oder den Online-Marktplätzen bereitgestellt werden, über welche das Produkt vertrieben wird.
Welche Pflichten treffen (Online-)Händler?
Händlern - auch im E-Commerce - werden im Zuge der Produktpass-Einführung neue Kontroll- und Informationspflichten zuteil.
Sie müssen kontrollieren, ob ein von der Produktpasspflicht erfasstes Produkt über den Pass verfügt und mit einem entsprechenden Abrufcode versehen ist. Stellen sie fehlende Compliance fest, dürfen sie das Produkt nicht anbieten und müssen die zuständige Marktüberwachungsbehörde kontaktieren.
Zugleich müssen Händler dafür Sorge tragen, dass der digitale Produktpass in ihren Angeboten leicht zugänglich ist.
Im stationären Handel dürfte der Hersteller oder Importeur die entsprechende Kennzeichnung durch den physischen Aufdruck des Codes zum Produktpass für den Händler übernehmen.
Im Online-Handel werden Händler aber gehalten sein, den Produktpass direkt in ihre Angebote zusätzlich zu integrieren, voraussichtlich regelmäßig über einen Link auf den jeweiligen Hersteller- bzw. Importeureintrag.
Die jeweiligen produktspezifischen Verordnungen sollen festlegen, wie die Bereitstellung des Produktpasses im Fernabsatz zu erfolgen hat.
Da die Darstellung eines QR-Codes auf Internetseiten aber dazu führen würde, dass für dessen Einlesen ein zweites Gerät neben dem Endgerät des Zugriffs erforderlich ist, ist die Pflicht der Händler zur Bereitstellung eines Direktlinks auf den Produktpass naheliegend.
Können auch Händler als Hersteller gelten?
Unter gewissen Voraussetzungen können Händler selbst als Hersteller gelten mit der Folge, dass sie für (künftig) erfasste Produkte die Produktpässe selbst erstellen, pflegen, bereitstellen, verfügbar halten und auf Produkten anbringen müssen.
Das ist ausweislich Art. 34 der Ökodesign-Verordnung (s.o.) dann der Fall, wenn sie Produkte
- unter ihrem Namen oder ihrer Handelsmarke in Verkehr bringen oder
- bereits in Verkehr gebrachte Produkte so verändern, dass die Konformität beeinträchtigt wird und dadurch die Produktparameter modifiziert werden.
Wird es ein EU-Register für Produktpässe geben?
Ja.
Die EU-Kommission wird mit Artikel 33 der Ökodesign-Verordnung verpflichtet, bis zum 19.07.2026 ein digitales Register zu erstellen, mit dem die Echtheit von Produktpässen überprüft und wesentliche Passinhalte sollen abgerufen werden können.
Das Register soll allerdings nach derzeitigem Stand nicht öffentlich zugänglich, sondern dem Zugriff der Kommission, der nationalen Überwachungsbehörden und der Zollbehörden vorbehalten sein.
Hersteller oder Importeure müssen beim Inverkehrbringen die jeweils relevanten Passdaten in dieses Register hochladen.
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24 Kommentare
Die EU steht nicht mehr für Freiheit und Gemeinsamkeit, sondern wieder mehr für Hürden und zusätzliche Kosten. Auf eines aber kann man sich bei ihr verlassen: alle größeren Projekte sind stets lückenhaft, nicht zu Ende gedacht und werfen einen Haufen Fragen auf. Zum Glück gibt es hier bei der IT-Kanzlei immer rechtszeitig ein paar Antworten. Danke dafür. (Ingo ist Onlinehändler für Medizinprodukte)
Der Staat hält zuverlässig die Hand auf – mindestens die Hälfte vom hart erarbeiteten Gewinn ist sofort weg. Und damit’s nicht langweilig wird, denkt sich jedes Jahr „ein ganz schlauer“ wieder ein neues Pflichtregister oder Formular aus, das außer Aufwand und Kosten rein gar nichts bringt.
Man kommt sich langsam vor wie ein Teilzeit-Jurist – ständig am Recherchieren, Kontrollieren, Nachbessern, nur um keinen Formfehler zu machen, der einem dann auch noch teuer ausgelegt wird.
Statt unternehmerisch tätig zu sein, verbringt man die halbe Zeit mit Papierkram und Paragraphenreiterei. Wer wirklich erfolgreich sein will, braucht in Deutschland vor allem eins: starke Nerven und viel Frusttoleranz. Es macht einfach keinen Spaß mehr!
Das würde dann bedeuten, anstatt daß jeder Händler der ein Produkt verkauft alle Pflichtangaben mühsam auflistet, benötigt er nur noch den Link zum Produktpass.
Man müsste auch keine Sicherheitshinweise in allen Sprachen ins Produkt legen.
Das gilt aber nur dann wenn der Produktpass die anderen Pflichten ersetzt und nicht noch zusätzlich dazukommt.
Das man den aber gleich an drei verschiedenen Stellen zur Verfügung stellen soll, ist wiedermal aberwitzig.
Anders kann man diesen Irrsinn doch kaum noch erklären.
Hoch lebe die stetig wachsende Bürokratie der EU, damit wir als Händler es alle so schwer wie möglich haben, Waren zu verkaufen, und die Konkurrenz aus wo auch immer mehr und mehr die Überhand gewinnt.
Der viel gepriesene Bürokratieabbau, wo bist du? Und wo sind die Politiker, die diesen Blödsinn stoppen ?? Habe noch keinen gehört, der es dann auch wirklich in Angriff nimmt.
Kosten für Verpackungslizenz, Kosten für Rechtstexte, Kosten für alles Mögliche…und dieser „unabhängige Dienstleister“ muss dann sicher auch noch bezahlt werden!
Ganz zu schweigen vom nächsten bürokratischen Aufwand!
Es macht langsam keinen Spaß mehr!!!
WANN werden Unternehmen, insbesondere kleine Unternehmen, endlich unterstützt?
Werde mein kleines Handmade-Business dann wohl aufgeben - vielen Dank liebe EU!
Das ist der typische EU Blödsinn… Die EU erstellt ein Register, aber nur für sich selbst. Was soll das denn bitte? Wir zahlen genug Abgaben, wenn ein Register gefordert ist, dann soll die EU das gefälligst auch kostenlos für alle öffentlich bereitstellen, so das die ganzen Forderungen damit erfüllt werden können…
Erst GPSR Verordnung die schon völlig schwachsinnig ist… und jetzt soll auch noch ein Produktpass kommen… kannst du dir nicht ausdenken!
Als Händler und als Onlinehändler, die völlige Katastrophe als Kleinunternehmer erst recht, man hat mehr mit irgendwelchem Bürokratie Wahnsinn zu tun, als dass man irgendwas verkauft. Es ist ja schon nicht schlimm genug, dass man mit sinkenden Umsätzen zu tun hat. Nein, man sitzt stundenlang an irgendwelchen Verordnung und irgendwelchen Regelungen und versucht diese umzusetzen. Nicht, weil man will nein, weil man gezwungen wird. Es ist mal wieder eine völlige Überregelementierung seitens der EU… einfach nur noch sinnfreier Bürokratieschwachsinn. Irgendwie ist es nicht mehr gewollt seitens der EU, dass überhaupt noch irgendwer irgendwie irgendwas verkauft. Es braucht sich keiner mehr wundern dass niemand mehr in Deutschland oder der EU verkaufen möchte. Also wenn das weiter so geht, dann kann man einfach nur noch zumachen.
Die EU macht die kleinen und mittleren Betriebe kaputt und keiner unternimmt etwas dagegen. Mittlerweile beneide ich die Engländer um den EU-Austritt.
Alleine Das Produktsicherheitsgesetz ist für einen kleinen Hersteller wie mich kaum umzusetzen.
Wie meine Vorredner schon sagten, ist der ganze Bürokratieaufwand als kleiner Online-Händler kaum mehr tragbar. Ich verkaufe als Einzelunternehmer personalisierte Produkte in geringen Stückzahlen und auch als Einzelanfertigungen. Man hat eh schon kaum Marge an den Produkten und wenn man dann noch mehr Zeit investieren muss, dann rechnet sich das ganze vorne und hinten nicht.
Wollten wir jetzt nicht eigentlich die Bürokratie abschaffen? Ich hab das noch im Ohr…
Irgendwann will niemand mehr irgendetwas in der EU verkaufen.