Bundesgerichtshof zur Überprüfung von Preisen für die Durchleitung elektrischer Energie durch fremde Stromnetze

20.10.2005, 00:00 Uhr | Lesezeit: 3 min

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, ob ein Stromversorgungsunternehmen, das das Netz eines anderen zur Durchleitung elektrischer Energie nutzt, eine zivilgerichtliche Überprüfung der Höhe des vertraglich vereinbarten Netznutzungsentgelts am Maßstab "guter fachlicher Praxis" (§ 6 Abs. 1 EnWG) verlangen kann, wenn sich dieses Entgelt nach der vertraglichen Vereinbarung nach den jeweils aktuellen Preisen des Netzbetreibers richten soll.(Urteil vom 18. Oktober 2005 - KZR 36/04)

In dem entschiedenen Fall hatte das klagende Stromversorgungsunternehmen, das bundesweit Strom anbietet, aber über kein eigenes Netz verfügt, mit dem Betreiber des Stromnetzes in der Stadt Mannheim einen Rahmenvertrag über die Nutzung dieses Stromnetzes geschlossen. Darin war vorgesehen, dass sich das Durchleitungsentgelt nach dem jeweils geltenden Preisblatt des Netzbetreibers bestimmt. Das Stromversorgungsunternehmen hatte sich bei Vertragsschluss vorbehalten, "die... in Rechnung gestellten Entgelte im ganzen und in ihren einzelnen Bestandteilen energie- und kartellrechtlich überprüfen zu lassen".

Das Landgericht Mannheim hat die mit dem Ziel einer solchen Überprüfung erhobene Klage abgewiesen. Die Berufung zum Oberlandesgericht Karlsruhe hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Voraussetzungen für eine Überprüfung der Höhe der Netznutzungsentgelte am Maßstab "billigen Ermessens" (§ 315 Abs. 3 BGB) oder auf der Grundlage der einschlägigen energiewirtschafts- und kartellrechtlichen Normen (§ 6 Abs. 1 EnWG a.F.; § 19 Abs. 4, § 20 Abs. 1 GWB) lägen nicht vor.

Dem ist der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs nicht gefolgt. Er sieht in der vertraglich vorgesehenen dynamischen Verweisung auf die jeweils geltenden Preisblätter des Netzbetreibers ein einseitiges Preisbestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB. Seine Ausübung ist gemäß § 315 Abs. 3 BGB daraufhin zu überprüfen, ob sie billigem Ermessen entspricht. Der Anwendung des § 315 Abs. 1 BGB steht nicht entgegen, dass § 6 Abs. 1 EnWG (i.d.F. vom 26.8.1998 bzw. vom 20.5.2003) die Bedingungen der Netzüberlassung gesetzlich festlegt. Durch den vom Energiewirtschaftsgesetz vorgesehenen Maßstab "guter fachlicher Praxis" wird der allgemeine Maßstab des "billigen Ermessens" vielmehr konkretisiert. Eine gute fachliche Praxis soll dabei auch der Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs dienen (§ 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG a.F.) und muss sich an diesem Ziel messen lassen.

IT-Recht Kanzlei

Exklusiv-Inhalt für Mandanten

Noch kein Mandant?

Ihre Vorteile im Überblick
  • Wissensvorsprung
    Zugriff auf exklusive Beiträge, Muster und Leitfäden
  • Schutz vor Abmahnungen
    Professionelle Rechtstexte – ständig aktualisiert
  • Monatlich kündbar
    Schutzpakete mit flexibler Laufzeit
Laptop
Ab
5,90 €
mtl.

Um dem beklagten Netzbetreiber Gelegenheit zu geben, zur Angemessenheit seiner Tarife vorzutragen, hat der Bundesgerichtshof das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof tritt dabei der Auffassung entgegen, bei Beachtung der Preisfindungsprinzipien der Anlage 3 zur Verbändevereinbarung Strom II plus könne auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 2003 die Erfüllung der Bedingungen guter fachlicher Praxis vermutet werden. Eine solche Vermutung sieht § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG a. F. nur für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2003 vor. Die Erwägung, der Gesetzgeber habe für eine Übergangszeit Rechtssicherheit schaffen wollen, verbietet es, die Vermutungswirkung entgegen dem Wortlaut des Gesetzes über das Jahr 2003 hinaus auszudehnen.

Der Bundesgerichtshof bestätigt ferner seine Rechtsprechung, dass die Vermutung der Einhaltung guter fachlicher Praxis auch für ihren zeitlichen Geltungsbereich den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB oder eine Diskriminierung gemäß § 20 Abs. 1 GWB nicht ausschließt. Die kartellrechtliche Prüfung ist vielmehr von der energiewirtschaftsrechtlichen grundsätzlich unabhängig.

Quelle: Bundesgerichtshof, Pressemitteilung Nr. 144/2005 vom 18. Oktober 2005

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.


Link kopieren

Als PDF exportieren

Drucken

|

Per E-Mail verschicken

Zum Facebook-Account der Kanzlei

Zum Instagram-Account der Kanzlei

0 Kommentare

weitere News

Website-Scanner "EasyScan": Neues Performance- und Präzisions-Update
(13.09.2024, 15:08 Uhr)
Website-Scanner "EasyScan": Neues Performance- und Präzisions-Update
LegalScan Pro: Technikbasierter Abmahnschutz für Ihre Plattform-Auftritte
(09.09.2024, 15:13 Uhr)
LegalScan Pro: Technikbasierter Abmahnschutz für Ihre Plattform-Auftritte
LegalScan Live: Werbeaussagen und Produktbeschreibungen in Echtzeit automatisiert prüfen
(06.09.2024, 15:45 Uhr)
LegalScan Live: Werbeaussagen und Produktbeschreibungen in Echtzeit automatisiert prüfen
Accountsperrung auf Verkaufsplattformen – ein häufiges und existenzbedrohendes Problem für Onlinehändler
(16.08.2024, 10:39 Uhr)
Accountsperrung auf Verkaufsplattformen – ein häufiges und existenzbedrohendes Problem für Onlinehändler
Neu in der Formularsammlung Arbeitsrecht: Muster-IT-Sicherheitsrichtlinie
(15.07.2024, 08:40 Uhr)
Neu in der Formularsammlung Arbeitsrecht: Muster-IT-Sicherheitsrichtlinie
Neu: Rechtstexte für den Online-Marktplatz Decathlon.it
(05.07.2024, 17:19 Uhr)
Neu: Rechtstexte für den Online-Marktplatz Decathlon.it
Kommentar
verfassen
Ihre Meinung zu unserem Beitrag.
* mit Sternchen gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder
speichern

Vielen Dank für Ihren Kommentar

Wir werden diesen nach einer kurzen Prüfung
so schnell wie möglich freigeben.
Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!

Ihr Kommentar konnte nicht gespeichert werden!

Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.
Ihre IT-Recht Kanzlei
Vielen Dank!
© 2004-2024 · IT-Recht Kanzlei