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Verwirkung von Vertragsstrafe, obwohl Verstoß nicht selbst begangen?

04.12.2014, 08:23 Uhr | Lesezeit: 6 min
Verwirkung  von Vertragsstrafe, obwohl Verstoß nicht selbst begangen?

Bei einer Wettbewerbsverletzung ist die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung das gängigste Mittel, um einen kostenintensiven Wettbewerbsprozess zu vermeiden. Durch eine solche Unterlassungserklärung wird die vermutete Wiederholungsgefahr ausgeräumt, so dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch erlischt. Im Wirtschaftsleben stellt eine Unterlassungserklärung jedoch eine erheblich Belastung für den Unterlassungsschuldner dar. Die „Vertragsstrafenfalle“ schnappt schneller zu, als mancher denkt.

Einleitung

Gibt der Unterlassungsschuldner die begehrte Unterlassungserklärung ab, schließt er im Ergebnis einen auf die Unterlassung des beanstandeten Verhaltens gerichteten Vertrag mit dem Unterlassungsgläubiger. Für den Fall der schuldhaften Verletzung dieses Vertrags, also einer Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsversprechen, verpflichtet sich der Unterlassungsschuldner, dem Gläubiger eine Vertragsstrafe zu zahlen. Dies scheint – auf den ersten Blick – ein kalkulierbares Risiko darzustellen, muss sich der Schuldner für die Zukunft einfach nur „zusammenreißen“. In der Praxis sind Folgeverstöße jedoch leider an der Tagesordnung, die finanzielle Belastung bei entsprechender Inanspruchnahme auf Zahlung der Vertragsstrafe groß.

Dass nicht zwingend eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag durch den Schuldner selbst oder seine Mitarbeiter für die Verwirkung einer Vertragsstrafe erforderlich ist, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LG Kaiserslautern (Urteil vom 08.07.2014, Az.: HK O 33/13).

Worum ging es?

Die Parteien stritten um einen Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe. Der Beklagte ist Inhaber eines Sachverständigenbüros für Kraftfahrzeugtechnik und wurde im Jahre 2011 von einem Wettbewerbsverein wegen eines irreführenden Zusatzes zu seiner Geschäftsbezeichnung abgemahnt worden. Daraufhin gab der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, mit der er sich bei Meidung der Zahlung einer Vertragsstrafe von 4.000€ verpflichtet hat, es künftig zu unterlassen, mit dem Zusatz "zertifizierte und anerkannte hauptberufliche Kfz-Sachverständige e. V.“ zu werben.

Im Jahre 2012 war über das Internet unter der Seite "Stadtbranchenbuch Kusel" eine Anzeige des Beklagten abzurufen, in der neben den Kontaktdaten unter der Überschrift "Information aus dem Handelsregister" u. a. ausgeführt ist "zertifizierte und anerkannte hauptberuflicher Kfz-Sachverständige e. V.“.

Daraufhin forderte der Kläger den Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 4.000€ auf, weswegen man sich schließlich vor dem LG Kaiserslautern traf.

Der Beklagte trug vor, dass er für den Zusatz "zertifizierte und anerkannte hauptberuflicher Kfz-Sachverständige e. V.“ in der Anzeige des Stadtbranchenbuchs aus dem Jahre 2012 gar nicht verantwortlich sei. Diesen Zusatz habe der Betreiber der Internetseite des Stadtbranchenbuchs selbst hinzugefügt.

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Wie wurde entschieden?

Das LG Kaiserslautern verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Vertragsstrafe. Dabei ging das Gericht sehr weit bei der Beurteilung der vertraglichen Pflichten des Beklagten aus dem Unterlassungsvertrag.

Proaktives Handeln des Schuldners nötig

Das LG Kaiserslautern stellte fest, dass sich der Schuldner nicht darauf ausruhen darf, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen. Vielmehr muss er aktiv daran mitwirken, dass sich das beanstandete Verhalten künftig nicht mehr wiederholen kann bzw. muss sich um eine Rückgängigmachung andauernder Verletzungshandlungen bemühen, soweit dies dem Schuldner im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist:

"Als Schuldner eines Unterlassungsanspruches muss der Beklagte nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen."

Einwirken auf das Verhalten Dritter geboten

Vom Gericht wurde der Beklagte ferner in der Pflicht gesehen, auf den Betreiber des Stadtbranchenbuchs Einfluss zu nehmen:

"Zwar hat er (Anmerkung IT-Recht Kanzlei: Der Unterlassungsschuldner) für das selbstständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugute kommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und er zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Insoweit kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt ist. Das Verschulden des (Unterlassungs-)Schuldners, hier des Beklagten, wird bei objektiv nachvollziehbaren Rechtsverstößen vermutet (BGH BB 2014, Seite 1171, Randz. 26). Von einem solchen schuldhaften Verhalten ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Der Beklagte hat nicht den ihm obliegenden Entlastungsbeweis führen können."

(…)

"Damit steht für die Kammer zwar fest, dass eine Anreicherung der Internetanzeige des Beklagten ohne dessen unmittelbares Zutun im Mai 2011 von der Firma b. veranlasst worden ist. Damit ist allerdings eine vollständige Entlastung des Beklagten nicht belegt. Denn ein Unterlassungsschuldner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Einträge in Branchenverzeichnissen nicht von ihm selbst veranlasst worden sind. Zwar sind die Herausgeber der in Rede stehenden Branchenverzeichnisse keine Erfüllungsgehilfen des Beklagten (vgl. hierzu BGH-Urteil vom 09. November 2011, Az.: I ZR 204/10, Randz. 14 nach Juris). Im Streitfall ergibt sich die Haftung des Beklagten jedoch aus seinem eigenen schuldhaften Verhalten. Die vom Kläger beanstandete Eintragung beruhte auf der rechts- und vertragswidrigen Firmierung des Beklagten. Zwar kann ein Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung nicht dazu verpflichtet werden, unbegrenzt das Internet auf entsprechende Einträge hin zu durchsuchen. Wegen des durch das Internet erheblich gesteigerten Verbreitungsrisikos ist es ihm jedoch rechtlich zumutbar und bei Eingehen einer Unterlassungsverpflichtung auch geboten, in zeitnaher Zeit nach Abschluss der Unterlassungsverpflichtung eigene Recherchebemühungen einzuleiten, um auf diese Art und Weise zumindest bei den gängigsten Suchmaschinen eine Löschung der zukünftig zu unterlassenden Bezeichnung zu bewirken, um dadurch der Gefahr einer unbegrenzten Weiterverbreitung im Internet entgegenzuwirken (vgl. hierzu Almendinger, Probleme bei der Umsetzung namens- und markenrechtlicher Unterlassungsverpflichtungen im Internet, GRUR 2000, 966, 967). Der Unterlassungsschuldner ist auf Grund der von ihm übernommenen Unterlassungsverpflichtung gehalten ist, unverzüglich eigene Recherchen über die weitere Verwendung der ihm untersagten Bezeichnung durchzuführen, jedenfalls die Betreiber der gängigsten Dienste, wie beispielsweise Google Maps, Gelbe Seiten.de und 11880.com zu veranlassen, die fehlerhafte Bezeichnung in ihren Verzeichnissen entfernen zu lassen (vgl. BGH BB 2014, 1171, Randz. 29). Nach Maßgabe dessen und unter Würdigung des Vortrags des Beklagten ist dieser seiner Unterlassungsverpflichtung nicht in vollem Umfang nachgekommen."

Fazit

Das Urteil des LG Kaiserslautern zeigt einmal mehr, welch weitreichende Konsequenzen die Abgabe einer Unterlassungserklärung hat. Nach Ansicht des Gerichts hat der Unterlassungsschuldner umfassende Überwachungs- und Einwirkungspflichten auch in Bezug auf das Verhalten Dritter, deren Handeln im wirtschaftlich zugutekommt, mit denen er aber nicht zwingend vertraglich verbunden sein muss.
In diesem Rechtsstreit ging es um die Verwendung der seinerzeit beanstandeten Zusatzbezeichnung in einem Branchenbuch, wobei der dortige Eintrag vom Unterlassungsschuldner gar nicht veranlasst worden war. Vielmehr hat sich der Betreiber der Internetseite mit dem Branchenbuch die Daten des Unterlassungsschuldners – inklusive der irreführenden Geschäftsbezeichnung - selbst (automatisiert) zusammengesucht.

Das Gericht folgert, dass der Unterlassungsschuldner, indem er in der Vergangenheit die irreführende Zusatzbezeichnung selbst geführt hatte, damit eine Gefahrenquelle geschaffen habe, deren vollständige und dauerhafte Verschließung er kraft Unterlassungsvertrag schulde. Dabei legt das Gericht einen sehr hohen Maßstab an die Pflichten des Unterlassungsgläubigers an und übersieht dabei, dass dieser völlig konturlos ist. Das Gericht verkennt, dass es zum einen nahezu unmöglich ist, wegen der Vielzahl entsprechender Dienste im Internet überhaupt alle entsprechenden Einträge aufzuspüren. Eine Abgrenzung zwischen den „gängigsten Diensten“, „weniger gängigen Diensten“ und „nicht gängigen Diensten“ ist bei der Dynamik des Internets nicht machbar. Zum anderen dürfte selbst unterstellt den Fall, alle entsprechenden Einträge sind auffindbar, es ein Ding der Unmöglichkeit sein, die entsprechenden Betreiber zu einer Korrektur dieser Einträge zu bewegen, insbesondere wenn der Betreiber im Ausland sitzt.

Schließlich ist noch an diverse Caching- und Archivdienste zu denken, deren Aufgabe es ja gerade ist, den „alten Stand“ widerzuspiegeln, die also keine Änderungen solcher Einträge vornehmen werden.
Generell ist aber eine Tendenz zu erkennen: Die Gerichte sprechen Vertragsstrafen schneller und vor allem großzügiger bemessen zu. Ein Grund mehr, die Abgabe einer Unterlassungserklärung unter anwaltlicher Beratung gründlich abzuwägen.

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