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EuGH: Keine generelle Pflicht zur Vorhaltung einer Telefonnummer im Online-Handel

24.07.2019, 17:41 Uhr | Lesezeit: 6 min
EuGH: Keine generelle Pflicht zur Vorhaltung einer Telefonnummer im Online-Handel

Der EuGH hat mit Urteil vom 10.07.2019 - C-649/17 – entschieden, dass ein Unternehmer weder verpflichtet ist, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen stets seine Telefonnummer anzugeben, noch eine Verpflichtung besteht, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können. Welche Auswirkungen dieses Urteil auf die Praxis des Online-Handels, insbesondere auf die Informationspflichten hinsichtlich Impressum und Widerrufsbelehrung hat, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (vzbv) den Betreiber der Online-Plattform Amazon in Deutschland mit dem Ziel verklagt, feststellen zu lassen, dass das Unternehmen gegen seine gesetzliche Verpflichtung verstößt, dem Verbraucher effiziente Mittel zur Kontaktaufnahme zur Verfügung zu stellen, weil es die Verbraucher nicht in klarer und verständlicher Weise über seine Telefonnummer und seine Telefaxnummer informiere. Die von Amazon hierzu vorgehaltenen Kommunikationsmöglichkeiten genügten nicht den gesetzlichen Anforderungen in Deutschland, wonach der Unternehmer verpflichtet sei, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen stets seine Telefonnummer anzugeben.

Der in letzter Instanz in Deutschland hiermit befasste BGH stellte dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV die Frage, ob Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der ein Unternehmer verpflichtet ist, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von Art. 2 Nrn. 7 und 8 dieser Richtlinie stets seine Telefonnummer anzugeben, und ob diese Bestimmung den Unternehmer verpflichtet, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können.

Ferner stellte der BGH die Frage, ob ein Unternehmer unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kommunikationsmittel verwenden darf, die nicht in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 genannt sind, wie etwa einen Internet‑Chat oder ein Rückrufsystem.

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Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat die Fragen des BGH wie nachfolgend wiedergegeben beantwortet und damit die streitige deutsche Regelung gekippt:

Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 ist zum einen dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, nach der ein Unternehmer verpflichtet ist, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von Art. 2 Nrn. 7 und 8 dieser Richtlinie stets seine Telefonnummer anzugeben. Zum anderen impliziert diese Bestimmung keine Verpflichtung des Unternehmers, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können. Sie verpflichtet den Unternehmer nur dann zur Übermittlung der Telefon- oder Telefaxnummer bzw. seiner E‑Mail-Adresse, wenn er über diese Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern bereits verfügt.

Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung zwar den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, das geeignet ist, die Kriterien einer direkten und effizienten Kommunikation zu erfüllen, doch steht diese Bestimmung dem nicht entgegen, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel als die in ihr genannten bereitstellt, um diese Kriterien zu erfüllen.

Dabei hat der EuGH die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 aufgrund ihrer sprachlichen Ungenauigkeit unter verschiedenen Aspekten ausgelegt. Insoweit sei zwar die Möglichkeit für den Verbraucher, gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 mit dem Unternehmer schnell in Kontakt zu treten und effizient mit ihm zu kommunizieren, von grundlegender Bedeutung für den Schutz seiner Rechte. Gleichwohl sei bei der Auslegung dieser Bestimmung ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen.

Eine unbedingte Verpflichtung, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit dem Unternehmer in Kontakt treten können, erscheine jedoch unverhältnismäßig, insbesondere im wirtschaftlichen Kontext des Betriebs bestimmter, vor allem kleinerer, Unternehmen, die ihre Betriebskosten möglicherweise dadurch zu reduzieren suchen, dass sie den Vertrieb oder die Dienstleistungserbringung im Fernabsatz oder außerhalb ihrer Geschäftsräume organisieren.

Nach allem sei die Wendung „gegebenenfalls“ in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen, dass sie die Fälle erfasst, in denen der Unternehmer über eine Telefonnummer oder Telefaxnummer verfügt und er diese nicht allein zu anderen Zwecken als dem Kontakt mit den Verbrauchern verwendet. Anderenfalls verpflichte ihn diese Bestimmung nicht, den Verbraucher über diese Telefonnummer zu informieren oder gar einen Telefon‑ oder Faxanschluss bzw. ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können.

Darüber hinaus stehe diese Bestimmung dem nicht entgegen, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel zur Verfügung stellt als solche für die Kommunikation per Telefon, Telefax oder E‑Mail, um die Kriterien einer direkten und effizienten Kommunikation zu erfüllen, wie etwa ein elektronisches Kontaktformular, durch das sich die Verbraucher über das Internet an die Unternehmer wenden können und über das sie eine schriftliche Antwort erhalten oder schnell zurückgerufen werden können. Insbesondere stehe sie dem nicht entgegen, dass ein Unternehmer, der Waren oder Dienstleistungen online anbietet und eine Telefonnummer hat, die nach wenigen Klicks verfügbar ist, den Verbraucher ermuntert, andere, nicht in dieser Bestimmung angeführte Kommunikationsmittel zu benutzen, wie einen Internet‑Chat oder ein Rückrufsystem, damit der Verbraucher schnell mit ihm in Kontakt treten und effizient mit ihm kommunizieren kann, sofern die Informationen, die der Unternehmer nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 zur Verfügung stellen muss, insbesondere die genannte Telefonnummer, in klarer und verständlicher Weise zugänglich gemacht werden.

Rechtsfolgen für die Praxis

Im Ergebnis wird das Urteil des EuGH kaum Auswirkungen auf die Praxis des Online-Handels haben. Lediglich in solchen Fällen, in denen das Unternehmen bisher keine Telefonnummer, Faxnummer oder E-Mail-Adresse angegeben hat, ist die Angabe auch weiterhin nicht erforderlich, sofern eine andere effektive Kommunikationsmöglichkeit für die Verbraucher besteht. Dabei muss insbesondere gewährleistet sein, dass Anfragen von Verbrauchern auch zeitnah beantwortet werden. Nach unserer Erfahrung geben die meisten Online-Händler jedoch bereits eine Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse im Impressum an. Zudem ist die Vorhaltung alternativer ähnlich effektiver Kommunikationsmöglichkeiten häufig mit einem größeren technischen Aufwand verbunden, der für viele Händler gar nicht umsetzbar ist.

Auswirkungen auf die Widerrufsbelehrung

Seit dem Inkrafttreten der Verbraucherrechterichtlinie im Juni 2014 können Verbraucher ihr gesetzliches Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen auch telefonisch ausüben. Dem entsprechend sieht das amtliche Muster der Widerrufsbelehrung die Verpflichtung vor, in der Widerrufsbelehrung eine Telefonnummer anzugeben. Das Fehlen einer solchen Angabe in der Widerrufsbelehrung wurde bereits von einigen deutschen Gerichten als wettbewerbswidrig angesehen.

Mit Blick auf das Urteil des EuGH stellt sich die Frage, ob die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung überhaupt noch erforderlich ist und ob hierzu in der Vergangenheit abgegebene Unterlassungserklärungen ggf. gekündigt werden können. Insoweit sollte jedoch nicht übersehen werden, dass der EuGH lediglich über die Frage der vorvertraglichen Informationspflicht des Online-Händlers entschieden hat. Die Widerrufsbelehrung und die darin anzugebende Telefonnummer haben dagegen in erster Linie Bedeutung für den Zeitraum nach Vertragsschluss. Zudem hat der EuGH klargestellt, dass die Verpflichtung zur Angabe einer Telefonnummer auch bei Vorhandensein einer alternativen Kontaktmöglichkeit nur entfällt, wenn auch bisher keine Telefonnummer angegeben wurde. Nach unserer Kenntnis geben die meisten Online-Händler jedoch bereits eine Telefonnummer im Impressum an. Somit ändert sich nach unserer Auffassung bis auf weiteres nichts an der Verpflichtung, in der Widerrufsbelehrung eine Telefonnummer anzugeben. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich der EuGH in Zukunft auch mit dieser Frage wird beschäftigen müssen.

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