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Energiekennzeichnungsverordnung für Staubsauger nun rechtskräftig nichtig: Konsequenzen für die Online-Kennzeichnung im E-Commerce

22.01.2019, 16:39 Uhr | Lesezeit: 6 min
Energiekennzeichnungsverordnung für Staubsauger nun rechtskräftig nichtig: Konsequenzen für die Online-Kennzeichnung im E-Commerce

Wie die IT-Recht Kanzlei berichtete, hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) mit Entscheidung vom 08.11.2018 einer Klage des Staubsaugerherstellers Dyson stattgegeben und die Verordnung Nr. 665/2013 über die Energieverbrauchskennzeichnung von Staubsaugern für nichtig erklärt. Grund war, dass das Berechnungsverfahren für Energieeffizienz auf Basis eines Gerätebetriebs mit leeren Staubsaugerbeuteln erfolgte, was nach Ansicht des Gerichts nicht den tatsächlichen Gebrauchsbedingungen entsprach. Zum 18.01.2019 ist die Gerichtsentscheidung rechtskräftig geworden, weil die Kommission innerhalb der zweimonatigen Frist kein Rechtsmittel eingelegt hat. Fraglich ist nun, ob durch die Nichtigkeit auch die Berechtigung entfällt, die Effizienzlabel und Staubsaugereffizienzklassen weiterhin in der Kennzeichnung zu nutzen. Diesbezüglich sind bereits erste Abmahnungen ausgesprochen worden. Nachfolgend gibt die IT-Recht Kanzlei eine Einschätzung und Empfehlung ab.

I. Hebt die Nichtigkeit der EU-Verordnung das Kennzeichnungsrecht auf?

Unmittelbare Folge der rechtskräftigen Nichtigkeit einer delegierten EU-Verordnung ist, dass sämtliche Verordnungsbestimmungen ohne weiteres den Status ihrer verpflichtenden unmittelbaren Anwendbarkeit in jedem EU-Mitgliedsstaat verlieren. Die Verordnung büßt schlichtweg ihre Gültigkeit ein und muss nicht mehr befolgt werden.

In Bezug auf die für nichtig erklärte Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung für Staubsauger (VO EU Nr. 665/2013) bedeutet dies, dass die bislang im Online-Handel mit Staubsaugern zwingende Kennzeichnungspflicht zum 19.01.2019 entfallen ist. Mithin ist es seither nicht mehr erforderlich, in der Werbung für Staubsauger on- und offline die Energieeffizienzklasse auszuweisen und in Online-Angeboten ein elektronisches Produktdatenblatt sowie ein elektronisches Effizienzetikett per Pfeildarstellung einzubinden.

Weil die Nichtigkeit einer Verordnung im europäischen Kontext aber nicht automatisch auch zu einer Rechtswidrigkeit der Verordnungsbestimmungen führt, sondern faktisch nur deren Anwendungszwang aufhebt, hat eine rechtskräftige Nichtigkeitserklärung grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Recht der Adressaten, die Verordnungsbestimmungen auch weiterhin, gegebenenfalls bis zum Erlass einer neuen Rechtsverordnung, zu befolgen.

Händlern bleibt es nach Meinung der IT-Recht Kanzlei somit zunächst einmal prinzipiell unbenommen, die von der Verordnung vorgesehene Energieverbrauchskennzeichnung weiterhin umzusetzen. Insbesondere kann aus der rechtskräftigen Verordnungsnichtigkeit europarechtlich nicht die Handlungspflicht der Händler hergeleitet werden, sofort sämtliche Energiekennzeichnungsmaßnahmen aus ihren Online-Angeboten und ihrer Werbung zu entfernen.

Die Nichtigkeit der Kennzeichnungsverordnung hebt also im Ergebnis nur die verordnungsgemäße Kennzeichnungspflicht, nicht aber das korrespondierende Kennzeichnungsrecht auf.

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II. Irreführung durch Aufrechterhaltung der bisherigen Energieverbrauchskennzeichnung?

Weil aber das EuG die Verordnung Nr. 665/2013 aufgrund der Annahme eines fehlerhaften Berechnungsverfahren für Effizienzklassen für nichtig und den beutelleeren Betrieb als Bemessungsgrundlage für realitätsfern erklärte, besteht die naheliegende Möglichkeit, dass vielen Staubsauger auf Grundlage der nichtigen Verordnung eine Energieeffizienzklasse verliehen wurde, die sie tatsächlich nicht verdienen.

Durch Ausweisung der zwar verordnungskonformen, aber auf einer ungültigen Berechnungsgrundlage fußenden Effizienzklassen in Online-Angeboten und Werbung könnten insofern die Grundsätze des Irreführungsverbots des § 5 UWG empfindlich tangiert werden.

Zu beachten ist aber, dass eine tatbestandliche Irreführung nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei nur dann vorliegen kann, wenn die getätigten Angaben von den tatsächlichen Verhältnissen zum Nachteil des Verbrauchers abweichen (sog. „Relevanz der Irreführung“). In Bezug auf die Effizienzklassendarstellung könnte eine Irreführung also nur dann angenommen werden, wenn die nach der nichtigen Verordnung zu wählende und anzugebende Effizienzklasse tatsächlich besser wäre als diejenige, die bei Zugrundelegung eines gültigen Bemessungsverfahrens ermittelt würde.

Gerade für diese Relevanzprüfung fehlen aber entscheidende Durchführungskriterien. Ein alternatives Effizienzberechnungsverfahren ist nämlich noch nicht ausgearbeitet oder veröffentlich worden. Vielmehr wird dessen Ausgestaltung nunmehr eine zentrale Aufgabe der Kommission werden und schließlich in einer Neuauflage der Kennzeichnungsverordnung münden.

Mangels Berechnungsalternative sind Aussagen darüber, inwiefern die derzeitigen Effizienzklassen positiviert von den tatsächlich angemessenen Effizienzklassen abweichen, nicht möglich. Schließlich stehen die Werte für eine angemessene Effizienzberechnung noch nicht zur Verfügung.

Damit wären Irreführungsrügen über die täuschende Abweichung einer verordnungskonformen Effizienzklasse vom eigentlich exakten Wert aber rein spekulativer Natur und inhaltlich gleichsam nicht haltbar.

Keinesfalls steht nämlich unzweideutig fest, dass eine Berechnung aufgrund eines Staubsaugerbetriebs mit leeren Beuteln stets zu energieeffizienteren Ergebnissen führt. Vielmehr wäre das umgekehrte Szenario ebenso möglich.

III. Kennzeichnungsverbot nach EU-Rahmenverordnung Nr. 2017/1369?

Aktuell halten einige Hersteller und Fachverbände schließlich dafür, ein Verbot zur Weiterverwendung der Effizienzkennzeichnung für Staubsauger folge unmittelbar aus der EU-Verordnung Nr. 2017/1369. Dies habe zur Folge, dass Staubsaugerhändler unmittelbar verpflichtet seien, so schnell wie möglich sämtliche vormals EU-konforme Energiekennzeichnungsmaßnahmen in Online-Angeboten und Werbung zu entfernen.

Mit der Verordnung Nr. 2017/1369 schuf der EU-Gesetzgeber einen neuen Rechtsrahmen für die Energieverbrauchskennzeichnung und legte unter Aufhebung der früheren Rahmenrichtlinie 2010/30/EU allgemeine Anforderungen, Pflichten und Kennzeichnungsmaßnahmen für energieverbrauchsrelevante Produkte fest.

Ein Kennzeichnungsverbot für Staubsauger wird nun auf Art. 6 Abs. 1 Buchstabe d der Verordnung gestützt. Dort heißt es:

"[Lieferanten und Händler] dürfen für Produkte, die nicht von delegierten Rechtsakten erfasst sind, keine Etiketten liefern oder ausstellen, die die in dieser Verordnung oder in den einschlägigen Rechtsakten vorgesehenen Etiketten nachbilden."

Nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei ist die Annahme eines Verbotes für die Kennzeichnung nach Nichtigkeit einer produktspezifischen Kennzeichnungsverordnung nach der genannten Bestimmung allerdings rechtsfehlerhaft.

So enthält die Vorschrift schon nach dem Wortlaut keine Rechtsfolgen für die Nichtigkeit eines Rechtsakts. Vielmehr regelt sie ausschließlich, dass es Händlern verboten ist, eine produktspezifische Kennzeichnungsverordnung auf Produkte anzuwenden, die von jener gar nicht erfasst werden, und so unter Nachbildung von Effizienzetiketten eine vom Anwendungsbereich nicht erfasste Kennzeichnung vorzunehmen.

Anders als der Tatbestand von Art. 6 Abs. 1 Buchstabe d der Verordnung nämlich voraussetzt, sind Staubsauger auch weiterhin von einem delegierten Rechtsakt (der VO Nr. 665/2013) erfasst. Deren Nichtigkeit hebt nicht die Existenz des Rechtsakts, sondern nur seine Anwendbarkeit auf. Demgemäß führt die Nichtigkeit nicht dazu, dass Staubsauger jetzt so behandelt werden müssen, als wären sie nie Gegenstand einer EU-Rechtsvorschrift gewesen.

Schließlich ist bei Beibehaltung der bisherigen Kennzeichnung auch das Merkmal des „Nachbildens“ nicht erfüllt, an welches das Verbot anknüpft. Effizienzetiketten für Staubsauger sind gerade in „einem einschlägigen Rechtsakt“, der VO Nr. 665/2013, vorgegeben. Deren Verwendung auch nach rechtskräftiger Nichtigkeit bildet also kein gesetzliches Etikett nach, sondern stellt sich als Gebrauch eines gesetzlichen EU-Originals dar.

IV. Fazit: besser kein Risiko eingehen

Zwar ist es nach Ansicht der IT-Recht Kanzlei infolge der Nichtigkeit der Kennzeichnungsverordnung für Staubsauger rechtlich nicht angezeigt, auch sämtliche Online-Kennzeichnungsmaßnahmen einzustellen, solange noch keine neue Kennzeichnungsverordnung mit überarbeitetem Berechnungsverfahren in Kraft getreten ist.

Allerdings werden Online-Händler, die eine Energiekennzeichnung nach der nichtigen Verordnung vornehmen, bereits abgemahnt. Auch die Bundesregierung vertritt in einer Pressemitteilung die (hier nicht geteilte) Auffassung, Händler seien unverzüglich verpflichtet, sämtliche Kennzeichnungsmaßnahmen für Staubsauger on- und offline aufzuheben.

Vor diesem Hintergrund ist Online-Händlern daher zu raten, auf Nummer sicher zu gehen und vorerst, bis zu einer gerichtlichen Klärung, die Energiekennzeichnung (Produktdatenblatt, Produktetikett, Pfeildarstellungen und Effizienzklassen) aus Angeboten und Werbung für Staubsauger zu entfernen. Nur so lässt sich eine Abmahngefahr effektiv abwenden.

Update (28.01.2019): Nunmehr vertritt auch die Bundesregierung in einer Pressemitteilung die (hier nicht geteilte) Auffassung, Händler seien unverzüglich verpflichtet, sämtliche Kennzeichnungsmaßnahmen für Staubsauger on- und offline aufzuheben. Wer vor diesem Hintergrund definitiv auf Nummer sicher gehen will, dem sei geraten, vorerst die Energiekennzeichnung (Produktdatenblatt, Produktetikett, Pfeildarstellungen und Effizienzklassen) aus Angeboten und Werbung für Staubsauger zu entfernen.

Über neue Entwicklungen auf diesem Gebiet wird die IT-Recht Kanzlei frühzeitig informieren.

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1 Kommentar

W
Wolfgang Sturm 28.01.2019, 13:27 Uhr
Mitteilung der Bundesregierung
Ich persönlich finde Ihre Argumentation nachvollziehbar und korrekt. Leider behauptet auch die Bundesregierung auf Ihrer Internetseite (https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/kein-energielabel-fuer-staubsauger-1573494) es handele sich um ein Kennzeichnungsverbot.

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