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LG Essen: Pfand ist als Bestandteil des Gesamtpreises anzusehen!

02.01.2020, 12:13 Uhr | Lesezeit: 5 min
LG Essen: Pfand ist als Bestandteil des Gesamtpreises anzusehen!

Frage des Tages: Ist ein Pfand als Bestandteil des Gesamtpreises anzusehen oder separat auszuweisen? Hinweis: Interessante weiterführende Informationen zum Thema hat die IT-Recht Kanzlei in ihrem Beitrag "Frage des Tages: Ist ein Pfand als Bestandteil des Gesamtpreises anzusehen oder separat auszuweisen?" veröffentlicht.

Mit Urteil vom 29.8.2019 (Az. 43 O 145/18) hat nun auch das LG Essen entschieden, dass ein Pfand entgegen der Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV in den Gesamtpreis einzubeziehen und nicht als gesonderter Posten daneben auszuweisen ist. Entsprechend hatten in der Vergangenheit bereits das Kammergericht Berlin (Urteil vom 21.06.2017; Az. 5 U 185/16) sowie das LG Kiel entschieden.

Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Getränkehändler in einem Prospekt für Saft und stilles Wasser mit einem Preis von 0,79 € geworben, ohne in den Preis das Flaschenpfand einzurechnen. Dieses wurde als gesonderter Posten mit dem Zusatz „zzgl. Pfand = 0,25“ ausgewiesen. Tatsächlich zu zahlen waren also 1,04 €. Der Händler wurde deshalb von einem Wettbewerbsverband zunächst erfolglos abgemahnt und schließlich u. a. auf Unterlassung verklagt.

Der Händler berief sich auf die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV. Diese lautet wie folgt:

"Wird außer dem Entgelt für eine Ware oder Leistung eine rückerstattbare Sicherheit gefordert, so ist deren Höhe neben dem Preis für die Ware oder Leistung anzugeben und kein Gesamtbetrag zu bilden."

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Entscheidung des LG Essen

Das LG Essen gab der Klage des Wettbewerbsverbandes statt und verurteilte den Händler antragsgemäß auf Unterlassung.

Der Gesamtpreis i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV umfasse das tatsächlich zu zahlende Gesamtentgelt einschließlich Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile und damit auch ein zu zahlendes Pfand. Dies ergebe sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung.

"Der Verkaufspreis im Sinne der Art. 2 a), 3 Preisangaben-Richtlinie 98/6/EG umfasst neben den Steuern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sog. sonstige Preisbestandteile. Darunter sind alle unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile des Preises zu verstehen, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sind und die eine Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilden (EuGH GRUR 2016, 945 f., Rn. 36 f. – C-476/14 „Citroën“).
Auf der Grundlage dieser Vorgaben handelt es sich bei dem Getränkepfand um einen Preisbestandteil im Sinne der Art. 2 a), 3 Preisangaben-Richtlinie 98/6/EG und damit auch des § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV. "

Dafür spreche auch die Verkehrsauffassung, da die angesprochenen Letztverbraucher von einem einheitlichen Angebot ausgingen und somit auch einen einheitlichen Preis erwarteten.

"Entscheidend für die Verkehrsauffassung ist vielmehr, dass der Verbraucher den Pfandbetrag bei jedem Einkauf aufs Neue entrichten oder durch eine entsprechende Leergutrückgabe (dann ohne Rückerlangung des früher schon bezahlten Pfandgeldes) belegen muss, dass er also nicht nur für das Getränk, sondern auch für die Verpackung stets erneut zu zahlen oder eine wirtschaftlich gleichstehende Leistung aufzubringen hat. Der Verbraucher weiß also, dass er – ungeachtet der Möglichkeit, das Leergut zurückzugeben – notwendigerweise eine stets nur als Einheit abgegebene Sachgesamtheit erwirbt, für die ihm an der Kasse ein bestimmter Gesamtpreis berechnet wird (BGH MD 1994, 119ff., Rn. 16 – I ZR 218/91). […]
Danach ist das Pfand ein unvermeidbarer und vorhersehbarer Bestandteil des Preises, der obligatorisch vom Verbraucher zu tragen ist und zugleich – ungeachtet der rechtgeschäftlichen Beurteilung des Übergabevorgangs (dazu Palandt/Wicke, BGB, 78. Aufl., Überbl. v. § 1204, Rn. 7) – gewissermaßen eine „Gegenleistung“ für die Zurverfügungstellung des Getränkebehältnisses durch den Händler an den Verbraucher darstellt."

Dem stehe auch die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV nicht entgegen, da diese Vorschrift mangels Grundlage im europäischen Recht nicht mehr anwendbar sei.

"Denn § 1 Abs. 4 PAngV hat keine Grundlage in dem der Preisangabenverordnung zugrunde liegenden, höherrangigen sekundären Gemeinschaftsrecht und ist daher unanwendbar […]. Die Preisangaben-Richtlinie 98/6/EG enthält keine ausdrückliche Regelung, die eine Ausnahme von der Nennung des Gesamtpreises für rückerstattbare Sicherheiten enthält."

Zwar seien nach Art. 10 PreisangabenRL nationale Ausnahmen möglich, allerdings dürfen die Mitgliedstaaten der EU seit dem 12.6.2013 keine Regelungen vorsehen, die strenger sind als das EU-Recht. Das ergebe sich aus Art. 3 Abs. 5 S. 1 der RL über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG).

"Zweck der Ausnahmeregelung des Art. 3 Abs. 5 S. 1 der UGP-Richtlinie ist es, nach Ablauf einer Übergangsfrist im Interesse einer vollständigen Rechtsangleichung die Anwendung solcher Vorschriften des nationalen Rechts auszuschließen, die lediglich aufgrund einer Mindestangleichungsklausel erlassen oder beibehalten werden durften, aber restriktiver oder strenger sind als die UGP-Richtlinie (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., Vorb. PAngV, Rn. 11b). […] Wegen des Ablaufs der in Art. 3 Abs. 5 S. 1 der UGP-Richtlinie 2005/29/EG festgelegten Zeitspanne sind abweichende nationalstaatliche Regelungen nicht mehr möglich."

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Verstoß nicht spürbar sei im Sinne von § 3a UWG. Danach handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Insbesondere könne sich die Beklagte insoweit nicht auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum im Vertrauen auf die Gültigkeit der deutschen Norm des § 1 Abs. 4 PAngV berufen.

"Auf die subjektiven Vorstellungen des Handelnden von der Rechtmäßigkeit seines Handelns kommt es nicht an, und zwar auch nicht bei der Prüfung der Relevanz im Sinne des § 3a UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 3a UWG, Rn. 1.45). Zu dem zu berücksichtigenden Erfahrungswissen eines Gewerbetreibenden gehört nämlich auch die Kenntnis der Rechtslage. Soweit der Anspruchsgegner diese Rechtslage nicht zutreffend zu beurteilen vermag, mag er sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden haben. Dies kann ihn allerdings grundsätzlich nur vor verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüchen gemäß § 9 UWG und nicht vor den verschuldensunabhängigen Ansprüchen auf Beseitigung und Unterlassung gemäß § 8 UWG bewahren (BGH WRP 2017, 418ff., Rn. 36 – I ZR 258/15 „Motivkontaktlinsen“)."

Ferner fehle dem Verstoß die erforderliche Spürbarkeit auch nicht deshalb, weil eine Preisauszeichnung nach den Vorgaben des § 1 Abs. 4 PAngV derzeit marktüblich sei.

Fazit

Nach dem KG Berlin und dem LG Kiel hat nun auch das LG Essen entschieden, dass ein Pfand entgegen der Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV in den Gesamtpreis einzubeziehen und nicht als gesonderter Posten daneben auszuweisen ist. Alle drei Gerichte stellten sich dabei auf den Standpunkt, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV mangels Grundlage im europäischen Recht nicht mehr anwendbar sei. Allerdings wurde dies von anderen Gerichten auch schon anders entschieden (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 17.9.2019 – 14 U 807/19; LG Leipzig, Urt. v. 29.3.2019 – 1 HK O 325/19; LG Bonn, Urt. v. 3.7.2019 – 12 O 85/18).

Danach sei das Pfand kein Bestandteil des Gesamtpreises. Bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung oder einer eindeutigen gesetzlichen Regelung verbleibt daher eine Rechtsunsicherheit, die zu Lasten der Händler geht. Wir werden die Entwicklung in dieser Frage weiter beobachten und ggf. hierzu berichten.

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2 Kommentare

L
Leser 03.01.2020, 13:16 Uhr
Ein weiteres Beispiel dafür ...
wie sich die Dummen-Rechtsprechung deutscher Gerichte den unterbelichteten und geistig minderbemittelten Nachwuchs-Fachkräften anpasst.
Pisa lässt grüßen.
T
Tom 02.01.2020, 13:26 Uhr
info@addicroom.de
Vermutlich ist es dem Konsumenten nicht zumutbar, eine einfache Additionsaufgabe zu lösen. Während man in den USA uneinheitliche Steuersätze wie selbstverständlich hinzurechnet, stellt in Deutschland der Hinweis  "zuzüglich 25 Cent" offenbar ein unüberwindbares Hinderniss dar. Ob wir wohl ein Preis- oder eher ein Bildungsproblem haben?

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