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Selbstgefertigte Mundschutzmasken: FAQ zu Lösungsmöglichkeiten für die rechtssichere Abgabe an Dritte

29.03.2020, 19:13 Uhr | Lesezeit: 6 min
Selbstgefertigte Mundschutzmasken: FAQ zu Lösungsmöglichkeiten für die rechtssichere Abgabe an Dritte

Selbstgefertigte Mundbedeckungen: Fragen zur Haftung für die Schutztauglichkeit +  Muster-Enthaftungsklausel Hinweis: Interessante weiterführende Informationen zum Thema hat die IT-Recht Kanzlei in ihrem Beitrag "Selbstgefertigte Mundbedeckungen: Fragen zur Haftung für die Schutztauglichkeit + Muster-Enthaftungsklausel" veröffentlicht.

Die IT-Recht Kanzlei hat nach Veröffentlichung des jüngsten Artikels zu den rechtlichen Fallstricken beim Anbieten selbstgefertigter Schutzmasken vielerlei Reaktionen erhalten. Vielen Do-It-Yourself-Anbietern ging es dabei vor allem darum, wie nun selbstgefertigte Masken zur Deckung des hohen Bedarfs rechtssicher an die Bevölkerung abgegeben werden können. Dies gibt Anlass, die Problematik und die Lösungsmöglichkeiten noch einmal explizit in FAQ aufzugreifen.

Eine Mitteilung in eigener Sache vorweg:

Die IT-Recht Kanzlei respektiert und befürwortet die aktuelle Arbeit der vielen Näher und Näherinnen ausdrücklich. Durch das Verschenken und Spenden von Gesichtsbedeckungen leisten sie einen wertvollen Beitrag im Kampf gegen das Coronavirus.

Zweck des Beitrags Corona-Virus: Vorsicht beim Vertrieb selbstgefertigter Atemschutzmasken war insofern keinesfalls eine Verunsicherung der fleißigen Nähhelfer, sondern vielmehr die Vermittlung eines rechtlichen Problembewusstseins und das Aufzeigen konkreter Lösungsmöglichkeiten.

Wir verurteilen das Aussprechen von Abmahnungen zu den aktuellen Krisenzeiten, können es aber freilich dennoch nicht verhindern. Wir sehen es als unsere Pflicht, über das bestehende Risiko aufzuklären.

I. Welches grundsätzliche Problem besteht bei der Abgabe selbstgefertigter Mundschutze?

Mund- und Atemschutzmasken sind grundsätzlich Medizinprodukte der Klasse I (s. Seite 7 der offiziellen Leitlinien zur europäischen Medizinprodukterichtlinie) und bewegen sich ob ihrer Verkehrsfähigkeit somit im Anwendungsbereich des Medizinproduktegesetzes (MPG).

Wann ein Medizinprodukt vorliegt, hängt nun aber (auch) von einer subjektiven Widmung des Herstellers im Sinne einer Verwendungsbestimmung ab. Insofern ist ein Medizinprodukt gemäß § 3 Nr. 1 MPG ein solches, das vom Hersteller zur Anwendung für Menschen u.a. zum Zwecke der Verhütung von Krankheiten bestimmt wird.

Medizinische Mundschutze sind generell dazu bestimmt, die Übertragung von pathogenen Mikroorganismen via Tröpfcheninfektion auf andere zu verhindern.

Wird ein selbstgefertigter Mundschutz nun mit Begrifflichkeiten beworben oder angeboten, die auf einen medizinischen Einsatzzweck schließen lassen, wird die Selfmade-Maske damit zum Medizinprodukt im Rechtssinne.

Folge sind einerseits umfangreiche Test- und Kennzeichnungspflichten (medizinische Erprobung, CE-Kennzeichnung, Verantwortlichenkennzeichnung, Gebrauchsanweisung) und eine Anzeigepflicht des Herstellers bei der zuständigen Behörde.

Folge ist andererseits aber meist, dass eine medizinrechtliche Irreführung vorliegen kann, wenn durch die Widmung eine infektionsschützende bzw. medizinisch-präventive Wirkung impliziert wird, die das Produkt tatsächlich nicht aufweist.

Problematisch sind bei selbstgefertigten Masken insofern Produktbezeichnungen wie „Atemschutzmaske“ oder „Mundschutz“, weil in diesen eine medizinproduktrechtliche Widmung und gleichzeitig auch ein medizinisches Funktionsversprechen gesehen werden kann.

Hinweis zur Abgabe an Familie und Freunde:

Werden selbstgenähte Masken ausschließlich an Familie und Freunde abgegeben, stellt sich das obige Problem nicht. Hier fehlt es an der notwendigen Außenwirkung. Es ist insofern rechtlich eindeutig, dass die Masken nicht als Medizinprodukte bereitgestellt werden.

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II. Wie kann das Problem gelöst werden?

Das Problem kann dadurch gelöst werden, dass in Angebot und Werbung eine unverfängliche Produktbezeichnung gewählt wird. Wenn diese keinen medizinischen Einschlag aufweist, kann keine „Widmung“ als Medizinprodukt angenommen werden. Folglich gelten auch die medizinrechtlichen Voraussetzungen nicht.

Mit Produktbezeichnungen, die keinen medizinischen Schutz implizieren und die auch nicht durch beschreibende Zusätze (etwa „Corona“, „Virus“, „COVID-19“) auf eine klinische Eignung hindeuten, sind selbstgefertigte Masken frei verkehrsfähig. Sie dürfen dann ohne die Beachtung des Medizinproduktegesetzes an beliebige Dritte abgegeben werden.

Eine freie Verkehrsfähigkeit besteht bei der Bezeichnung von selbstgefertigten Masken als

  • „Mundbedeckung“
  • „Mund- und Nasen-Maske“ oder
  • "Behelfsmaske'
  • wohl auch "Behelfsmundschutz", da der Zusatz "Behelf" die medizinische "Widmung" relativiert

III. Muss also auf den Textbaustein „Schutz“ zwingend verzichtet werden?

Gegen die Verwendung des Begriffes „Schutz“ in der Produktbezeichnung bestehen (jenseits der obigen Beispiele) nach hier vertretener Auffassung Bedenken. Insofern kann er als Hinweis auf eine medizinisch erprobte Schutzwirkung verstanden und kann das Produkt von Abnehmern gegebenenfalls mit klinisch erprobten Atemschutzmasken verwechselt werden.

Gegebenenfalls denkbar wäre die Bezeichnung der Maske als „Mundschutz“ mit einem aufklärenden Zusatz wie folgt:

Keine medizinische Atemschutzmaske. Kein FFP-Standard. Keine Zertifizierung.

Von der Bezeichnung als „Atemschutzmaske“ sollte aber grundsätzlich Abstand genommen werden.

IV. Muss ich nun aufpassen, wenn ich von Einrichtungen um Masken-Spenden gebeten werde?

Aufgrund der aktuellen Notlage und diverser Versorgungsengpässe bieten viele offizielle Stellen (Krankenhäuser, Praxen etc.) um Unterstützung und hoffen auf die Bereitstellung selbstgefertigter Masken von privaten Nähern und Näherinnen.

Dies ist unproblematisch zulässig: Einerseits wissen die Institutionen um die Wirkung und Qualität der Selfmade-Produkte. Andererseits treffen die Näher und Näherinnen hier überhaupt keine Produktbezeichnungen, die missverstanden werden könnten.

Das Problem im Grenzbereich zum Medizinprodukt ergibt sich nur dort, wo gegenüber Dritten eine Produktwidmung vorgenommen wird und wo Abnehmer durch eine Produktbezeichnung potenziell in die Irre geführt werden könnten.

Letzteres ist regelmäßig nur beim offiziellen Anbieten der Selfmade-Masken der Fall.

V. Muss ich aufpassen, wenn ich Masken ohne Aufforderung auf eigene Initiative an Einrichtungen spende?

Grundsätzlich auch nicht.

Solange der Spendenempfänger darauf hingewiesen wird, dass es sich um selbstgefertigte Masken handelt, weiß er um deren Qualität und Wirkung. Eine Irreführung wird ausgeschlossen. Mangels offizieller Widmung erfolgt auch keine Klassifizierung als Medizinprodukt.

VI. Hafte ich für die Schutztauglichkeit und brauche ich einen Haftungsausschluss?

Ob und inwiefern Anbieter für die Schutztauglichkeit haften, wird zusammen mit einem hilfreichen Muster hier dargestellt.

VII. Brauchen selbstgefertigte Schutzmasken eine Textilkennzeichnung?

Das hängt davon ab.

Gegebenenfalls sieht die Textilkennzeichnungsverordnung für selbstgefertigte Schutzmasken in Anhang V eine Ausnahme vor.

Sofern es sich um Masken für den einmaligen Gebrauch (also um Einwegerzeugnisse) handelt, ist die Textilkennzeichnung nach Anhang V Nr. 35 ausgeschlossen.

Sind die Masken mehrfach verwendbar, kommt eine Befreiung von der Kennzeichnungspflicht nach Anhang V Nr. 38 (für Schutz und Sicherheit) zwar in Betracht. Allerdings sind grundsätzlich nur genormte Textilerzeugnisse für Schutzzwecke von der Ausnahme erfasst, sodass für selbstgefertigte Mehrwegmasken eine Textilkennzeichnungspflicht naheliegt.

VIII. Ist eine Herstellerkennzeichnung erforderlich?

Auch bei selbstgefertigten Atemmasken handelt es sich um Verbraucherprodukte. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ProdSG müssen diese grundsätzlich mit dem Namen und der Anschrift des Herstellers gekennzeichnet sein.

Satz 3 erlaubt es aber ausnahmsweise, diese Angaben wegzulassen, wenn deren Anbringung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre.

Es spricht vieles dafür, dass diese Ausnahme hier greift. Bei Atemmasken handelt es sich um ein Massenprodukt, dessen schnelle Bereitstellung maßgebend ist. Es ist davon auszugehen, dass das Annähen eines Etiketts mit der Herstellerkennzeichnung an jeder Maske die gleiche Zeit benötigen würde wie die Herstellung der Maske selbst. Ein "unverhältnismäßiger Aufwand" der Anbringung scheint insofern unter Würdigung der geringen Komplexität der Masken einerseits und ihres Einsatzzweckes andererseits vertretbar.

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.


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3 Kommentare

I
Isabel 12.05.2020, 14:08 Uhr
Hygienische Mundtücher
Super Artikel, vielen Dank dafür. 
Wie sieht es eigentlich mit der Bezeichnung „hygienische Mundtücher“ aus, bei Mundtücher aus Zellstoff, ähnlich der Papierservietten? Darf man das Wort hygienisch verwenden wenn es sich nicht um geprüfte Mundtücher handelt?

Danke für die Antwort
H
Heike 03.04.2020, 17:44 Uhr
Danke :-)
für die Info!
F
Freier 30.03.2020, 16:43 Uhr
ehemals Hygieneverantwortliche für einen Teilbereich einer großen Klinik
Wichtiger Artikel! Erst ab der Qualität FFP2 bieten Atemschutzmasken einen Schutz vor dem Coronavirus, und dann auch nur, wenn sie richtig nach Gebrauch zum Abtrocken der Atemluft auf eine penibel saubere Unterlage gelegt werden. Im Netz fand sich dazu gestern nur einmal die Äußerung eines Arztes. Meine Information beruht außerdem auf eigener Recherche bei einer klinikeigenen Apotheke in Viersen. Dennoch sind selbstgenähte Masken besser als nichts, da es auch größere Mikroorganismen gibt als Viren.

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