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„Kunden erfinden“ und dann selbst einkaufen: Betrug im Affiliate Marketing

18.03.2009, 18:09 Uhr | Lesezeit: 4 min
„Kunden erfinden“ und dann selbst einkaufen: Betrug im Affiliate Marketing

„Lange Reisen – lange Lügen“ sagt ein spanisches Sprichwort. Aber nicht immer ist eine tatsächlich erfolgte Reise der Anlass dafür, sein Gegenüber an der Nase herumzuführen. Wie es dann rechtlich zu bewerten ist, wenn ein Affiliate selbst beim Merchant Reisen bucht (und später storniert), um so mehr Provisionen zu kassieren, zeigt ein kürzlich vor dem Landgericht Berlin verhandelter Fall (23.10.2008, Az. 32 O 501/08).

Affiliate Marketing, eine relativ junge Form der Vermarktung, wurde auf unseren Seiten kürzlich schon ausgiebig vorgestellt (vgl. Artikel vom 13.01.2009 ). Im nun vor dem LG Berlin verhandelten Fall ging es um einen findigen Affiliate (teilw. auch „Publisher“), der einfach selbst bzw. über Dritte eine Reihe von Reisen gebucht hatte, um von dem auf seiner Seite werbenden Händler („Merchant“ bzw. „Advertiser“) die entsprechenden Provisionen zu erhalten. Keine einzige dieser Reisen wurde auch tatsächlich angetreten, vielmehr wurden sie später wieder storniert.

Der Merchant mahnte den Affiliate daraufhin ab und strengte später, nachdem der Affiliate sich geweigert hatte eine Unterlassungserklärung abzugeben, eine Klage gegen diesen an. Hierbei sollte festgestellt werden, dass das Verhalten des Affiliate

  • unlauter ist und
  • den Tatbestand des Betruges erfüllt.

Der Affiliate wiederum verteidigte sich mit dem Argument, er habe doch nur selbst das Angebot des Händlers angenommen. Denn schließlich sei es seitens der nun beklagten Partei so,

„dass ein rechtswidriges Verhalten ihrerseits nicht vorgelegen habe, da keine der Buchungen vorgetäuscht oder fingiert worden sei. Man habe lediglich die Angebote der Verfügungsklägerin wahrgenommen und genutzt. Ein Missbrauchstatbestand in Form von unlauteren Methoden oder unzulässigen Mitteln […] habe nicht vorgelegen. […] Mitarbeiter sowie Freunde und Bekannte Einzelner, die an der Verfügungsbeklagten beteiligt seien, könnten auch nicht ohne weiteres dieser direkt zugeordnet werden.“

Überhaupt sei auch gar kein Betrug im Spiel, denn

„zu einem Buchungsvorgang gehöre überdies nicht die Verpflichtung des Reisenden, die bezahlte Reiseleistung auch in Anspruch zu nehmen.“

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Das LG Berlin sah dies jedoch anders.

Zunächst einmal stellte es fest, dass das Verhalten des Affiliate durchaus unlauter sei. Das Gericht führte hierzu aus:

„Denn die Verfügungsbeklagte hat sich auf diese Weise insoweit bereits ausgezahlte Provisionen auf unlauterer Weise erschlichen. Das ergibt sich schon aus dem übereinstimmenden Tatsachenvortrag der Parteien. Danach sind von Mitarbeitern und vertretungsberechtigten Organen der Verfügungsbeklagten in dem Zeitraum von April bis Ende August 2008 eine ganze Reihe von Buchungen bei der Verfügungsklägerin vorgenommen worden, ohne dass die gebuchte Leistung auch tatsächlich in Anspruch genommen worden ist. Das gesteht die Verfügungsbeklagte letztlich selbst zu, indem sie argumentiert, zu einem Buchungsvorgang gehöre nicht die Verpflichtung des Reisenden, die bezahlte Reiseleistung auch in Anspruch zu nehmen. Alle Buchungen seien, was unstreitig ist, bezahlt und real abgewickelt worden. Soweit in derartigen Fällen die ausgewiesenen und zum Teil auch von der Verfügungsbeklagten tatsächlich erlangten Provisionen den Buchungswert überstiegen haben, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Buchung dem alleinigen Zweck zu dienen bestimmt gewesen ist, die Vermittlungsvergütung zu erlangen.“

Auch seien „Freunde und Bekannte Einzelner“ u.U. durchaus dem Affiliate zuzuordnen:

„Dass der Endkunde aus der persönlichen Sphäre des Partners stammt, entspricht nicht der zugrunde gelegten Wirtschaftsidee. Vorgesehen ist eine ‚erfolgsabhängige’ Vergütung für den Partner.“

Darüber hinaus äußerte das LG Berlin sich auch direkt zu den (eigentlich strafrechtlichen) Vorwürfen, die Handlungsweise des Affiliate sei betrügerisch:

„Darin liegt zugleich ein Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB. Die der vorstehend erläuterten Marketing-Idee entsprechende Vorstellung (der Irrtum) der Verfügungsklägerin dahin, dass es sich bei den von der Verfügungsbeklagten als Partner vermittelten Buchungen sämtlich um solche ausstehender Dritter gehandelt hat, hat die Verfügungsbeklagte zumindest bewusst aufrechterhalten. Soweit in diesem Zusammenhang Provisionen ausgezahlt bzw. freigegeben worden sind, liegt darin eine Vermögensverfügung zum Nachteil der Verfügungsklägerin, aus der ihr jedenfalls insoweit, als die Provisionen den jeweiligen Buchungswert überschritten haben, auch ein entsprechender Schaden erwachsen ist. Dass das Vorliegen eines Missbrauchstatbestandes den Provisionsanspruch […] bereits entfallen lässt, ist demgegenüber unerheblich.“

Fazit

Zusammenfassend lassen sich dem Urteil zwei Rechtssätze entnehmen:

  • Affiliates (und deren Freunde und Angehörige) dürfen nicht mit dem Merchant in Geschäftskontakt treten, wenn dahinter lediglich die Absicht steht, für den Affiliate Provisionen zu generieren.
  • Dennoch erfolgte Kontakte dieser Art sind nicht nur unlauter, sondern auch betrügerisch und damit sowohl zivil- als auch strafrechtlich sanktioniert.

Hinweis:
Der Merchant, Kläger im Verfügungsverfahren, hat zwar inhaltlich wie geschildert Recht bekommen, die Unterlassungsklage wurde aber mangels Wiederholungsgefahr abgewiesen. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.

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