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Das Verhandlungsverfahren nach der VOF. Kein Freibrief für Vergaberüpel

28.03.2008, 08:33 Uhr | Lesezeit: 8 min
Das Verhandlungsverfahren nach der VOF. Kein Freibrief für Vergaberüpel

Die Vergabekammer Sachsen (1/SVK/088-07) hatte sich mit Beschluss vom 21.01.2008 mit einem Verhandlungverfahren auf der Grundlage der VOF (Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen) auseinanderzusetzen und dabei gleich eine Reihe von Vergabefehlern bemängelt. Unter anderem wurde entschieden, dass die VOF im Gegensatz zur VOL/A keine Möglichkeit zur Vergabe von Leistungen auf Grund eines Rahmenvertrages ermöglicht und dass auch bei einer Ausschreibung nach der VOF eine ausreichend dokumentierte Vergabeakte unverzichtbar ist.

1. Worum ging es?

Ein Krankenhaus wollte auf der Grundlage eines Verhandlungsverfahrens einen Rahmenvertrag über Planungsleistungen mit einem Architektenbüro über vier Jahre ausschreiben. Hierbei ging das Klinikum recht nonchalant mit den Regeln des Vergaberechts um und machte jede Menge Fehler, die die Vergabekammer Sachsen fast schon schulmäßig durchging und rügte. Die Ausschreibung wurde aufgehoben.

Bevor im Folgenden die Fehler des konkreten Ausschreibungsverfahrens dargestellt werden, sollen zunächst die Besonderheiten des Verhandlungsverfahrens nach der VOF dargestellt werden.

2. Worum geht es in einem Verhandlungsverfahren nach der VOF?

Nach wie vor bestehen sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Auftragnehmerseite vielfach erhebliche Unsicherheiten darüber, wie ein derartiges Verfahren rechtssicher durchzuführen ist bzw. wie eine Auswahl des geeigneten Auftragnehmers im Einzelnen zu erfolgen hat. Anders als bei der VOL/A, die den Vorrang der öffentlichen Ausschreibung postuliert, kommt bei der Vergabe von freiberuflichen Leistungen nach § 5 Abs. 1 VOF das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachung als Regelverfahren zur Anwendung.

2.1 Wann ist die VOF maßgebend?

Bei der Vergabe freiberuflicher Planungsleistungen ist die Anwendung der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) für den öffentlichen Auftraggeber verbindlich vorgeschrieben, wenn eine Leistung durch Freiberufler erbracht wird und die in der VOF festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschritten werden. Die Schwellenwerte hat die EU-Kommission mit Geltung zum 01.08.2008 von 211 000 Euro auf 206 000 Euro gesenkt.

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2.2 Wie wird ein Vergabeverfahren nach der VOF durchgeführt?

Das Vergabeverfahren nach der VOF gliedert sich in zwei Phasen:

  • Die erste Phase ist das Auswahlverfahren nach §§ 10 bis 13 VOF. Aus den eingegangenen Bewerbungen werden nach den in der EU-weiten Bekanntmachung genannten Kriterien Teilnehmer für die zweite Phase ausgewählt.
  • In der zweiten Phase wird der endgültige Auftragnehmer ermittelt, sie endet erst mit dessen Beauftragung.

2.3 Durchführung des Verhandlungsverfahrens

Zur Ermittlung des Auftragnehmers kann der Auftraggeber zwei „Wege” gehen:

  • Die Auswahl erfolgt unmittelbar durch Verhandlungen mit mindestens drei der in Phase 1 ermittelten Bewerbern. Der Auftraggeber entscheidet nach den in § 16 VOF genannten und nach eigenem Ermessen ergänzten, jedoch nicht diskriminierenden Kriterien, welcher Bewerber diese am Besten erfüllt.
  • Alternativ kann anstelle der o.g. Verhandlungen auch ein Planungswettbewerb (§§ 20, 25 VOF) durchgeführt werden, in dem ein Preisgericht das optimale Planungsergebnis ermittelt. Die Kriterien, die im Auswahlverfahren (1. Phase) maßgeblich sind, müssen öffentlich bekannt gemacht werden und sind bindend.

2.4 Zuschlagskriterien

Maßgebende Kriterien für die Auswahl der Bewerber sind nach §§ 10 bis 13 VOF das Diskriminierungsverbot, der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Transparenzgebot.
Nach der Generalklausel des § 4 Abs. 1 VOF sind Aufträge unter ausschließlicher Verantwortung des Auftraggebers im leistungsbezogenen Wettbewerb an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Bewerber zu vergeben.

2.5 Benachrichtigung nicht berücksichtigter Bieter

Bieter, die nicht berücksichtigt werden sollen, sind gemäß § 13 Vergabeverordnung (VgV) spätestens vierzehn Kalendertage vor Zuschlagserteilung zu informieren.

3.Vergabefehler der ausschreibenden Klinik

3.1 Rahmenvereinbarung rechtswidrig nach der VOF

Die Vergabekammer entschied, dass die ausgeschriebene Rahmenvereinbarung über vier Jahre vergaberechtswidrig sei. Sie verstoße gegen die derzeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

Die Vergabekammer begründet diese Entscheidung zum einen mit § 8 VOF. Nach dieser Vorschrift müssen die Bewerber mit der Aufgabenbeschreibung auch die für eine zweifelsfreie und vollständige Kalkulation erforderlichen Unterlagen und Informationen erhalten. Ist die zu vergebende Leistung nach einer gesetzlichen Gebühren- oder Honorarordnung zu vergüten, muss die Beschreibung so beschaffen sein, dass die Preis- oder Honorarangebote gesetzes- oder verordnungskonform sein können. Der Auftraggeber hat daher alle nach objektiven Kriterien bestimmbaren Bedingungen zur Honorarberechnung vor Beginn des Verhandlungsverfahrens festzulegen. Dieser Anforderung läuft eine Rahmenvereinbarung zu wider, da sie gerade nicht alle wesentlichen Faktoren, die für eine zweifelsfreie und vollständige Kalkulation erforderlich sind, enthält.

Der wesentliche Grund für die Rechtswidrigkeit einer Rahmenvereinbarung war für die Vergabekammer aber die Tatsache, dass die VOF keine Möglichkeit zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung für Leistungen nach der VOF enthält. Eine analoge Anwendung der VOL/A, die eine solche Regelung in § 3a Nr. 4 VOL/A aufweist, ist nach Auffassung der Vergabekammer nicht zulässig.

Die Vergabekammer führte aus:

„Zwar enthält Art. 32 VKR eine ausdrückliche Bestimmung für Rahmenvereinbarungen im klassischen Bereich Rahmenvereinbarungen sind nunmehr auch außerhalb des Sektorenbereiches grundsätzlich zulässig. Allerdings steht es nach dem Wortlaut des Art. 32 VKR („Die Mitgliedstaaten können die Möglichkeit des Abschlusses von Rahmenvereinbarungen vorsehen”) im Ermessen der Mitgliedsstaaten, ob sie die Möglichkeit des Abschlusses von Rahmenvereinbarungen vorsehen oder nicht”.
Eine umfassende und einheitliche Regelung der Rahmenvereinbarung erfolgte im deutschen Vergaberecht lediglich für den Bereich der VOL/A in § 3a Nr. 4 VOL/A nicht aber in der VOF oder der VOB. Die Vergabekammer folgerte daraus, dass der Gesetzgeber es bewusst unterlassen habe, auch in der VOF eine Vorschrift über Rahmenvereinbarungen aufzunehmen. Es liege somit keine außerordentliche bzw. planwidrige Gesetzeslücke vor, die zu einer analogen Anwendung der Bestimmungen der VOL/A berechtigte.

3.2 Ablauf der ursprünglichen Bindefrist

Das ausschreibende Klinikum hatte die ursprüngliche Angebotsbindefrist verstreichen lassen, ohne dass alle Bieter einer Bindefristverlängerung zugestimmt hatten.
Der Ablauf der Angebotsbindefrist führt dazu, dass das Angebot mit Ablauf der Bindefrist erlischt und damit für eine spätere Annahme durch die Vergabestelle nicht mehr zur Verfügung steht.
Die Vergabestelle hatte aber mit gleicher Wirkung für alle Bieter und im Einvernehmen mit diesen (vgl. § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A) die bereits abgelaufene Angebotsfrist nachträglich ”verlängert”. Daran sah die Vergabekammer eine zulässige erneute Vorlage der bereits erloschenen Angebote mit deren ursprünglichem Inhalt.

3.3 Unzulässige Dokumentation in der Vergabeakte

Nach § 18 VOF ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält.

Es ist ein Gebot der Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB), dass der öffentliche Auftraggeber die wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens -und damit namentlich auch die Angebotswertung- in den Vergabeakten dokumentiert. Die Dokumentation dient dem Ziel, die Entscheidungen der Vergabestelle transparent und sowohl für die Überprüfungsinstanzen (Vergabekammer und Vergabesenat) als auch für die Bieter überprüfbar zu machen. Dementsprechend stellt die Nichterfüllung der in § 18 VOF konkretisierten Dokumentationspflicht durch die Vergabestelle eine besonders schwerwiegende Verletzung des Transparenzgrundsatzes dar. Die Vergabekammer sah das Gebot der Transparenz durch mangelnde Dokumentation der Vergabestelle aus den folgenden Gründen als verletzt an:

3.3.1 Auswahl der Bieter nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs

Die Vergabekammer sah es als vergaberechtswidrig an, dass das Klinikum nach dem Teilnahmewettbewerb lediglich fünf der acht geeigneten Bewerber zum weiteren Verfahren zugelassen hatte, ohne dass diese Auswahl ermessensfehlerfrei nach sachlichen Kriterien erfolgte und ausreichend dokumentiert war.

Die Vergabestelle hatte weder in der Bekanntmachung eine Angabe zur Anzahl der zur Verhandlung aufzufordernden Bewerber gemacht noch ihre Auswahlentscheidung im Rahmen eines Vergabevermerks dokumentiert. Das Gebot der Transparenz verlange aber, auch nach außen deutlich zu machen, wie groß der Bieterkreis, der tatsächlich noch am Verfahren Teilnehmenden, sei. Hierzu könne es erforderlich sein, bereits in der Vergabebekanntmachung bzw. vor Eingang der Teilnahmeanträge, die Einengung des Bewerberkreises festzulegen. Hierzu müsse es nicht notwendigerweise erforderlich sein, eine konkrete Zahl von Bewerbern zu benennen. Dies könne auch nach nachvollziehbaren Kriterien, wie z.B. der Gestaltung von Mindestanforderungen oder einer für die weitere Teilnahme erforderliche Mindestpunktzahl erfolgen.

Ebenso stehe es der Vergabestelle frei, im Sinne der Transparenz das Verfahren konkret darzustellen und die Zahl der Bewerber in der Vergabebekanntmachung anzugeben.
Unzulässig hingegen sei die Festlegung der Zahl der Teilnehmer nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs, ohne auf Grund zuvor festgelegter Kriterien zu dokumentieren, warum sich einige Bewerber gegen andere Mitbewerber durchsetzen konnten.

3.3.2 Dokumentationsmangel hinsichtlich der Bewertung der Präsentation

Die Vergabestelle hatte den klagenden Bieter zu einer Präsentation gebeten und ihn danach von dem weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen. Die Vergabekammer stellte fest, dass die durch die Auftraggeberin vorgenommene Auswertung der Präsentation nicht nachvollziehbar sei. Ein Vergabevermerk, der den zuvor dargelegten Anforderungen entspreche, existiere nicht. Das Ergebnis dieser Präsentation wurde nach Auffassung der Vergabekammer daher nicht ausreichend dokumentiert.

3.3.3 Keine Begründung der Punktvergabe durch die Bewertungskommission

Die Vergabekammer rügte, dass es die Vergabestelle unterlassen habe, auf ihren Bewertungsbögen eine Kurzbegründung für die Punktzahl anzugeben. Nur mit einer solchen Begründung sei es aber einem rechtsschutzsuchenden Bieter möglich festzustellen, aus welchen Gründen eine entsprechende Bepunktung zu seinen Gunsten oder zu seinen Lasten erfolgt sei. Andernfalls wäre der im EU-Vergabeverfahren dem Bieter gewährte Rechtsschutz gegen einen Ausschluss aus dem Vergabeverfahren ausgehebelt.

Der Bieter müsse zur Wahrung seiner Rechte in der Lage sein, die wesentlichen Gründe, die zu einer Bewertung seines Angebots geführt hätten, nachzuvollziehen, um ggf. gegen eine entsprechende Ausschlussentscheidung vorzugehen. Seien keine sachlichen Gründe hierfür der Vergabeakte zu entnehmen, sei ihm zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu ermöglichen, sich auf die fehlerhafte Dokumentation zu berufen.

3.3.4 Auswahl der Bieter, mit denen weiter verhandelt wurde

Die Vergabekammer rügte auch, dass nicht dokumentiert worden sei, aus welchem Grunde nur mit einem Bieter als dem „Bestbieter der Präsentation” weiterverhandelt wurde, nicht aber mit weiteren Bietern. Dies sei im Sinne der vorgenannten Ausführungen vergaberechtswidrig.

4. Fazit

Oft wird fälschlicher Weise ein Verhandlungsverfahren nach der VOF als Ausweg aus den Zwängen des Vergaberechts angesehen. Dies ist aber unzutreffend, wie nicht zuletzt das hier dargestellte Urteil der Vergabekammer Sachsen zeigt.

Auch ein Verhandlungsverfahren nach der VOF ist sorgfältig vorzubereiten. Den Bietern sind alle für die Entscheidung der Vergabestelle wesentlichen Kriterien transparent und überprüfbar mitzuteilen. Insbesondere sind alle Entscheidungsgründe in der Vergabeakte zu vermerken, um die Entscheidungen der Vergabestelle transparent und sowohl für die Überprüfungsinstanzen als auch für die Bieter nachvollziehbar zu machen.

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Bildquelle:
Evi Angela Daub / PIXELIO

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