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Bin ich Verbraucher oder doch Unternehmer? – ein Leitfaden zur Abgrenzung zwischen § 13 BGB und § 14 BGB

18.04.2012, 09:27 Uhr | Lesezeit: 18 min
von Tobias Kuntze
Bin ich Verbraucher oder doch Unternehmer? – ein Leitfaden zur Abgrenzung zwischen § 13 BGB und § 14 BGB

Die Unterscheidung zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer spielt beim Rechtsverkehr im Internet eine entscheidende Rolle. Alltäglich ist man im Onlinehandel mit dem Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen (§§ 312b, 312d i.V.m. § 355 BGB) oder mit den Beweislast- und Gewährleistungsregelungen des Verbrauchsgüterkaufs (§§ 474 ff. BGB) konfrontiert. All diesen Vorschriften ist gemein, dass ein Rechtsgeschäft zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vorliegen muss. Aus diesem Anlass sollen im Folgenden die Begriffe des Verbrauchers und Unternehmers näher dargestellt und einzelne Sonderfälle aufgezeigt werden. Abschließend geben einige Rechtsprechungshinweise eine weitere Hilfestellung für die gerade in Grenzfällen vielfach komplizierte Abgrenzung.

Der Verbraucher (§ 13 BGB)

1.    Der Begriff des Verbrauchers in § 13 BGB

„Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.“

Der Verbraucherbegriff des § 13 BGB findet Anwendung, wenn im Gesetz (im BGB oder anderen Gesetzen, z.B. auch UWG) vom „Verbraucher“ die Rede ist. Die folgenden zwei Merkmale sind von besonderer Bedeutung:

  • Verbraucher kann nur eine natürliche Person (also eine Privatperson) sein. Demgegenüber fallen die juristischen Personen (wie z.B. GmbH, AG, KGaA) aus dem Verbraucherbegriff heraus. Die in der Praxis häufig vorkommende BGB-Gesellschaft ist keine juristische Person und kann daher auch Verbraucher sein. In der Regel wird sie jedoch zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken eingesetzt, so dass sie in den meisten Fällen unter den Unternehmerbegriff des § 14 BGB fallen wird.
  • Verbrauchergeschäfte sind Privatgeschäfte. Es darf sich also gerade nicht um ein Rechtsgeschäft handeln, dessen Zweck einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzuordnen ist. Besondere Vorsicht ist daher bei einer Nebenerwerbstätigkeit geboten, da hier die Grenze zur Gewerbsmäßigkeit (d.h. zu einer planmäßigen, entgeltlichen und auf Dauer angelegten Tätigkeit) leicht übertreten werden kann, was den Verlust der Verbrauchereigenschaft zur Folge hat. Was den Begriff der selbständigen beruflichen Tätigkeit angeht, so ist hierunter jedes berufliche Tätigwerden zu verstehen, das nicht mit einem Abhängigkeitsverhältnis verbunden ist. Demnach ist etwa ein Arbeitnehmer ein Verbraucher und zwar auch dann, wenn er z.B. Arbeitskleidung im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses erwirbt. Hingegen üben beispielsweise ein Arzt/Architekt/Künstler (sog. Freiberufler) eine selbständige berufliche Tätigkeit aus und sind demnach als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB zu qualifizieren.

2.    Wie wird bestimmt, ob man ein Verbraucher ist?

Ob ein Verhalten bzw. ein Rechtsgeschäft dem privaten oder dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist, hängt von dessen Zweck ab, der sich anhand objektiver Umstände aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts ergibt (für mögliche Indizien bei dieser Beurteilung, siehe die Beispielsfälle unten). Der Wille der Handelnden spielt bei der Einordnung hingegen keine Rolle. Nach Ansicht des BGH kommt eine vom objektiven Vertragszweck abweichende Beurteilung der Verbrauchereigenschaft bzw. eine Verneinung der Verbraucheigenschaft bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person nur dann in Betracht, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat (vgl. Urteil des BGH vom 30.9.2009, Az. VIII ZR 7/09; siehe auch unten).

3.    Wer trägt die Beweislast?

Allerdings ergeben die objektiven Umstände nicht immer zweifelsfrei, ob ein Rechtsgeschäft den unternehmerischen oder privaten Bereich betrifft. Dann trägt derjenige die Beweislast, der sich auf den Schutz einer Rechtsvorschrift beruft, d.h. dass der Verbraucher die Beweispflicht hat, wenn er sich auf die Anwendung von bestimmten Verbraucherschutzvorschriften berufen möchte. Beweislastveränderungen durch Vereinbarungen über die Verbraucher- oder Unternehmereigenschaft in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind gem. § 309 Nr. 12 BGB unwirksam.

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Der Unternehmer (§ 14 BGB)

1.    Der Begriff des Unternehmers in § 14 BGB

„(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.“

Der Unternehmerbegriff des § 14 BGB findet immer dann Anwendung, das BGB oder ein anderes Gesetz vom Unternehmer als Gegenpart des Verbrauchers spricht. Nach § 2 Abs. 2 UWG gilt der Unternehmerbegriff des § 14 BGB auch im UWG. Für den Begriff des Unternehmers sind die folgenden Merkmale von zentraler Bedeutung:

- Unternehmer können sowohl natürliche Personen (d.h. Privatpersonen, mithin auch Einzelkaufleute und Freiberufler) als auchjuristische Personen (zu den Definitionen, siehe bereits oben beim Verbraucherbegriff) sein. Nach § 14 Abs. 2 BGB fallen auch die rechtsfähigen Personengesellschaften (d.h. u.a. die OHG, KG) unter den Unternehmerbegriff. Da die (Außen)BGB-Gesellschaft als rechtsfähige Personengesellschaft in der Regel zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken tätig wird, ist auch sie in den meisten Fällen Unternehmer (siehe oben).

- Darüber hinaus muss in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt worden sein. In Parallele zur Verbrauchereigenschaft (siehe oben) ergibt sich die Unternehmereigenschaft primär aus der Zweckrichtung des Handelns.

Unter einer gewerblichen Tätigkeit ist ein planvolles und auf längere Sicht angelegtes selbständiges Handeln unter Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr zu verstehen. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich; für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit langt die bloße Entgeltlichkeit aus (vgl. BGH NJW 2006, S. 2250 ff.). Hinreichend ist auch eine nebenberufliche unternehmerische Tätigkeit, insbesondere als sog. „power-seller“ bei Auktionsplattformen wie Ebay (siehe unten).

Was den Begriff der selbständigen beruflichen Tätigkeit angeht, so ist hierunter jedes berufliche Tätigwerden zu verstehen, das nicht mit einem Abhängigkeitsverhältnis verbunden ist; hierunter fallen insbesondere die freien Berufe (siehe bereits oben). Für die oftmals schwierige Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger beruflicher Tätigkeit bietet § 84 Abs. 1 S. 2 HGB eine Hilfestellung an. Hiernach liegt ein selbständiges Handeln vor, wenn der Handelnde seine Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen kann.

2.    Wie wird bestimmt, ob man ein Unternehmer ist?

Die Einordnung eines Verhaltens als Unternehmerhandeln hängt von dessen Zweckrichtung ab. Bei der Ermittlung der Zweckrichtung entscheidet auch hier ausschließlich der objektive Inhalt des Rechtsgeschäfts, der anhand der objektiven Umstände zu ermitteln ist (BGH NJW 2005, 1273; für mögliche Indizien bei dieser Beurteilung, siehe die Beispielsfälle unten). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass analog § 344 HGB ein Rechtsgeschäft auch dann zum Unternehmen eines Unternehmers zugerechnet werden kann, wenn es nicht zum Kernbereich seiner Tätigkeit gehört (Beispiel: Verkauft ein Architekt oder Arzt sein beruflich genutztes Auto, handelt er als Unternehmer, auch wenn dieses Handeln nicht seiner eigentlichen Tätigkeit als Architekt oder Arzt entspricht; vgl. Beck`scher Online-Kommentar, § 14 BGB Rn. 14).

3.    Wer trägt die Beweislast?

Die Beweislast für das Vorhandensein der Unternehmereigenschaft trägt derjenige, der sich hierauf beruft. Bei den vorzutragenden Umständen können dann z.B. die Art der Ware, die Häufigkeit der Tätigkeit oder der Zeitraum des Angebots eine Rolle spielen

Sonderfälle

Der „Scheinunternehmer“

Gibt ein Verbraucher bei Vertragsschluss arglistig vor, ein Unternehmer zu sein, obwohl er in Wirklichkeit zu privaten Zwecken handelt, kann er sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Verbraucherschutzvorschriften berufen (Urteil des BGH vom 22.12.2004, Az. VIII ZR 91/04). Anders liegt der Fall, wenn der Vertragspartner die vorgetäuschte Unternehmereigenschaft erkannt hat; dann ist dieser nicht mehr schutzwürdig, so dass die Verbraucherschutzvorschriften Anwendung finden.

Der „Scheinverbraucher“

Spiegelt ein Unternehmer vor, Verbraucher zu sein, obwohl er in Wirklichkeit in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, kommen ihm die Verbraucherschutzvorschriften nicht zugute. Stattdessen muss er gegenüber einem Verbraucher seinen Unternehmerpflichten nachkommen. Beispiel: ein Freiberufler verkauft einen Gegenstand aus seinem Betriebsvermögen, ohne diesen Umstand der anderen Vertragspartei zu eröffnen. (vgl. hierzu Herresthal, JZ 2006, S. 695 ff.).

„Dual use“ – Geschäfte"

Hierunter versteht man Rechtsgeschäfte, die sowohl zu privaten als auch zu gewerblichen/beruflichen Zwecken getätigt werden (z.B. Kauf eines Druckers, der sowohl beruflich als auch privat genutzt wird). Liegt ein solcher gemischter Zweck vor, stellt sich die Frage, ob als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt wurde. Die herrschende Ansicht (und auch die Rechtsprechung, z.B. in OLG Celle, NJW-RR 2004, S. 1645 ff.; OLG Naumburg, WM 1998, S. 2158 ff.) differenziert in einem solchen Fall danach, welche Zweckbestimmung überwiegt. Wird im genannten Beispiel der Drucker primär für die gewerbliche bzw. selbständige berufliche Tätigkeit des Familienvaters gekauft, so handelt er als Unternehmer, da der berufliche bzw. gewerbliche Zweck überwiegt. Wird der Drucker hingegen vornehmlich zur Benutzung durch die Familie gekauft, so liegt ein Privatgeschäft des Handelnden vor.

In der Praxis ist die bei „dual use“ – Geschäften durchgeführte Differenzierung nach der Zweckbestimmung immer mit Unsicherheiten behaftet. Auch hier trägt immer derjenige die Beweislast, der sich auf die Verbraucher- bzw. die Unternehmereigenschaft beruft.

Weiterführende Rechtsprechung

Exemplarisch werden im Folgenden einige Urteile angeführt, die einen Eindruck vermitteln sollen, welche Umstände von den Gerichten bei der Abgrenzung zwischen Unternehmer- und Verbrauchereigenschaft in die Entscheidungsfindung einbezogen werden können. Eine konkrete Untersuchung des Einzelfalls wird hierdurch jedoch nicht entbehrlich.

BGH: Angabe der Kanzleianschrift als Lieferadresse der Ware kein zweifelsfreier Beweis für unternehmerisches Handeln

In diesem Urteil (vom 30.9.2009, Az. VIII ZR 7/09) hatte der BGH zu entscheiden, ob der Klägerin nach Abschluss eines Online-Geschäfts über drei Lampen ein Verbraucherwiderrufsrecht zustand. Da die Klägerin als Rechnungs- und Lieferadresse ihre Kanzleianschrift angab, stellte sich die Frage nach ihrer Verbrauchereigenschaft. Hierzu führte der BGH aus, dass bei einem Rechtsgeschäft einer natürlichen Person, das objektiv zu privaten Zwecken getätigt wurde, nur dann eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck in Betracht kommt, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelte. Da es im konkreten Fall bewiesen war, dass die Anwältin die Lampen für ihre Privatwohnung gekauft hatte und keine Umstände vorlagen, die auf eine gewerbliche Nutzung der Lampen hindeuteten (aus der Angabe der Kanzleianschrift als Liefer- und Rechnungsadresse allein konnte kein zweifelsfreier Beweis für ein Handeln zu unternehmerischen Zwecken hergeleitet werden), war sie nach Ansicht des BGH als Verbraucherin tätig, so dass ihr das Widerrufsrecht eingeräumt wurde. (für eine ausführliche Darstellung dieses Urteils siehe: BGH klärt: Wann ist eine natürliche Person ein Verbraucher? )

BGH: Anzahl der angebotenen Artikel und der Feedback-Bewertungen sind entscheidende Faktoren bei der Abgrenzung Unternehmer/Verbraucher

Im konkreten Fall war streitig, ob eine Ebay-Verkäuferin unter den Unternehmerbegriff fiel. In seiner Entscheidung (vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06) urteilte der BGH, dass ein Warenangebot von 91 Artikeln im Zeitraum von Mitte Januar bis Mitte Februar 2004 und vom 24. Juni bis 1. Juli 2004 ein gewerbliches Handeln nahelege. Neben der Höhe des Warenangebots spreche hierfür auch die Tatsache, dass die Verkäuferin Schmuckstücke, Handtaschen, Sonnenbrillen und Schuhe zum Verkauf angeboten hatte und sich diese Artikel auf wenige Produktbereiche konzentrierten. Zudem lege auch eine gewisse Anzahl an Käuferbewertungen ein gewerbliches Handeln nahe; so sollen nach Ansicht des BGH mehr als 25 Feedback-Bewertungen für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit ausreichen. Mit insgesamt 74 Bewertungen (davon 66 bei Verkäufen) im Zeitraum vom 4. November 2003 bis 11. August 2004 war dies vorliegend erfüllt. Schließlich – so der BGH – sprechen auch die Verkaufsaktivitäten für Dritte, also die Bündelung und Präsentation von Angeboten für Dritte, für eine kommerzielle Tätigkeit. Aufgrund dieser Gesamtschau stufte der BGH die Verkäuferin als Unternehmerin i.S.v. § 14 BGB ein.

OLG Hamm: 552 angebotene Artikel in eineinhalb Monaten und 26 Verkäuferbewertungen pro Monat sprechen für gewerbliches Handeln

In dieser Entscheidung (vom 15.03.2011; Az. I-4 U 204/10) bejahte das OLG Hamm die Unternehmereigenschaft eines Online-Händlers unter dem Aspekt, dass dieser auf einer Internetplattform innerhalb von eineinhalb Monaten ca. 550 Artikel (insbesondere Schallplatten und Bierkrüge) zum Verkauf anbot (letztlich verkauft wurden lediglich 175 Produkte). Ferner – so das OLG Hamm in Anlehnung an den BGH – spreche die Anzahl an erhaltenen Verkäuferbewertungen (855 Bewertungen in ca. 3 Jahren, bzw. durchschnittlich 26 Bewertungen pro Monat) für eine gewerbliche Tätigkeit. Da es den angebotenen Produkten zudem an der Geschlossenheit und Ähnlichkeit fehlte (die Schallplatten enthielten unterschiedlichste Musikrichtungen und wurden teilweise mehrfach angeboten; zudem wurden noch ganz andere Produkte zum Verkauf angeboten), konnte der Händler den Anschein gewerblichen Handelns aus Sicht der Hammer Richter auch nicht durch den Einwand ausräumen, dass er Sammler sei und seine große private Sammlung verkaufe.

OLG Hamm: Bei ca. 80 Geräten in der Regel kein Privatverkauf

Anfang 2012 beschloss das OLG Hamm (Beschl. v. 05.01.2012, Az. I-4 U 161/11 PKH), dass der Verkauf einer begrenzten Anzahl von defekten Digitalkameras sehr wohl gewerblich ist, soweit hierbei nicht rein private Vorräte abgestoßen werden. Im zugrundeliegenden Fall hatte die Beklagte von einem Bekannten aus dessen gewerblichen Vorrat ca. 80 Kameras erhalten, die ansonsten entsorgt worden wären; die Beklagte fand die Geräte jedoch „zu schade“ für den Abfall. Anschließend verkaufte sie die Kameras im Zeitraum von vier Monaten über eBay und erzielte dabei etwa 400 Euro. Dies wurde – entgegen der Ansicht der Beklagten – als gewerblicher Handel klassifiziert, da sie wiederholt gleichartige Gegenständen zum Verkauf anbot; gerade auch die Anzahl von ca. 80 Geräten spräche gegen einen Privatverkauf. Der unentgeltliche Erwerb war eben gerade nicht rein privater Natur, sondern von dem Gedanken motiviert, die Geräte wären „zu schade“ für die Entsorgung – das spricht jedoch letztlich dafür dass der wirtschaftliche Wert der Ware und ein gewisses Gewinnerzielungsinteresse bei der Übernahme der Kameras im Vordergrund standen.

OLG Koblenz: Ebay-Username ist kein Indiz für privates Handeln

Diese [% Urteil id="5410" text="Entscheidung   (vom 30.7.2008, Az. 5 U 397/08)" %] befasst sich mit der Frage, inwieweit ein Ebay-Nutzername als Indiz für die Verbrauchereigenschaft des Vertragspartners dienen kann. Im konkreten Fall wurde ein Goldcollier von einer GmbH unter dem Nutzernamen „jocus…“ erworben. Der GmbH-Geschäftsführer wollte den Vertrag widerrufen und berief sich hierbei auf seine Rechte als Verbraucher. Das OLG Koblenz urteilte daraufhin, dass es für die Frage nach der Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft auf den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich angemeldeten Nutzer und nicht auf den verwendeten Usernamen ankäme. Auch wenn der Username (hier: „jocus…“) neutral sei bzw. auf eine Privatperson als Vertragspartner hindeuten könne, sei allein die GmbH als der tatsächlich angemeldete Nutzer Vertragspartner geworden. Bei dieser handelt es sich um einen Unternehmer nach § 14 BGB.

OLG Frankfurt: „Eine Verkaufstätigkeit über die elektronische Handelsplattform eBay ist regelmäßig als gewerblich einzustufen, wenn der Anbieter als „PowerSeller” registriert ist. (…)

Die (freiwillige) Registrierung als „PowerSeller” ist jedoch umgekehrt keine notwendige Voraussetzung für die Bewertung einer Internet-Verkaufstätigkeit als unternehmerisch. Diese Einstufung kann sich vielmehr auch aus anderen Umständen des Einzelfalls ergeben, wobei der Dauer und dem Umfang der Verkaufstätigkeit wesentliche Bedeutung zukommt.“ (Urteil vom 21.03.2007, Az. 6 W 27/07). Im konkreten Fall hatte der Angeklagte 484 bewertete Geschäfte getätigt. Die Tatsache, dass die zum Verkauf angebotenen Produkte aus einer privaten Sammlung stammten, also nicht zuvor eingekauft wurden, ändere – so das OLG – nichts an der Annahme einer gewerblichen Tätigkeit. Zutreffend sei jedoch die Annahme, dass das Merkmal des Weiterverkaufs im Unterschied zu privaten Gelegen¬heitsverkäufen für eine gewerbliche Tätigkeit spreche, während Verkäufe aus einem privaten Bestand eher dem nicht unternehmerischen Bereich zuzuordnen seien.

Zum Problemfeld Ebay („Power-Seller“, Beweislast) sei darüber hinaus auf die folgenden Artikel verwiesen:

LG München: Handel mit teuren antiken Waren spricht für Unternehmereigenschaft

In diesem Urteil (vom 7.4.2009, Az. 33 O 1936/08) bejahte das Gericht die Unternehmereigenschaft eines Händlers unter dem Gesichtspunkt, dass dieser hochwertige antike Gegenstände (mit einem Einzelpreis zwischen 500-1000 €; der Wert des gesamten Warenangebots lag bei etwa 4000 €) über Ebay kaufte und veräußerte. Aufgrund des hohen Warenwertes handele es sich hierbei – so das LG München – nicht mehr um Alltagsgegenstände, so dass für die Abgrenzung von privaten und unternehmerischen Geschäften an die Anzahl der getätigten Käufe und Verkäufe keine hohen Anforderungen zu stellen seien. Ferner lasse auch die Tatsache, dass Besichtigungstermine im Rahmen der Vertrags¬verhandlungen vereinbart wurden, auf eine Betriebsorganisation schließen, die für eine unternehmerische Tätigkeit spreche.

AG Münster: Verwendung einer geschäftlichen Email-Adresse und Lieferanschrift als Indiz für unternehmerisches Handeln

Diese Entscheidung (vom 6.2.2007, Az. 6 C 4090/06) ist insofern aufschlussreich, als sie wichtige Kriterien für die Annahme einer Unternehmereigenschaft nennt. So soll nach Ansicht des AG Münster eine Person dann als Unternehmer gehandelt haben, wenn für die Durchführung von Bestellungen eine geschäftliche Email-Adresse (also eines Unternehmens) verwendet, als Lieferanschrift die Anschrift des Geschäftes angegeben und Zahlungen vom Geschäfts¬konto getätigt wurden. Dies lasse den Schluss zu, dass das in Frage stehende Rechtsgeschäft (hier: die Bestellung von Dunstabzugshauben) für die betriebliche Tätigkeit bestimmt war. Der bloße Umstand, dass als Besteller nur der Name der Privatperson, nicht jedoch der Name des Gewerbebetriebs aufgeführt war, führt – so das AG Münster – zu keinem anderen Schluss.

Weitere wichtige Kriterien stellen auch die Art der Ware, die Häufigkeit der Tätigkeit oder der Zeitraum des Angebots dar.

OLG Hamm: 60 Bewertung in einem Jahr, Verkauf von 260 neuwertigen Akkus

In diesem Urteil (vom 17.01.2013, OLG Hamm) bejahte das Gericht die Unternehmereigenschaft des Beklagten, der 250 Akkus als neu in verschiedenen Verpackungen über eBay angeboten hatte.

"Hauptstreitpunkt der Parteien ist es hier, ob der Beklagte im Rahmen seiner unstreitigen Internetangebote als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG anzusehen ist, der als solcher auch geschäftliche Handlungen vorgenommen hat. Das ist im Rahmen einer Gesamtschau der Umstände dieses Falles zu würdigen und zu bejahen. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr, an das im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, setzt lediglich eine auf eine gewisse Dauer angelegte, selbständige wirtschaftliche Betätigung voraus, die darauf gerichtet ist, Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt zu vertreiben. Eine solche Betätigung liegt nahe, wenn ein Anbieter auf Internet-Plattformen wiederholt mit gleichartigen, insbesondere auch mit neuen Gegenständen handelt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, § 2 Rdn. 23). Dabei können neben der Art der angebotenen Waren auch die Anzahl der getätigten Verkäufe und die Zahl der vorliegenden Bewertungen durch die Käufer entscheidend sein. Eine Anzahl von 74 Bewertungen in etwa 10 Monaten ist dabei als erhebliches Indiz gewürdigt worden (vgl. BGH GRUR 2009, 871, 873 –Ohrclips).

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen sprechen hier für eine gewerbliche Tätigkeit neben den 60 Bewertungen in einem Jahr die Art und der Umfang der Verkaufstätigkeit, insbesondere in Zusammenhang mit den B Akkus. Dabei ging es um 250 Akkus gleicher Art, die neu waren und vom Beklagten auch ausdrücklich als neuwertig verkauft wurden. Das Angebot und der Verkauf der Akkus in einer so großen Anzahl erfolgten nach den vorgelegten Bewertungen in losen Mengen, und zwar teils von 2 Akkus, aber teils auch von 4 Akkus, sowie gelegentlich auch von einzelnen Produkten. Dadurch zogen sich die Verkäufe über einen längeren Zeitraum hin. Bei dem Angebot der kleinen Mengen wurde jeweils darauf hingewiesen, dass neben der angebotenen Menge zu dem genannten Preis auch größere Mengen zur Verfügung stünden. Diesem Anschein einer dauerhaften gewerblichen Tätigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte diese 250 Akkus von seinem Arbeitgeber geschenkt bekam und es sich deshalb um private Verkäufe aus dem Privatvermögen gehandelt haben könnte. Der Senat hat im Falle eines Angebots von 299 kg Kirschkernen im Internet, die der Anbieter von seinem Vater geschenkt erhalten hat, wegen des Umfangs der überlassenen Menge, die den Rahmen einer sozusagen spielerischen Verkaufstätigkeit sprengte, eine gewerbliche Tätigkeit angenommen (vgl. Urteil vom 27. Mai 2010 –4 U 48 / 10). Zwar waren dem Sohn im damaligen Fall die Kirschkerne gerade zu dem Zweck überlassen wurden, sie bei eBay zu verkaufen. Im vorliegenden Fall soll die unentgeltliche Überlassung der Akkus an den Beklagten zu dem Zweck erfolgt sein, sie im Rahmen von dessen Hobby nutzen zu können, also privat. Zum Zeitpunkt der Überlassung war demnach hier eine wirtschaftliche Verwertung noch nicht vorgesehen. Dazu kam es erst, als der Beklagte erkannte, dass die Nutzung der Akkus im Rahmen seiner Modellspielzeuge zwar nicht unmöglich, aber jedenfalls unpraktisch war. Erst danach bot der Beklagte die Akkus in kleinen Mengen auf seinem eBay-Account an, um sie besser und mit größerem Ertrag absetzen zu können. Angesichts dieser besonderen Umstände ist aber ein entscheidender Unterschied zum Kirschkernfall nicht ersichtlich. Es wurde dem Beklagten unentgeltlich ein Sondervermögen aus einem Neuwarenbestand zur Verfügung erstellt, welches mit seinem Privatvermögen nichts zu tun hatte. Dieses Sondervermögen erhielt der Beklagte im Hinblick auf sein Hobby geschenkt. Als er es dafür nicht verwenden konnte (oder wollte), veräußerte er es nach einer Stückelung in ganz kleine Einheiten geschäftsmäßig zu seinem wirtschaftlichen Vorteil. Es mag zwar sein, dass auch ein privater Verkäufer bei einer eBay-Versteigerung für Objekte aus seinem Privatvermögen einen besonders guten Preis erzielen will. Das spricht dann nicht allein für ein gewerbliches Handeln. Etwas anderes ist es aber, wenn eine schenkweise überlassene große Anzahl neuer Gegenstände besonders einträglich nach und nach im Fernabsatz veräußert werden soll. Die Kontrollüberlegung ist, dass bei Verneinung eines geschäftlichen Handelns in einem solchen Fall größere Margen neuer Handelsgegenstände, die von einem Unternehmen nicht mehr benötigt würden, an Privatleute verschenkt und von diesen dann privat in Konkurrenz zu den damit geschäftlich handelnden Unternehmen ohne Rücksicht auf die Verbraucherschutzrechte veräußert werden könnten. Das könnte einem Missbrauch solchen Warenüberlassungen Tür und Tor öffnen."

Fazit

Ob ein Verhalten bzw. ein Rechtsgeschäft dem privaten oder dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist, hängt von dessen Zweck ab, der sich nach überwiegender Ansicht anhand objektiver Umstände aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts ergibt. Mögliche Indizien bei dieser Beurteilung können z.B. die Art der Ware, die Häufigkeit der Tätigkeit, der Zeitraum des Angebots oder das Auftreten der Vertragsparteien sein (für weitere Kriterien, siehe die oben aufgeführten Gerichtsentscheidungen). Eine detaillierte Analyse des Einzelfalls bleibt hierdurch aber nicht erspart. Dabei trägt immer diejenige Vertragspartei die Beweislast, die sich auf die Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft beruft.

Eine Möglichkeit, sich als Onlinehändler über die Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft des Vertragspartners zu vergewissern und dadurch beispielsweise die Widerrufsmöglichkeiten des Käufers bei Fernabsatzverträgen nach §§ 312b, 312d i.V.m. § 355 BGB auszuschließen, besteht in der Einschränkung des Verkaufsangebots auf Gewerbetreibende (siehe hierzu den ausführlichen Leitfaden:  „Verkauf ausschließlich an Gewerbetreibende!“ – Oder: Die Vorteile des B2B-Handels abmahnsicher nutzen.)

Quellenangabe: §§ 13, 14 BGB aus: Bamberger/Roth - Beck'scher Online-Kommentar, Stand 2010; Erman/ Saenger, BGB-Kommen¬tar, Stand 2008; Palandt, BGB-Kommentar, Stand 2010.

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1 Kommentar

P
Palandt, Otto 17.07.2017, 16:24 Uhr
Graf
Mal angenommen ein Musikhändler bietet auf der Internetplattform eBay eine Sammler-Gitarre, für einen Startpreis von einem Euro, an. Der geschätzte Wert liegt bei etwa 120€. 
Es ist nicht bekannt wieviele Produkte dieser Musikhändler bereits über eBay verkauft hat, wieviele Bewertungen er erhalten hat oder sonst irgendein Anhaltspunkt an dem man seine gewerbliche Tätigkeit auf dieser Webseite festmachen könnte. 
Ausgehend von der Tatsache dass er mit dem Verkaufen von Musikinstrumenten auch außerhalb von eBay Geld macht, könnte er schon deshalb als Unternehmer bei eBay gelten? 

Über eine schnelle Antwort würde ich mich sehr freuen. 

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