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OLG Köln: Kein Rechtsverstoß bei Verwendung von zwei unterschiedlichen Widerrufsbelehrungen für unterschiedliche Waren im Online-Shop

22.06.2021, 08:23 Uhr | Lesezeit: 8 min
OLG Köln: Kein Rechtsverstoß bei Verwendung von zwei unterschiedlichen Widerrufsbelehrungen für unterschiedliche Waren im Online-Shop

Online-Händler müssen Verbraucher im Online-Shop vorab über das gesetzliche Widerrufsrecht unterrichten. Allerdings unterscheidet der Gesetzgeber bei dem gesetzlichen Muster für die Widerrufsbelehrung hinsichtlich der Belehrung über die Rechtsfolgen zwischen paketversandfähiger und nicht paketversandfähiger Ware (z. B. Speditionsware). Das OLG Köln hat mit Urteil vom 23.04.2021, Az. 6 U 149/20, entschieden, dass es nicht gegen die Informationspflichten aus §§ 312d BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB verstößt, wenn der Händler im selben Shop jeweils eine Widerrufsbelehrung für Speditionsware und für Standardware vorhält. Die Hintergründe zu der Entscheidung erläutern wir im folgenden Beitrag.

Sachverhalt

Die Beklagte vertreibt über ihren Internetshop neben Spielgeräten aus Holz für den Außenbereich auch Kinderbetten und Matratzen. Vor Abschluss eines Kaufvertrages muss der Verbraucher durch Setzen eines Häkchens bestätigen, dass er u.a. die Widerrufsbelehrung der Beklagten zur Kenntnis genommen hat. Klickt er den Hyperlink „Widerrufsbelehrung“ an, erhält der Verbraucher zwei Widerrufsbelehrungen, eine zum „Widerrufsrecht für den Kauf nicht paketfähiger Waren (Speditionswaren)“ und die zweite zum „Widerrufsrecht für den Kauf paketfähiger Waren (Standardware)“.

Sie unterscheiden sich in ihren Angaben zu den „Folgen des Widerrufs“, nämlich wer die Kosten der Rücksendung zu tragen hat. Nach auch insoweit zunächst gleichen Ausführungen heißt es zu den Speditionswaren „Wir holen die Ware ab. Wir tragen die Kosten der Rücksendung der Waren“ und zu den Standardwaren „Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.“ Anschließend wird jeweils ein Widerrufsformular angeführt.

Der Verbraucher erhält vor Vertragsschluss keine Informationen darüber, ob es sich um paketfähige (Standardware) oder nicht paketfähige Ware (Speditionsware) handelt.

Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, hat die Werbung als wettbewerbswidrig gerügt und die Beklagte zunächst erfolglos abgemahnt. Er war der Ansicht, der Verbraucher werde nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend über das ihm nach § 312g BGB zustehenden Widerrufsrecht belehrt. Da der Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrages nicht erfahre, ob es sich bei der von ihm bestellten Ware um Standardware oder um Speditionsware handele, bleibe unklar, was im Falle des Widerrufs hinsichtlich der konkreten Bestellung gelte, ob also die Ware beim Verbraucher abgeholt werde oder er sie selbst zurücksenden müsse, innerhalb welchen Zeitraums dies zu erfolgen habe und wer die Kosten für die Rücksendung der Ware zu tragen habe.

Das LG Aachen (Urt. v. 27.11.2020 – 42 O 38/20) hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

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Entscheidung des OLG Köln

Das OLG Köln entschied, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht, da die Beklagte ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert habe.

Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB muss der Unternehmer den Verbraucher zunächst über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 informieren. Zudem muss nach Art. 246a § 1 Absatz 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB gegebenenfalls darüber informiert werden, dass der Verbraucher im Widerrufsfall die Kosten für die Rücksendung der Waren zu tragen hat, und bei Fernabsatzverträgen zusätzlich über die Kosten für die Rücksendung der Waren, wenn die Waren auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht auf dem normalen Postweg zurückgesendet werden können.

Diesen Anforderungen genügen die Widerrufsbelehrungen der Beklagten nach Auffassung des Gerichts.

"Die Widerrufsbelehrungen der Beklagten entsprechen diesen gesetzlichen Vorgaben. Die Beklagte informiert darüber, dass der Verbraucher die Kosten für eine Rücksendung der Ware per Post zu tragen hat, bei Speditionsware dagegen die Kosten für die Rücksendung selbst übernimmt. Das mit „nicht paketfähiger Waren (Speditionswaren)“ Ware gemeint ist, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht auf dem normalen Postweg zurückgesendet werden kann, ist für den angesprochenen informierten Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtlich. Über die Höhe der anfallenden Kosten bei Rücksendung der Waren auf dem normalen Postweg muss der Unternehmer nicht informieren. Angaben zur Höhe der Kosten, wenn die Ware aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht auf dem normalen Postweg zurückgesandt werden kann, bedarf es dann nicht, wenn – wie hier – der Unternehmer diese Kosten selbst übernimmt."

Entgegen der Auffassung des Klägers müsse die Beklagte vor Abschluss des Kaufvertrages nicht darüber informieren, ob die Ware im Falle des Widerrufs auf normalem Postweg zurückgesendet werden kann.

"Dass die Beklagte vor Abschluss des Kaufvertrages mitteilen muss, ob die Ware im Falle des Widerrufs auf normalem Postweg zurückgesendet werden kann, ergibt sich aus den vertragsrechtlichen Informationspflichten zum Widerrufsrecht nicht. Der Gesetzgeber geht insoweit von einem rein tatsächlichen Abgrenzungskriterium für die Begründung einer Holschuld aus, nämlich ob die Waren so beschaffen sind, dass die nicht per Post – d.h. auch nicht mehr als Paket (s. Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 357 Rn. 7) – versendet werden können. Exakt dieses Kriterium greift die Beklagte mit ihrer Formulierung „paketfähiger Waren“ / „nicht paketfähiger Waren“ auf."

Die Belehrung der Beklagten genüge auch den Anforderungen des Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB. Danach muss der Unternehmer dem Verbraucher die Information zum Widerrufsrecht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen.

"Diesem Transparenzgebot ist vorliegend Genüge getan. Die Widerrufsbelehrungen sind über einen einfachen Klick / Link zugänglich. Sie sind gut lesbar und inhaltlich verständlich. Sie gleichen der Musterwiderrufsbelehrung aus der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB. Die Widerrufsbelehrungen sind auch nicht in sich widersprüchlich. Die eine gilt für Waren, die so beschaffen sind, dass sie per Post zurückgesandt werden können, und die andere für Waren, die nicht so beschaffen sind. Der Verbraucher erfährt, dass er im einen Fall die Kosten für die Rücksendung zu tragen hat, im anderen nicht. Mehr ist nach den vertragsrechtlichen Informationspflichten nicht erforderlich."

Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Beklagte auch nicht gem. § 5a UWG verpflichtet gewesen, vor Abschluss des Kaufvertrages über die Zuordnung der Ware zur Speditionsware oder Standardware zu informieren, damit für den Verbraucher erkennbar sei, welche Widerrufsbelehrung einschlägig ist.

"Der Ansicht des Klägers, dass eine solche Zuordnung unter Irreführungsgesichtspunkten zu erfolgen habe, kann nicht beigetreten werden. Ob die einzelne Ware so beschaffen ist, dass sie noch als Paket per Post zurückgesandt werden kann, ist keine wesentliche Information i.S.d. § 5a UWG, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte."

Auch könne aus § 5a UWG keine weitergehenden Informationen als aus den gesetzlichen Regelungen zum Widerrufsrecht hergeleitet werden.

„Aus § 5a Abs. 4 UWG können zunächst keine weitergehenden Informationspflichten hergeleitet werden als aus den o.a. vertragsrechtlichen Regelungen, die der Umsetzung der Art. 6 bis 8, 11 der Verbraucherrechte-RL dienen.

Nach § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG ist eine wesentliche Information (nur) das Bestehen eines Rechts zum Widerruf. Insoweit genügt der Hinweis auf das Bestehen des Rechts, Angaben über seine Ausübung sind nach § 5a UWG nicht erforderlich (s. KBF / Köhler, UWG, 39. Aufl., § 5a Rn. 4.50).“

Ferner sei eine Information seitens der Beklagten darüber, bis zu welcher Größe Ware noch auf dem normalen Postweg versendet werden kann, nicht erforderlich, da dem Verbraucher dies allgemein bekannt sei und er dies anhand der ihm zur Verfügung stehenden Produktinformationen zumindest in etwa abschätzen könne.

"Eine Information seitens der Beklagten darüber, bis zu welcher Größe Ware noch auf dem normalen Postweg versendet werden kann, benötigt der Verbraucher nicht. Diese Information ist ihm allgemein bekannt bzw. ohne weiteres zugänglich. Sie steht in keinem Zusammenhang speziell mit der Beklagten. Der Verbraucher kann anhand der ihm zur Verfügung stehenden Produktinformationen auch zumindest in etwa abschätzen, ob ein Produkt noch per Post versandt werden kann (z.B. ein kleineres Zubehörteil) oder nicht (z.B. ein Spielturm oder Spielbett). Dem Verbraucher ist zudem bewusst, welche Kosten auf ihn bei einem Widerruf und Rücksendung der Ware – maximal – zukommen können, nämlich allenfalls die eines großen Pakets und jedenfalls keine Speditionskosten."

Ob die Ware im konkreten Einzelfall noch per Post zurückgesandt werden kann, richte sich schließlich nicht nur nach der Beschaffenheit/Größe der einzelnen Produkte, sondern auch nach der Gesamtbestellmenge, die die Beklagte vor Abgabe einer Bestellung noch gar nicht kennen könne. Vor diesem Hintergrund könne von der Beklagten unter Berufung auf das gesetzliche Widerrufsrecht auch nicht verlangt werden, dass diese zu Beginn eines jeden Produkts angibt, ob es sich um Speditionsware oder paketfähige Ware handelt.

Fazit

Das OLG Köln hat entschieden, dass es nicht gegen die Informationspflichten aus §§ 312d BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB verstößt, wenn der Händler im selben Shop jeweils eine Widerrufsbelehrung für Speditionsware und für Standardware vorhält. Diese Entscheidung ist aus Sicht des Online-Handels zu begrüßen, da sie den Händlern die Umsetzung der manchmal doch etwas praxisfernen gesetzlichen Informationspflichten erleichtert. Gleichwohl handelt es sich nur um eine Entscheidung über einen konkreten Einzelfall, die nicht ohne Weiteres auf andere Fälle übertragen werden kann. Händler sollten bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben daher nicht zu kreativ sein, da dies schnell in ein Abmahnungsrisiko münden könnte. Im Zweifel sollte sich der Händler zur Vermeidung eines unnötigen Risikos anwaltlichen Rat einholen.

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