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Die rechtliche Position: des Außenseiters (8. Teil der Serie zu selektiven Vertriebssystemen)

15.03.2011, 18:39 Uhr | Lesezeit: 6 min
Die rechtliche Position: des Außenseiters (8. Teil der Serie zu selektiven Vertriebssystemen)

Im 8. Teil der Serie der IT-Recht Kanzlei wird auf die rechtliche Position eines nicht zu einem selektiven Vertriebssystem gehörenden Händlers eingegangen. Hat er einen Anspruch auf Aufnahme oder kann er die Waren trotzdem verkaufen? Die nicht in das selektive System zugelassenen Händler werden Außenseiter genannt. Im Folgenden wird auf ihre rechtliche Position und ihre Möglichkeiten eingegangen.

A. Anspruch auf Aufnahme in das System? Anspruch auf Wiederaufnahme der Belieferung nach einer Einstellung der Belieferung?

Außenseiter möchten häufig in das selektive System aufgenommen werden. Oft verweigert der Anbieter dies. Doch den Außenseitern kann ein Anspruch auf Aufnahme zustehen, wenn sie bereit und in der Lage sind, die objektiven Auswahlkriterien zu erfüllen.

Der Anspruch ergibt sich aus dem Unterlassungsanspruch nach §§ 20 Abs.1, Abs. 2, 33 Abs. 1 GWB und ist dann auf Aufnahme der Belieferung gerichtet. Die Regelung ist das Gegengewicht und der Kontrollmechanismus für das subjektive Recht der Unternehmen ihre unternehmerische Freiheit zur Errichtung eines selektiven Vertriebssystems zu nutzen. Da durch diese Freiheit die Gefahr des Missbrauchs besteht, unerlaubte Ziele für ein Vertriebssystem aufzustellen, gewährt §§ 20 Abs. 1, 2 33 Abs.1 S.1 GWB einen Anspruch auf Aufnahme in den Vertragshändlerkreis. Dadurch muss der Anbieter seine Kriterien für das Vertriebssystem offenlegen und gerichtlich überprüfen lassen.

Zudem gibt es die Situation, in der ein Händler zunächst zugelassener Vertragshändler des Herstellers war. Nachdem der Händler eine Vorgabe des Herstellers nicht einhält, stellt der Hersteller die Belieferung des Händlers ein. Der Händler möchte vom Hersteller dennoch weiter beliefert werden. Auch dieser Anspruch auf Wiederaufnahme der Belieferung ergibt sich aus dem Unterlassungsanspruch nach §§ 20 Abs.1, Abs. 2, 33 Abs. 1 GWB.

Die wesentlichen Voraussetzungen sind:

I. Missbrauch einer marktbeherrschenden / marktstarken Stellung § 20 Abs.1 GWB

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1. Marktbeherrschende / marktstarke Stellung

Marktbeherrschung nach Abs.1 liegt vor, wenn ein Unternehmen auf seinem Markt keinem wesentlichen Wettbewerb mehr ausgesetzt ist. Nach deutscher Rechtslage wird die Marktbeherrschung vermutet bei einem Marktanteil von mehr als 33,3%.

Unternehmen, die den Markt noch nicht beherrschen, aber von denen andere (kleine und mittlere) Unternehmen abhängig sind, sind markstark nach Abs.2. Abhängigkeit ist in diesem Zusammenhang gegeben, wenn die Unternehmen keine ausreichende oder zumutbare Ausweichmöglichkeit auf andere Unternehmen haben.
Die Marktbeherrschung kann sich auch aus einer gemeinsamen Marktbeherrschung mehrerer Unternehmen ergeben, wenn jedes Unternehmen allein betrachtet noch nicht marktbeherrschend ist. Dabei wird die gemeinsame marktbeherrschende Stellung nach deutschem Recht in zwei Fällen vermutet: drei oder zwei Unternehmen haben einen Marktanteil von mindestens 50% oder eine Gruppe von fünf oder weniger Unternehmen hat einen Marktanteil von mehr als 66,6%.

2. Missbrauch dieser Stellung

a. Allgemein
Grundsätzlich gilt die Privatautonomie, in deren Rahmen das Ziel, Konkurrenten und andere Unternehmen zu übertrumpfen legitim, ist. Aber bei beherrschender Stellung muss diese nach dem Willen des Gesetzgebers fair und diskriminierungsfrei angewendet werden.

Beispiele für einen Missbrauch:

  • Preisdiskriminierung: Das Unternehmen darf nicht ohne sachlichen Grund höhere Preise von einzelnen Kunden verlangen. Ein sachlicher Grund wäre gegeben, wenn sich wegen einer höheren Abnahmemenge Ersparnisse bei Kostenpunkten wie Produktion oder Vertrieb ergeben.
  • Lieferverweigerung: Mit der Maßnahme der Lieferverweigerung oder auch nur mit dem Androhen einer solchen, dürfen marktbeherrschende Unternehmen nicht ihre Forderungen gegenüber ihren Abnehmern durchsetzen. Eine Ausnahme hiervon kann bei selektiven Vertriebssystemen gegeben sein, sog.  Auslistung: darunter versteht man, dass ein marktbeherrschender Abnehmer von einem Lieferanten nicht mehr kauft, um bei ihm günstigere Preise durchzusetzen.

b. Bei selektiven Vertriebssystemen:
Grundsätzlich können die Anbieter aufgrund der unternehmerischen Freiheit ihre Vertriebswege selbst bestimmen. Baut ein Anbieter ein (qualitatives oder quantitatives) selektives Vertriebssystem auf, so werden Abnehmer, die nicht zugelassen werden, benachteiligt. Soweit die Selektion in einer zulässigen Weise vorgenommen wird, liegt jedoch eine sachliche Rechtfertigung und keine Diskriminierung vor.

Hat ein Händler einen qualitativen Selektivvertrieb aufgebaut, so kann er nichtzugelassene Unternehmen von der Belieferung ausschließen. Allerdings darf er dabei nicht diskriminieren. Das bedeutet, dass er die für die Selektion aufgestellten Kriterien unterschiedslos anwenden muss, also alle Unternehmen, welche die Kriterien erfüllen, zulassen und alle, die sie nicht erfüllen, nicht aufnehmen.

Weiter kann auch ein quantitativer Selektivvertrieb kann schutzwürdig sein, wie wenn etwa das gesamte Vertriebsgebiet in einzelne Händlergebiete aufgeteilt wird und es dabei keinen Gebietsschutz für die einzelnen Händlergebiete gibt.

Und schließlich kann auch bei einem Selektivvertrieb mit qualitativen und quantitativen Voraussetzungen ein Händler, der die qualitativen Anforderungen erfüllt, gerechtfertigter Weise nicht zugelassen werden.
Weiter gewährt die unternehmerische Freiheit den Händlern auch das Recht den bisherigen Vertrieb auf einen selektiven Vertrieb umzustellen und dabei diejenigen Abnehmer, welche die Kriterien nicht erfüllen, nicht mehr zu beliefern. Allerdings muss das Vertriebssystem überprüfbar sein und die Kriterien den Abnehmern bekannt gemacht werden. Zudem müssen die Kriterien innerhalb des Gebiets, in dem das selektive System gilt, diskriminierungsfrei angewandt werden.

In all diesen Fällen liegt kein Missbrauch vor. Somit besteht kein Anspruch auf Zulassung. Nur, wenn ein Händler entgegen der gerade dargestellten Kriterien ausgeschlossen wird, kann sich der Anspruch auf Zulassung ergeben.

Kurzaufbau einer Prüfung:

1. Nach welchem Kriterium diskriminiert der Gegner?
2. Ist das Diskriminierungskriterium zulässig?
3. Wenn ja, wird das Diskriminierungskriterium unterschiedslos angewendet?

3. Relevanter Markt

Abzustellen ist auf den relevanten Markt, der gebildet wird aus allen Konkurrenz- oder Substitutionsprodukten.

B. Darf ein nicht zugelassener Außenseiter trotzdem Vertragsprodukte verkaufen?

In der Praxis können Außenseiter Vertragsware über Umwege beziehen. So kann er von Endverbrauchern gebrauchte oder neue Ware ankaufen oder er bekommt sie von einem vertragsbrüchigen Vertragshändler geliefert.

I.
Grundsätzlich ist der Außenseiter durch die selektive Vertriebsvereinbarung nicht gebunden, da er ja gerade kein Vertragspartner des Anbieters ist.

Weiterhin dürfen dem Anbieter keine urheber- oder markenrechtlichen Ansprüche gegen den Außenseiter zustehen. Wurde die Ware durch den Verkauf an den vertragsbrüchigen Vertragshändler mit dem Willen des Anbieters (als Urheber/Markeninhaber) in den Wirtschaftsverkehr eingebracht, erlöschen nach dem Erschöpfungsgrundsatz dadurch die urheber- und markenrechtlichen Ansprüche.

II.
Aber Ansprüche des Anbieters gegen den Außenseiter auf Unterlassung können sich aus dem Wettbewerbsrecht, genauer aus §§ 3 Abs. 1, 4 Nr.10 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) ergeben.
Diese lauten:

§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen.
(…)

§ 4 Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen
Unlauter handelt insbesondere, wer
(…)
10. Mitbewerber gezielt behindert;

Eine derartige gezielte Behinderung liegt in zwei Fällen vor:

  • wenn der Vertragshändler durch den Außenseiter zum Vertragsbruch verleitet wird, oder
  • bei einem unlauterer Schleichbetrug.

Das reine Ausnutzen eines Vertragsbruchs eines Vertragshändlers durch einen Außenseiter stellt noch keine Verleitung des Außenseiters dar. Erst durch Druckausübung oder sonstige unangemessene, unsachliche Beeinflussung seitens des Außenseiters ist der Anspruch des Anbieters gegeben. Das heißt andersrum, dass bis zu dieser Grenze der Außenseiter Ware von einem Vertragshändler kaufen kann.

Ein unlauterer Schleichbetrug ist gegeben, wenn der Außenseiter dem Vertragshändler aktiv vortäuscht, dass er eine Kaufberechtigung hat, also z.B., dass er zum selektiven Vertriebssystem gehöre. Allerdings liegt eine solche Täuschung nicht allein in einem Kaufangebot oder einer Lieferanfrage. Ein Schleichbezug liegt jedoch auch vor, wenn der Händler Ware in haushaltsüblichen Mengen kauft und dabei seine Weiterverkaufsabsicht nicht offen legt, sondern wie ein Endverbraucher auftritt. Das Ankaufen der Ware von Endkunden ist jedoch kein Schleichbetrug.

Liegt eine gezielte Behinderung im Sinne der §§ 3,4 UWG vor, so ist der Anspruch auf Unterlassung des Verkaufs der Ware durch den Außenseiter gerichtet. Dazu mehr im Teil 9 der Serie.

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