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Die Zulässigkeit der unterschiedlichen selektiven Vertriebssysteme - FAQ Teil 4

11.04.2011, 15:33 Uhr | Lesezeit: 5 min
Die Zulässigkeit der unterschiedlichen selektiven Vertriebssysteme - FAQ Teil 4

Im 4. Teil der FAQ der IT-Recht Kanzlei wird auf die Zulässigkeit der unterschiedlichen selektiven Vertriebssyteme eingegangen.

D. Selektive Vertriebssysteme
24. Was sind rein qualitative Vertriebssysteme?
25. Was sind qualifiziert qualitative Selektivvertriebssysteme?
26. Was sind quantitative Selektivvertriebssysteme?
27. Sind rein qualitative Selektivvertriebssysteme zulässig?
28. Sind qualifiziert qualitative Selektivvertriebssysteme zulässig?
29. Sind quantitative Selektivvertriebssysteme zulässig?
30. Was bedeutet die Lückenlosigkeit und ist sie eine Voraussetzung für ein selektives Vertriebssystem?

D. Selektive Vertriebssysteme

1

24.    Was sind rein qualitative Vertriebssysteme?

Bei rein qualitativen Selektivvereinbarungen werden die Händler ausschließlich nach objektiven, qualitativen Kriterien ausgewählt, die sich nach den Anforderungen des betreffenden Produkts richten und zur Wahrung der Qualität des Produkts oder zur Sicherung der richtigen Benutzung des Produkts geeignet und erforderlich sind. Die Händler müssen diese Voraussetzungen erfüllen, um zugelassen zu werden. Die Voraussetzungen ergeben sich aus den Eigenschaften des Produkts. Dadurch wird die Anzahl der Vertragshändler nicht unmittelbar, aber mittelbar beschränkt, da die Händler, welche die Kriterien nicht erfüllen, nicht zugelassen werden. Zudem werden die Weiterverkaufsmöglichkeiten der Händler beschränkt. Sie dürfen typischerweise nicht an nicht zugelassene Händler verkaufen, weil nur so der Anbieter sicherstellen kann, dass sein Produkt nur von den die Voraussetzungen erfüllenden Händlern verkauft wird bzw. der Verbraucher sein Produkt nur bei zugelassenen Händlern erwerben kann. Der Händler kann dadurch nur an zugelassene Händler und an Endverbraucher verkaufen. Selektive Vertriebssysteme kommen hauptsächlich bei Markenendprodukten vor.
Die in einem selektiven Vertriebssystem aufgestellten Kriterien müssen überprüfbar festgelegt werden und den an einer Aufnahme in das System interessierten Händlern offengelegt werden.

25.    Was sind qualifiziert qualitative Selektivvertriebssysteme?

Beim qualifizierten qualitativen Selektivvertrieb werden den Mitgliedern neben den zur Wahrung der Qualität des Produkts oder zur Sicherung der richtigen Benutzung des Produkts erforderlichen qualitativen Kriterien, weitere, für diese Zwecke nicht erforderliche Verpflichtungen auferlegt. Solche sind beispielsweise die Pflicht zur Mitwirkung an Werbemaßnahmen des Herstellers.

26.    Was sind quantitative Selektivvertriebssysteme?

Bei den quantitativen Selektivvertrieben wird (eventuell zusätzlich zu qualitativen Voraussetzungen) die Anzahl der Wiederverkäufer unmittelbar beschränkt. Der Anbieter entscheidet, in welcher Dichte er sein Vertriebssystem aufbauen möchte. Entweder wird die Händleranzahl ausdrücklich beschränkt oder von den Händlern wird bei der Zulassung ein Mindest- oder Höchstumsatz verlangt. Zur ersteren Variante kann auch der Anbieter verpflichtet werden. Das ist insbesondere sinnvoll, da jedem Vertragshändler genügend Marktanteil überbleiben muss, damit der Verkauf des Produkts wirtschaftlich sinnvoll ist. Wiederum dürfen die Händler typischerweise nicht an nichtzugelassene Händler verkaufen. Das Gebot der diskriminierungsfreien Anwendung gilt hier nicht, da die zahlenmäßige Beschränkung bereits eine Diskriminierung vorgibt.

27.    Sind rein qualitative Selektivvertriebssysteme zulässig?

Diese fallen von vornherein nicht unter das Wettbewerbsverbot nach § 1 GWB / Art. 101 AEUV, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Erforderlichkeit des selektiven Vertriebes aufgrund der Beschaffenheit des Produkts, d.h. zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs des betreffenden Produkts (Notwendigkeitsgrundsatz)
  • Die Händler müssen aufgrund objektiver Kriterien und unterschiedslos ausgewählt werden, dabei müssen die objektiven Kriterien einheitlich festgelegt und allen potentiellen Händlern vorgelegt werden (Nichtdiskriminierungsgrundsatz), und
  • Die aufgestellten Kriterien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Damit dürfen auch keine schwarzen (Kernbeschränkungen) oder grauen Klauseln enthalten sein.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann fallen die Vertriebssysteme nicht unter das Verbot, sind also zulässig und somit stellt sich die Frage einer Freistellung nicht.

28.    Sind qualifiziert qualitative Selektivvertriebssysteme zulässig?

Da bei diesen Vertriebssystemen Kriterien aufgestellt werden, die über das zur Wahrung der Qualität des Produkts erforderlich Maß hinaus gehen, verstoßen sie gegen das Kartellverbot nach § 1 GWB / Art. 101 AEUV. Sie können jedoch unabhängig von der Art des Produkts und der Art der Auswahlkriterien vom Verbot freigestellt werden und damit zulässig sein, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • der Anbieter und der Abnehmer haben auf ihrem jeweiligen Markt einen Marktanteil von nicht mehr als 30 %
  • bei Kombination des Selektivvertriebes mit anderen Vertikalvereinbarungen (wie z.B. Wettbewerbsverbote oder Alleinvertriebsvereinbarungen) darf das Recht der Vertragshändler an andere Vertragshändler oder Endverbraucher aktiv zu verkaufen nicht eingeschränkt sein, und
  • Es dürfen keine schwarzen (Kernbeschränkungen) oder grauen Klauseln enthalten sein.

29.    Sind quantitative Selektivvertriebssysteme zulässig?

Diese verstoßen im Regelfall gegen das Wettbewerbsverbot nach § 1 GWB / Art. 101 AEUV. Ausnahmsweise liegt im Einzelfall kein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vor, wenn keine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu einer zahlenmäßigen Beschränkung der zugelassenen Vertriebshändler existiert. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn es bei einem nur begrenzt vorhandenen Produkt durch eine Aufnahme von zusätzlichen Händlern zu einer ungleichmäßigen Belieferung aller Händler käme.
Sie können jedoch unabhängig vom Verbot freigestellt werden und damit zulässig sein, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • der Anbieter und der Abnehmer haben auf ihrem jeweiligen Markt einen Marktanteil von nicht mehr als 30 %
  • bei Kombination des Selektivvertriebes mit anderen Vertikalvereinbarungen (wie z.B. Wettbewerbsverbote oder Alleinvertriebsvereinbarungen) darf das Recht der Vertragshändler an andere Vertragshändler oder Endverbraucher aktiv zu verkaufen nicht eingeschränkt sein
  • Es dürfen keine schwarzen (Kernbeschränkungen) oder grauen Klauseln enthalten sein.

30.    Was bedeutet die Lückenlosigkeit und ist sie eine Voraussetzung für ein selektives Vertriebssystem?

Keine Zulässigkeitsvoraussetzung mehr ist die Lückenlosigkeit eines Systems. Diese früher verlangte Voraussetzung meinte, dass sich das selektive Vertriebssystem auf das gesamte Verkaufsgebiet erstreckt, es also theoretisch keine Lücken gibt. Diese Voraussetzung wurde jedoch von der Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen aberkannt.

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