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„ Das unlesbare Buch“ und die Grenzen des urheberrechtlichen Zitatrechts

29.01.2013, 19:57 Uhr | Lesezeit: 4 min
„ Das unlesbare Buch“ und die Grenzen des urheberrechtlichen Zitatrechts

Unter dem Titel „Das unlesbare Buch“ wollte ein britischer Verlag kommentierte Originalauszüge aus Adolf Hitlers „Mein Kampf“ herausbringen. Der Freistaat Bayern als Inhaber der urheberrechtlichen Verwertungsrechte ging gerichtlich dagegen vor. Eine Veröffentlichung sei eine Urheberrechtsverletzung und dem Verlag daher zu untersagen. Der Verlag berief sich auf das Zitatrecht gemäß § 51 UrhG. Das OLG München (Urteil vom 14.06.2012; Az.: 29U 1204/12) hatte über die Grenzen des urheberrechtlichen Zitatrechts zu entscheiden ...

I. Das Zitatrecht als Schranke des Urheberrechts

Als Urheberrecht wird grundsätzlich das Recht bezeichnet, das in materieller und ideeller Weise das geistige Eigentum schützen soll. Es wird beschränkt durch die Regelungen in den §§ 44a ff. UrhG. Durch diese so genannten Schranken werden die Rechte des Urhebers begrenzt, denn innerhalb der Schranken ist es anderen Personen gestattet, das Werk zu nutzen.

Eine wichtige Schranke stellt das Zitatrecht gemäß § 51 UrhG dar. Danach ist die Verbreitung oder Vervielfältigung von ganzen Werken oder Auszügen möglich, sofern die Nutzung durch ihren besonderen Zweck gerechtfertigt ist.

II. Zulässigkeit eines Zitats

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist (§ 51 UrhG) .

Zulässig ist ein Zitat insbesondere, wenn

  • einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
  • Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
  • einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.

Entscheidendes Kriterium ist dabei stets der Zitatzweck. Darüber hinaus müssen das Änderungsverbot nach § 62 UrhG, sowie das Gebot zur Quellenangabe nach § 63 UrhG eingehalten werden.

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III. Die Entscheidung des OLG München

Das OLG München kam zu dem Schluss, dass sich der Verlag nicht auf das Zitatrecht berufen kann und bestätigte die vorausgegangene Entscheidung des LG München (Urteil vom 08.03.2012; Az.: 7 O 1533/12) zugunsten des Freistaates Bayern. Die vom Verlag beabsichtigte Verwendung von Auszügen aus „Mein Kampf“ sei nicht von einem „hinreichenden Zitatzweck“ getragen und daher nicht gerechtfertigt.

Das Gericht weist in seinem Urteil darauf hin, dass das Zitatrecht zwar eine Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe zulässt – jedoch nur in dem durch den Zitatzweck gebotenen Umfang.

Zu welchen Zwecken ein Zitat zulässig ist, ergebe sich aus der Funktion der Urheberrechtsschranke der Zitierfreiheit. Die Zulässigkeit des Zitatsrechts bedeute einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Urhebers. Deswegen solle ein solcher Eingriff nur dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn sich der Verwender des Zitats damit geistig auseinandersetze und es als gesellschaftliches Ziel einem wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritt dient. Außerdem betont das Gericht, dass Zitate lediglich Belegstellen oder Erörterungsgrundlage für eigenständige Ausführungen des Zitierenden darstellen und keineswegs als zusammenhanglos angehängt werden dürfen. Dabei solle ein Zitat Nebensache bleiben und bloßes Hilfsmittel zum besseren Verständnis der eigenen Gedankenführung sein. Ein Zitatzweck liege nur vor, wenn das als Zitat übernommene Werk dem aufnehmenden Werk diene.

Das zitierende Werk muss also die Hauptsache sein, das Zitat (hier die Auszüge aus „Mein Kampf“) hat Nebensache zu bleiben.

Das war jedoch bei dem zu beurteilenden Werk gerade nicht der Fall. Die Grenze des Zitatzwecks werde durch den Verlag, so das OLG, insofern überschritten, als das zitierte Werk nicht dem neuen Werk diene, sondern das neue Werk lediglich den Rahmen des aufgenommenen Werkes darstelle.

Die in eigenen Spalten wiedergegebenen Textstellen aus „Mein Kampf“ dienten auch nicht als Beleg oder Erörterungsgrundlage für die ihnen zugeordneten Kommentare. Bestätigt werde die Bewertung, dass die spaltenweise Wiedergabe der Textstellen keinem Zitatzweck diene, durch weitere Umstände, z.B. durch die Art und Weise der Bewerbung der Broschüre. Auch die äußere Form weise keinerlei Verbundenheit von aufgenommenen Werk und eigenem Werk auf, weshalb der Zitatzweck hier nicht gegeben sei. Der Einwand des Verlages, dass die Textstellen aus „Mein Kampf“ der Wissenschaftsfreiheit dienen und somit unter Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG fallen, wird vom OLG ebenfalls verneint, da sich der Grundrechtsschutz nicht zwingend auf jeden Baustein eines Werkes erstrecke.

Das Gericht stellte auch klar, dass es nicht genügt, wenn die Verwendung des fremden Werks nur zum Ziel hat, dieses leichter zugänglich zu machen oder um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen. Es sah Hinweise als gegeben an, dass die Auszüge aus „Mein Kampf“ in erster Linie nur deshalb wiedergegeben würden, um sie dem Leser leichter zugänglich zu machen.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Zitats lagen daher nicht vor. Im Ergebnis konnte der Verlag die Zeitungsbeilage mit dem Titel „Das unlesbare Buch“ nicht wie beabsichtigt mit den Auszügen aus Adolf Hitlers „Mein Kampf“ veröffentlichen.

IV. Tipp

Auf der sicheren Seite ist der Zitierende, wenn er die Erlaubnis des Urhebers bzw. Nutzungsrechtsinhabers einholt, was im Einzelfall sinnvoll sein kann. Im vorliegenden, speziellen Fall wäre der Verlag mit einer entsprechenden Anfrage beim Freistaat Bayern allerdings wohl ebenfalls gescheitert.

Allgemein gilt: Bei der Verwendung von Zitaten sollte darauf geachtet werden, dass alle Zitate den Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechen und der Ersteller beim Zitieren auch das Gebot der Quellenangabe sowie das Änderungsverbot berücksichtigt.

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