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E-Commerce Österreich: AGB-Vereinbarung zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit des Gerichts

02.10.2013, 17:34 Uhr | Lesezeit: 9 min
E-Commerce Österreich: AGB-Vereinbarung zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit des Gerichts

Hinweis: Interessante weiterführende Informationen zum Thema hat die IT-Recht Kanzlei in ihrem Beitrag "Österreich E-Commerce (AGB)" veröffentlicht.

Beim Onlinehandel mit Österreich hat der deutsche Onlinehändler sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welches Recht für ihn maßgebend ist und ob im Streitfall ein österreichisches oder deutsches Gericht entscheidet. Es wäre naiv oder geradezu fahrlässig zu glauben, dass beim Onlinehandel mit Österreich unbesehen die vertrauten deutschen Regeln zum Onlinehandel übernommen werden könnten. Die IT-Recht-Kanzlei empfiehlt, beim Onlinehandel mit österreichischen Verbrauchern (B2C), von der Anwendung österreichischen Rechts und der Zuständigkeit österreichischer Gerichte auszugehen.

Nach Meinung der IT-Recht-Kanzlei kann die Anwendbarkeit österreichischen Rechts und die Zuständigkeit österreichischer Gerichte in diesem Fall nicht durch entsprechende AGB-Klauseln abbedungen werden. Etwas anderes gilt für Verträge mit Unternehmern (B2B). Hier kann deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbart werden. Warum das so ist, können Sie dem folgenden Beitrag entnehmen.

Frage: Kann der deutsche Onlinehändler für den Onlinehandel in Österreich in seinen AGB eine Klausel einfügen, dass deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte gelten?

Hier ist zu unterscheiden, ob der deutsche Onlinehändler Waren oder Dienstleistungen an Unternehmer oder Verbraucher verkauft.

Frage: Kann der deutsche Onlinehändler für den Onlinehandel in Österreich mit Verbrauchern eine Klausel zur Anwendung des deutschen Rechts in seinen AGB vorsehen?

Im Ergebnis, nein.

Da Österreich und Deutschland Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind, gilt für die Frage des anzuwendenden Rechts die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. Juni 2008 (Rom I). EU-Verordnungen gelten anders als EU-Richtlinien in den EU Mitgliedsstaaten unmittelbar und bedürfen nicht der Umsetzung in nationales Recht.

Die EU-Verordnung Rom I bestimmt zwar, dass auch bei Verträgen eines gewerblichen Händlers mit einem Verbraucher in einem anderen EU-Mitgliedsstaat die freie Rechtswahl besteht und der Onlinehändler in seinen AGB eine Klausel zur Anwendung seines Rechts vorsehen kann, auch wenn ohne eine solche Vereinbarung das Wohnsitzrecht des Verbrauchers zur Anwendung käme (Artikel 6, Absatz 2, Satz 1 Rom I). Artikel 6, Absatz 2, Satz 2 der Rom I-Verordnung macht allerdings eine wichtige Einschränkung, dass die Rechte des Verbrauchers in seinem Wohnsitzstaat nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Artikel 6, Absatz 2 Rom I
Ungeachtet des Absatzes 1 können die Parteien das auf einen Vertrag, der die Anforderungen des Absatzes 1 erfüllt, anzuwendende Recht nach Artikel 3 wählen. Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Absatz 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.

Die EU-Richtlinie 2000/31EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 8. Juni 2000 bekräftigt diese Rechtslage in den Erwägungsgründen

(55) Diese Richtlinie lässt das Recht unberührt, das für die sich aus Verbraucherverträgen ergebenden vertraglichen Schuldverhältnisse gilt. Dementsprechend kann diese Richtlinie nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm von den zwingenden Vorschriften für vertragliche Verpflichtungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, gewährt wird.

Mit anderen Worten: Der österreichische Verbraucher kann sich auf die Anwendung österreichischen Rechts berufen, wenn dieses Recht für ihn vorteilhafter ist, auch wenn durch AGB deutsches Recht vereinbart wurde.

Ergebnis: Ein deutscher Onlinehändler, der Waren oder Dienstleistungen an einen österreichischen Verbraucher verkauft, wird sich auf die Anwendung österreichischen Rechts einstellen müssen.

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Frage: Gibt es Verbraucherverträge, die nicht unter Artikel 6 Rom I fallen?

Ja, bestimmte Verbraucherverträge werden nicht von Artikel 6 Rom 1 erfasst. Dies gilt z.B. für Verträge über dingliche Rechte wie Liegenschaftsverkauf oder Pacht von Liegenschaften, Beförderungsverträge wie z.B. Internetbuchung eines Flugtickets und Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldete Dienstleistung ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht wird, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Damit sind vor allem Hotelbuchungen gemeint: z.B. österreichischer Verbraucher bucht online über deutschen Anbieter ein Hotelzimmer in Deutschland oder österreichischer Verbraucher bucht online über deutschen Anbieter ein Hotelzimmer in Österreich.

Frage: Kann der deutsche Onlinehändler für den Onlinehandel in Österreich mit Verbrauchern eine Klausel zur Zuständigkeit deutscher Gerichte in seinen AGB vorsehen?

Im Ergebnis, eher nein.

Auch für die Frage der Gerichtsstandsvereinbarung bei Verträgen mit Verbrauchern gilt in der Europäischen Union zwingendes Gemeinschaftsrecht und zwar die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I). Auch zu dieser Verordnung hat Österreich keinen Vorbehalt eingelegt. Wie bereits erwähnt gelten EU-Verordnungen unmittelbar und sind nicht durch nationales Recht umzusetzen.

Gemäß Art. 15 der Brüssel I-Verordnung ist bei Verbrauchersachen der Wohnsitz des österreichischen Verbrauchers als Gerichtsstand zwingend, wenn sich gem. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung die Tätigkeit des deutschen Onlinehändlers auf den Wohnsitzstaat des österreichischen Verbrauchers, also Österreich „ausrichtet“.

Exkurs: Das Kriterium der „Ausrichtung“ der Tätigkeit des gewerblichen Verkäufers auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers zur Bestimmung des Gerichtsstandes im Rahmen der Brüssel I Verordnung gibt es zwar auch im Rahmen der Rom I Verordnung (Artikel 6 Absatz 1 Rom I) zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts. Bei AGB-Verträgen, die im Regelfall eine Rechtswahlklausel zugunsten des Onlinehändlers beinhalten, hat dieses Kriterium im Rahmen der Rom I Verordnung keine praktische Bedeutung, da Art 6 Absatz 2 Rom I die Möglichkeit der vereinbarten Rechtswahl vorsieht. Wie ausgeführt gilt diese freie Rechtswahl nur dann nicht, wenn der Verbraucher in seinen Rechten entsprechend Wohnsitzrecht beeinträchtigt wird.

Mit der Auslegung des Begriffs „Ausrichten“ hat sich der Europäische Gerichtshof beschäftigt. Im Schlussantrag der Generalanwältin wurden zur Begriffsbestimmung folgende Kriterien genannt:

Für das „Ausrichten“ der Tätigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 reicht es nicht aus, dass die Website des Vertragspartners, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers im Internet abrufbar ist. Das nationale Gericht hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, ob der Vertragspartner, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, seine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausrichtet. Wichtige Beurteilungsfaktoren sind insbesondere der Inhalt der Website, die bisherige Geschäftstätigkeit des Vertragspartners, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, die Art der verwendeten Internetdomain und die Nutzung der Möglichkeiten, über das Internet oder auf sonstige Weise zu werben.

Die Rechtslage ist also nicht eindeutig und hängt vom Einzelfall ab. Die IT-Recht-Kanzlei empfiehlt ihren Mandanten allerdings, bei B2C-Verträgen mit österreichischen Kunden (Verbrauchern) grundsätzlich von der Zuständigkeit österreichischer Gerichte auszugehen.

Denn die Frage, welcher Gerichtstand gilt, wird durch österreichische Gerichte zu klären sein, die bei Streitigkeiten durch den österreichischen Verbraucher als Kläger angerufen werden können. Zu groß ist bei dieser nicht eindeutigen Rechtslage das Risiko, dass österreichische Gerichte ihre Zuständigkeit bejahen. Fraglich ist die Dauer des Instanzenwegs bis möglicherweise hin zum Europäischen Gerichtshof.

Ergebnis: Bei Onlineverträgen von deutschen Händlern mit Verbrauchern in Österreich wird eine Klausel zur Zuständigkeit österreichischer Gerichte empfohlen.

Frage: Kann der deutsche Onlinehändler, der über eine Niederlassung in Österreich seinen Onlinehandel mit österreichischen Verbrauchern betreibt, eine Klausel zur Zuständigkeit deutscher Gerichte in seinen AGB vorsehen?

Nein, hier ist die Rechtslage eindeutig.

Gem. Artikel 15 Abs. 1, Buchstabe c und Art. 15 Abs. 2 der EU-Verordnung Brüssel I wird der Onlinehändler mit Niederlassung oder Agentur in Österreich bei Streitigkeiten aus seiner Niederlassung mit Verbrauchern so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz in Österreich hätte.

Frage: Kann der deutsche Onlinehändler für den Onlinehandel in Österreich mit Unternehmern (B2B-Verträge) in seinen AGB eine Klausel einfügen, dass deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte gelten?

Grundsätzlich ja, es gilt hier nach den einschlägigen EU-Verordnungen der Grundsatz der Vertragsfreiheit.

Die IT-Recht-Kanzlei hat dies in ihren Rechtstexten für den Onlinehandel in Österreich berücksichtigt.

Frage: Was ist ein Unternehmer und was ist ein Verbraucher im Sinne der einschlägigen EU-Verordnungen?

Art. 6 Rom I-Verordnung

(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer ….

Art 15 Abs. 1 Brüssel I-Verordnung

Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,….

Wie bereits ausgeführt, gelten EU-Verordnungen in der EU unmittelbar. Somit sind auch die genannten Definitionen zum Unternehmer und Verbraucher für den Onlinehandel zwischen Deutschland und Österreich verbindlich.

Frage: Kann der deutsche Onlinehändler sich bei gegen ihn in Österreich geltend gemachten Wettbewerbsverstößen auf deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte berufen?

Nein, das kann er nicht. Er kann zwar bei B2B-Verträgen mit österreichischen Unternehmern deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbaren. Eine solche Vereinbarung hat jedoch bei außervertraglichen Ansprüchen wie Ansprüche von Wettbewerbern wegen Wettbewerbsverstößen keine Wirkung.

Hier gilt für das anzuwendende Recht die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 vom 11. Juli 2007 (Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, „Rom II“). Gemäß Artikel 6 Abs. 1 Rom II ist bei Wettbewerbsverstößen, die sich auf den österreichischen Markt auswirken, österreichisches Recht maßgebend.

Artikel 6 Absatz 1 Rom II
(1) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtig werden.

Für die Frage des zuständigen Gerichts bei Wettbewerbsverstößen ist Art. 5 Nr. 3. 3 der EU-Verordnung Brüssel I maßgebend. Gem. Art. 5 Nr. 3 Brüssel I ist bei unerlaubten Handlungen (Wettbewerbsverstöße sind als unerlaubte Handlungen anzusehen) das Gericht zuständig, wo das schädigende Ereignis eintritt. Werden also Wettbewerbsverstößen auf dem österreichischen Markt geltend gemacht, so sind österreichische Gerichte maßgebend.

Art 5 Nr. 3Brüssel I

Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
(3) wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

Tipp: Sie haben Fragen zu dem Beitrag? Diskutieren Sie hierzu gerne mit uns in der Unternehmergruppe der IT-Recht Kanzlei auf Facebook.

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