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Neue Verordnung zur Produktsicherheit und Marktüberwachung tangiert auch die Onlinehändler

16.01.2020, 08:41 Uhr | Lesezeit: 5 min
Neue Verordnung zur Produktsicherheit und Marktüberwachung tangiert auch die Onlinehändler

Trotz strenger Regularien finden sich im europäischen Binnenmarkt nach wie vor zuhauf unsichere Produkte. Die EU-Kommission will daher die Anforderungen an die Produktsicherheit und Marktüberwachung zur Aufdeckung unsicherer Produkte nochmals erhöhen. Eine zu diesem Zweck erlassene Verordnung nimmt zunehmend auch die Onlinehändler in die Pflicht.

Worum geht es?

Die Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie zur Änderung der Richtlinie 2004/42/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 765/2008 und (EU) Nr. 305/2011 sorgt künftig (in Teilen ab 01.01.2021, generell ab dem 16.07.2021 gültig) für einige Änderungen im Recht der Produktsicherheit und Marktüberwachung.

Ziel der Verordnung ist es, dass künftig in der EU nur noch solche Produkte in den Verkehr gebracht werden, die sicher sind und den europäischen Vorschriften hinsichtlich der Produktgestaltung entsprechen. Denn unsichere und nicht konforme Produkte (insbesondere aus Fernost) stellen eine Gefahr für die Bürger dar und verzerren aufgrund geringerer Kosten für Produktion und Compliance regelmäßig den Wettbewerb zu Lasten der rechtstreuen Anbieter.
Solche unsicheren bzw. nicht konformen Produkte sollen durch die neuen Vorgaben der am 25.06.2019 veröffentlichten Verordnung möglichst vom Binnenmarkt ferngehalten werden. Möglich werden soll dies durch eine strengere Marktüberwachung, durch welche Verstöße und unsichere Produkte effektiver aufgedeckt werden sollen.

Was bedeutet die Verordnung für Onlinehändler?

Zunächst ist festzuhalten, dass der „normale“ Onlinehändler nach geltendem Recht in aller Regel weder als Hersteller noch Inverkehrbringer von Produkten einzustufen ist. Das Gros der Händler ist lediglich als Vertreiber zu qualifizieren, der in der EU bereits in Verkehr gebrachte Produkte lediglich weiter vertreibt.

Die rechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Sicherheit von Produkten adressieren nach derzeitiger Rechtslage fast ausschließlich Hersteller und Inverkehrbringer der Produkte. Bloße Vertreiber haben aktuell nur sehr enge Unterstützungspflichten in diesem Bereich.

Durch die Verordnung findet hierbei eine gewisse Neuordnung statt, die den klassischen Händler mehr in die Pflicht nimmt. Denn die bisherigen rechtlichen Vorgaben berücksichtigen die Verantwortlichkeiten im Rahmen neuerer Vertriebsmodelle wie etwa Dropshipping oder Fulfillment-Lösungen wie etwa Amazons FBA nicht ausreichend.

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Inverkehrbringen künftig durch bloßes Anbieten im Onlinehandel

Die für den Onlinehandel entscheidendste Neuerung durch die Verordnung:

Artikel 6 der Verordnung regelt, dass künftig bereits das reine Anbieten eines Produkts in einem Onlineshop an Endnutzer mit Sitz in der EU als ein Inverkehrbringen gilt.

Ob an einen EU-Endnutzer angeboten wird, richtet sich dabei insbesondere nach der Sprache des Angebots und den Liefer- und Zahlungsmöglichkeiten.

Hintergrund dieses erweiterten Inverkehrbringungstatbestands ist primär, dass den Marktüberwachungsbehörden ein effektives Instrument an die Hand gegeben wird, Online-Angebote nicht konformer Produkte schnell aus der Welt zu schaffen (z.B. durch Abschaltung des Shops).

Dass ab 2021 dann der bloß vertreibende Onlinehändler als Inverkehrbringer der angebotenen Waren gilt, löst aber nicht nur Pflichten nach der Verordnung aus.

Auch eine Reihe weitere Gesetze knüpft für zum Teil sehr umfangreiche produktbezogene Pflichten an das Inverkehrbringen des Produkts an. Hier bleibt abzuwarten, ob diese Vorgaben außerhalb der Verordnung angepasst werden und das Inverkehrbringen differenzierter betrachten oder ob dadurch den reinen Händlern tatsächlich umfassende, neue Pflichten auferlegt werden sollen, die bisher nur für Hersteller und Importeure gelten, wie etwas das Zurverfügungstellen von Konformitätserklärungen für die Produkte.

Die Richtung ist jedoch klar: Auch der reine Händler wird künftig in Sachen Produktsicherheit und –konformität verstärkt in die Verantwortung genommen werden.

Auch Fulfillment-Anbieter und Marktplatzbetreiber werden in die Pflicht genommen

Durch die Verordnung soll ein weiterer Kreis von Wirtschaftsakteuren in die Produktverantwortlichkeit genommen werden. Wer als Fulfillmentdienstleister oder Marktplatzbetreiber auftritt und dabei unsichere Produkte in den Verkehr gelangen, der wird künftig ebenfalls Adressat von marktaufsichtlichen Maßnahmen werden.

Damit wird eine eklatante Lücke im derzeitigen Produktsicherheitsrecht geschlossen: Fulfillmentdienstleister und Marktplatzbetreiber reden sich aktuell gerne raus, wenn es um unsichere Produkte geht, die durch ihre Hände bzw. über ihre Marktplätze laufen:

Man stelle ja nur die Infrastruktur und verkaufe selbst gar nicht.

Der eigentlich verantwortliche Verkäufer sitzt dann in aller Regel im Drittstaat, meist in China und ist für die Behörden nicht greifbar. Damit geht der Vertrieb unsicherer Produkte munter weiter.

Effektivere Marktüberwachung

Ziel der Verordnung ist daneben auch die Verbesserung der Marktüberwachung. Denn nur dort, wo effektive Kontrollen erfolgen, ist auch mit einer Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu rechnen.

So sollen den Marktüberwachungsbehörden mit der Verordnung neue, effektivere Instrumente zur Verfügung gestellt werden, damit die Behörden den neuen Herausforderungen durch den wachsenden Onlinehandel gerecht werden können.

Ziel ist eine engere grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Marktüberwachungsbehörden sowie die Aufstellung von regelmäßigen zu erneuernden Strategieplänen für die Marktüberwachung durch die Mitgliedsstaaten, um die Schwerpunkte der Überwachung entsprechend der aktuellen Anforderungen richtig setzen zu können.

Die Behörden der Marktüberwachung erhalten mehr Rechte, insbesondere auch im Bereich des E-Commerce, etwa dahingehend, Onlineangebote sperren zu lassen bzw. der Aufnahme notwendiger Warnhinweise.

Die Kontrolldichte und damit auch das Entdeckungsrisiko für Anbieter unsicherer bzw. nicht konformer Produkte dürfte damit ab 2021 ansteigen, was für Anbieter sicherer und konformer Produkte natürlich begrüßenswert ist.

Fazit

Aus Verbrauchersicht und Sicht der Marktüberwachungsbehörden ist die neue Verordnung begrüßenswert. Obwohl der technologische Fortschritt nicht zu stoppen ist, gelangen immer mehr unsichere Produkte auf den europäischen Markt, von denen u.U. erhebliche Gefahren für deren Nutzer ausgehen.

Schuld daran mag zum einen der harte Preiskampf im Onlinemarkt sein. Wenig förderlich für die Produktsicherheit dürften aber auch neue Geschäftsmodelle wie Dropshipping sein, bei denen die Verkäufer die angebotene Ware zuvor niemals in den eigenen Händen gehalten haben.

Für den Onlinehändler bringt die Verordnung neue Pflichten. So werden durch die neuen Regelungen deutlich mehr Wirtschaftsakteure in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz hinsichtlich der angebotenen Produkte in die Pflicht genommen. Ferner wird die Marktüberwachung intensiviert, so dass Verstöße eher aufgedeckt werden dürften.

Im Ergebnis dürfte die Verordnung von redlichen Händlern jedoch ebenfalls positiv gesehen werden, da sie für mehr Gerechtigkeit und damit lauteren Wettbewerb sorgen dürfte.

Spannend wird schließlich auch die Inanspruchnahme von Fulfillmentdienstleistern und Marktplatzbetreibern durch die Verordnung. Hier bestehen aktuell noch gravierende Lücken, etwa über Amazon via FBA unsichere Produkte von chinesischen Anbietern auf den deutschen Markt gelangen.

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