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Das System der Markt- und Produktüberwachung in der Europäischen Union

08.03.2013, 17:59 Uhr | Lesezeit: 24 min
Das System der Markt- und Produktüberwachung in der Europäischen Union

Seit dem 1. Januar 2010 gilt die EG-Verordnung Nr. 765/2008, die den neuen allgemeinen Rechtsrahmen für die Überwachung der Sicherheit von Produkten in der EU bildet. Auf Grundlage der Verordnung sollen die einzelnen EU-Mitgliedstaaten und die Kommission das System der Markt- und Produktüberwachung organisieren. Dahinter steht der Leitgedanke, dass einerseits Produkte in der EU einen freien Zugang zum Markt haben sollen, auf der anderen Seite mittels effektiver Kontrollen dennoch ein starker Schutz vor gefährlichen Produkten besteht. Lesen Sie hierzu mehr in einem ausführlichen Artikel.

I. Das sog. „New Legislative Framework“ – was steckt dahinter?

Die Herstellung von Produkten und der Handel mit ihnen ist ein wesentlicher Bestandteil der liberalen Wirtschaftsordnung in Europa. Im Rahmen der unternehmerischen Freiheit kann jeder als Unternehmer tätig werden, Produkte entwickeln, herstellen, importieren und handeln. Dabei besteht grundsätzlich ein freier Zugang zum Markt, d.h. es gibt in der Regel keine Marktzugangsprüfungen oder -zugangskontrollen. Dies bedeutet, dass jeder mit seinen eigenen Produkten im Grundsatz ungehinderten und unkontrollierten Zugang zum Markt hat. Zwar gibt es Regeln, welchen (Sicherheits-)Anforderungen Produkte in der EU genügen müssen. Allerdings muss jeder Unternehmer selbständig darauf achten, dass er die für ihn und seine Produkte einschlägigen Regeln beachtet.

Auf der anderen Seite soll der freie und ungehinderte Marktzugang nicht dazu führen, dass sich unsichere und gefährliche Produkte auf dem Markt ungehindert ausbreiten können. Die Sicherheit von Produkten bleibt ein hohes Gut. Weder Verbraucher noch Mitarbeiter von Herstellern sollen durch Produkte gefährdet werden können. Der hohe Sicherheitsstandard und die Gesundheitsverträglichkeit von Produkten ist der EU ein wichtiges Anliegen.

Da der Marktzugang frei ist und frei bleiben soll, will die EU-Kommission bei der (nachgelagerten) Markt- und Produktüberwachung ansetzen, um für die Sicherheit bei und mit Produkten zu sorgen. Die EG-Verordnung Nr. 765/2008 enthält diesbezüglich allerlei Regelungen zum Aufbau und Durchführung einer funktionierenden, qualitativ hochwertigen EU-weiten Markt- und Produktüberwachung. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Kooperation, Koordination und Kommunikation zwischen den nationalen Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten gelegt. Auf diese Weise soll eine möglichst lückenlose und effektive Überwachung erreicht werden.

Der Begriff des „New Legislative Framework“, also des „Neuen Rechtsrahmens“ für die Produktvermarktung und die Produktüberwachung in der EU, soll deutlich machen, dass die einzelnen Vorschriften der EG-Verordnung Nr. 765/2008 eine neue einheitliche Grundlage für die Überwachung von Produkten in der EU bilden.

II. Die Vorschriften der EG-Verordnung im Überblick

Bei der EG-Verordnung Nr. 765/2008 handelt es sich um unmittelbar für alle Bürger bzw. Personen geltendes EU-Recht. Die Verordnung gilt seit 1.1.2010 und hat im Wesentlichen zum Gegenstand, auf welche Weise die EU-Mitgliedstaaten sog. Akkreditierungsstellen einzurichten haben und wie die Marktaufsicht in der EU gestaltet werden soll.

Darüber hinaus enthält die Verordnung verbindliche Anforderungen an die sog. Konformitätsbewertungsstellen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Konformitätsbewer-tungsstellen sind (in der Regel) nicht staatliche Institutionen, wie etwa Prüflaboratorien, Zertifizierungs- oder Inspektionsstellen, die bei der Kontrolle von Produkten tätig sind. Sie werden von den (hoheitlichen) sog. Akkreditierungsstellen, von denen es in jedem EU-Mitgliedstaat jeweils genau eine geben soll, eingesetzt und ihrerseits überwacht. In Deutschland ist die sog. Deutsche Akkreditierungsstelle (kurz: DAkkS) eingerichtet worden. Zwar sollen für die tatsächliche Durchführung der Überwachung der Einhaltung von (Sicherheits-)Standards jeweils die einzelnen EU-Mitgliedstaaten und nicht etwa die die EU selbst verantwortlich sein. Allerdings soll durch eine verbesserte Kooperation, Koordination und Kommunikation zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen der EU und den Mitgliedstaaten für einen EU-weit einheitlichen Sicherheits- und Marktüberwachungsstandard gesorgt werden.

Schließlich sieht die Verordnung darüber hinaus vor, dass das sog. CE-Kennzeichen, durch das ein Hersteller kundtut, dass seine Produkte die einschlägigen europäischen Normen und Standards erfüllt, vor Missbrauch geschützt wird.

III. Die Erwägungsgründe der Verordnung

Den eigentlichen Vorschriften in Verordnungen und Richtlinien der EU werden regelmäßig sog. Erwägungsgründe vorangestellt. Sie helfen, den Sinn und Zweck der jeweiligen EU-Vorschriften sowie die Motive des EU-Gesetzgebers zu verstehen. Die Erwägungsgründe sind dabei als ungeordnete Aufzählung der Motive der EU für die jeweilige Gesetzgebung anzusehen.

Im Folgenden soll ein Blick auf die wesentlichen Erwägungsgründe aus der EG-Verordnung Nr. 765/2008 geworfen werden, um einordnen zu können, wie sich die EU die Organisation und das System der Marktüberwachung vorstellt.

  • Dem Credo der freien Zirkulation der Waren im Binnenmarkt der EU auf der einen Seite steht der Schutz der Sicherheit und Gesundheit von Verbrauchern und Arbeitnehmern auf der anderen Seite gegenüber. Durch die Akkreditierung, d.h. durch die hoheitliche Anerkennung durch spezialisierte Behörden, mittels effektiver Marktüberwachung, Kontrollen von Produkten aus Drittstaaten (Nicht-EU-Ländern) sowie durch die CE-Kennzeichnung soll der EU-weite Sicherheitsstandard dabei möglichst hoch gehalten werden.
  • Die EG-Verordnung Nr. 765/2008 soll lediglich einen übergeordneten Rahmen für die Markt- und Produktüberwachung von allen möglichen Produktarten darstellen. Ihre Regelungen sollen nicht die bisher geltenden und funktionierenden (Markt- und Produkt-)Kontrollsysteme verdrängen, sondern vielmehr lediglich deren bisherige Lücken schließen. In jedem Fall soll Bisheriges im Grundsatz auch weiterhin Bestand haben.
  • Durch die Einführung der Regelungen der Verordnung sollen somit allgemein gültige Rahmenvorschriften geschaffen werden. Bis zur Überarbeitung der bestehenden, auf bestimmte Produktarten abgestimmten Rechtsvorschriften sollen die Regelungen aus der Verordnung den Schutz von Sicherheit, Gesundheit, Umwelt und Verbrauchern gewährleisten. Soweit es allerdings bereits speziellere einschlägige Regelungen in anderen Gesetzen der EG gibt, sollen diese auch weiterhin Bestand haben. Bestehende Vorschriften sollen nicht ersetzt, sondern vielmehr ergänzt und auf diese Weise gestärkt werden.
  • Die EU will durch die Verordnung einen EU-einheitlichen Rahmen für die Anforderungen an nationale (hoheitliche) Akkreditierungsstellen, Marktüberwachungsbehörden und Konformitätsbewertungsstellen schaffen. Dabei meint der Begriff der Akkreditierung die offizielle, d.h. hoheitliche Bestätigung bzw. Anerkennung der Kompetenz der Konformitätsbewertungsstellen, die Sicherheit bzw. die Konformität von Produkten mit EU-Vorschriften zu beurteilen.
  • Insbesondere soll ein EU-weit harmonisierter und damit EU-einheitlicher Rahmen (und somit Qualitäts-Standard) für die Akkreditierung geschaffen und aufrechterhalten werden. Auf diese Weise sollen in der gesamten EU gleiche Sicherheitsanforderungen für Produkte gelten. Auf diese Weise soll ein innereuropäisches Qualitätsgefälle in der Markt- und Produktüberwachung verhindert werden.
  • Durch die Förderung und Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen nationalen Akkreditierungsstellen und Marktüberwachungsbehörden der einzelnen EU-Mitgliedstaaten soll das gegenseitige Vertrauen in die jeweilige Arbeit der Behörden gestärkt werden.
  • Für wichtig erachtet es die EU dabei, dass die nationalen Akkreditierungsstellen keine Gewinnerzielungsabsicht haben. Auf diese Weise soll ihre Unabhängigkeit gestärkt und gefördert werden.
  • Zweck der sog. Akkreditierung ist es, eine offizielle, d.h. hoheitliche Aussage darüber zu treffen, ob eine nachgeordnete (Prüf- oder Kontroll-)Stelle (z.B. ein Prüflaboratorium die Kompetenz hat, Konformitätsbewertungen durchzuführen. Die Prüfung der Konformität meint in diesem Zusammenhang die Überprüfung, ob Produkte mit den einschlägigen EU-Vorschriften in Einklang stehen, also „konform gehen“.
  • Falls einem Mitgliedstaat der EU die Einrichtung und Unterhaltung einer eigenen, nationalen Akkreditierungsstelle zu teuer sein sollte (dies könnte insbesondere bei kleinen, finanzschwachen EU-Mitgliedstaaten der Fall sein), so soll es möglich sein, dass für diesen die Akkreditierungsstelle eines anderen EU-Mitgliedstaats zuständig ist und deren Aufgaben wahrnimmt.
  • Ein Ziel der Verordnung ist es insbesondere sicherzustellen, dass innerhalb der EU eine einzige Akkreditierungsurkunde, d.h. ein Nachweis, dass eine Konformitätsbewertungsstelle korrekt arbeitet, für das gesamte Unionsgebiet ausreicht. Dies soll dadurch erreicht werden, dass die einzelnen nationalen Akkreditierungsstellen der Arbeit der anderen EU-Mitgliedstaaten vertrauen und diese somit anerkennen.
  • Der Informationsaustausch zwischen den einzelnen nationalen Akkreditierungsstellen soll gefördert werden. Es soll ein funktionierendes, enges Informationsnetz zwischen den nationalen Akkreditierungsstellen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten geknüpft werden.
  • Bei von Produkten ausgehenden Gefahren soll schnelles behördliches Eingreifen erfolgen können. Es soll ein Rückruf der (bereits verkauften Exemplare der gefährlichen) Produkte erreicht werden. Zudem soll das jeweilige Produkt vom Markt genommen werden können. Darüber hinaus sollen in Extremfällen die Marktüberwachungsbehörden das Recht haben, gefährliche Produkte zu vernichten.
  • Bei der Arbeit der nationalen Marktüberwachungsbehörden bzw. Akkreditierungsstellen soll die Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen der beteiligten Unternehmen gewahrt werden. Insbesondere soll es nicht zur Aufdeckung von Geschäftsgeheimnissen kommen können.
  • Die allgemeinen Grundsätze der CE-Kennzeichnung sollen in den Vorschriften der Verordnung niedergelegt sein. Die CE-Kennzeichnung soll dabei grundsätzlich das einzige Zeichen sein, das anzeigt, dass das entsprechend gekennzeichnete Produkt mit den EU-Harmonisierungsvorschriften übereinstimmt. Anderes soll nur gelten, wenn dadurch der Schutz für Verbraucher erhöht wird.
  • Die EU-Mitgliedstaaten müssen gewährleisten, dass gegen Maßnahmen von Behörden im Rahmen der Markt- und Produktüberwachung geeignete Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen bzw. diese vorsehen.
  • Schließlich soll – das ist das zusammenfassende Credo – das Funktionieren des EU-Binnenmarkts durch die Bereitstellung eines Rechtsrahmens für die Akkreditierung und Marktüberwachung gesichert werden und zudem (dadurch) ein hohes Niveau in Bezug auf den Gesundheitsschutz und die Sicherheit erreicht werden.

IV. Akkreditierungs- und Konformitätsbewertungsstellen

Grundsätzlich muss zwischen sog. Akkreditierungsstellen und sog. Konformitätsbewertungsstellen unterschieden werden. Während eine Akkreditierungsstelle eine nationale Behörde, also. eine hoheitlich tätige Institution auf der oberen Ebene ist, die auf Antrag den auf der nachgelagerten Ebene tätigen Konformitätsbewertungsstellen – grob gesagt – ordentliches Arbeiten bescheinigt, sind Konformitätsbewertungsstellen auf der anderen Seite keine Behörden oder hoheitlich tätige Institutionen, sondern beispielsweise Prüflaboratorien oder Zertifizierungsstellen, die Konformitätsbewertungen für Unternehmen durchführen. Für manche Produkte sind solche Konformitätsbewertungen erforderlich. Welche Produkte das sind, ist nicht in der EG-Verordnung Nr. 765/2008, sondern in anderen EU-Vorschriften geregelt.

Nicht verwechselt werden darf die Konformitätsbewertung mit der CE-Kennzeichnung. Während die Konformitätsbewertungsstellen keine Hersteller, Händler oder Importeure, sondern unabhängige Stellen sind, die bestimmte Produkte auf ihre Konformität mit EG-Vorschriften hin überprüfen, sind für die CE-Kennzeichnung die Hersteller selbst verantwortlich. Sie selbst müssen dafür sorgen und ggf. prüfen, ob die von ihnen hergestellten Produkte mit den einschlägigen EU-Vorschriften in Einklang stehen.

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1. Allgemeine Anforderungen an Akkreditierungsstellen

Nach der Verordnung soll jeder Mitgliedstaat der EU eine einzige (nationale) Akkreditierungsstelle bestimmen (Artikel 4 Absatz 1). Ist ein (beispielsweise kleiner) EU-Mitgliedstaat der Ansicht, dass eine eigene Akkreditierungsstelle nicht finanziell tragfähig oder sinnvoll ist, so muss er nicht eine eigene Akkreditierungsstelle betreiben, sondern kann auf diejenige eines anderen EU-Mitgliedstaats zurückgreifen (Artikel 4 Absatz 2). Dies muss der entsprechende EU-Mitgliedstaat jedoch der EU-Kommission und allen anderen EU-Mitgliedstaaten mitteilen (Artikel 4 Absatz 3). Die EU-Kommission veröffentlicht eine aktuell gehaltene Liste, die die nationalen Akkreditierungsstellen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten enthält (Artikel 4 Absatz 4). Die EU-Mitgliedstaaten können eigenständig entscheiden, ob sie eine bereits existierende Behörde mit den Aufgaben einer Akkreditierungsstelle betrauen sollen oder ob sie hierfür eine neue Behörde bzw. Stelle schaffen. Jedenfalls soll die Akkreditierungsstelle eine hoheitliche Tätigkeit ausführen können (Artikel 4 Absatz 5). Schließlich ist festgelegt, dass die nationalen Akkreditierungsstellen keine Gewinnorientierung haben sollen, d.h. sie sollen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung nicht danach streben, Gewinne zu erzielen (Artikel 4 Absatz 7).

2. Aufgaben der Akkreditierungsstellen

Die Haupttätigkeit der jeweiligen nationalen Akkreditierungsstelle in den EU-Mitgliedstaaten besteht darin, Akkreditierungsurkunden auszustellen (Artikel 5 Absatz 1 Satz 2). Diese Akkreditierungsurkunden werden an diejenigen sog. Konformitätsbewertungsstellen – auf deren Antrag hin – ausgegeben, die aus Sicht der Akkreditierungsstelle die Fähigkeit (Kompetenz) haben, Konformitätsbewertungen durchzuführen (Artikel 5 Absatz 1 Satz 1).

Dazu folgendes Beispiel:

In einem EU-Mitgliedstaat, beispielsweise Slowenien, möchte ein Testlabor als Konformitätsbewertungsstelle für bestimmte Produkte anerkannt werden. Dazu wendet es sich an die slowenische Akkreditierungsstelle und beantragt eine entsprechende Akkreditierungsurkunde. Diese Urkunde belegt – auch gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten – dass dieses Testlabor in Slowenien über die Kompetenz verfügt, die entsprechende Produktbewertung und damit deren Übereinstimmung mit den einschlägigen europäischen Normen bzw. EU-weit harmonisierten Vorschriften zu überprüfen..

Neben der Prüfung von Anträgen von Konformitätsbewertungsstellen auf Erlass der Akkreditierungsurkunden haben die nationalen Akkreditierungsstellen die Aufgabe, die Konformitätsbewertungsstellen, denen sie eine Akkreditierungsurkunde ausgestellt haben, zu überwachen (Artikel 5 Absatz 3). Wenn eine Akkreditierungsstelle feststellt, dass eine Konformitätsbewertungsstelle nicht mehr über die Kompetenz verfügt, bestimmte Konformitätsbewertungen durchzuführen, so hat die Akkreditierungsstelle die von ihr ursprünglich einmal ausgegebene Akkreditierungsurkunde einzuschränken oder (vollständig) zurückzuziehen (Artikel 5 Absatz 4).

Die EU-Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Akkreditierungsstellen zu schaffen (Artikel 5 Absatz 5), so dass sich beispielsweise Konformitätsbewertungsstellen gegen die Versagung der Ausstellung einer Akkreditierungsurkunde oder deren Entzug wehren können.

3. Wettbewerbsverbot der Akkreditierungsstellen

Neben der Tatsache, dass die nationalen Akkreditierungsstellen nicht gewinnorientiert arbeiten dürfen (Artikel 1 Absatz 7), ist es ihnen auch nicht gestattet, in den Wettbewerb mit Konformitätsbewertungsstellen (Artikel 6 Absatz 1) oder den anderen nationalen Akkreditierungsstellen (anderer EU-Mitgliedstaaten) zu treten (Artikel 6 Absatz 2). Unter gewissen Voraussetzungen ist es einer nationalen Akkreditierungsstelle jedoch gestattet, grenzüberschreitend auch auf dem Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates tätig zu werden, für das regelmäßig ja an sich eine andere nationale Akkreditierungsstelle zuständig wäre (Artikel 6 Absatz 3).

4. Räumlicher Aufgabenbereich der Akkreditierungsstellen

Grundsätzlich muss sich eine Konformitätsbewertungsstelle an die nationale Akkreditierungsstelle des EU-Mitgliedstaats wenden, in dem sie niedergelassen ist (Artikel 7). Dem Grundsatz nach kann sie nur dort erfolgreich die Akkreditierungsurkunde beantragen. Allerdings gibt es Ausnahmen (Artikel 7 Absatz 2). So muss sich eine Konformitätsbewertungsstelle an die Akkreditierungsstelle eines andere EU-Mitgliedstaats wenden, wenn das Land, in dem sie niedergelassen ist, gar keine eigene Akkreditierungsstelle unterhält, sondern auf diejenige eines anderes EU-Mitgliedstaats zurückgreift.

In manchen Fällen kann zudem die Akkreditierungsstelle eines EU-Mitgliedstaats diejenige eines anderen EU-Mitgliedstaates ersuchen, einen Teil der Begutachtungstätigkeit zu übernehmen (Artikel 7 Absatz 3).

5. Weitere Anforderungen an Akkreditierungsstellen

Die Verordnung enthält weitere Anforderungen an Akkreditierungsstellen (Artikel 8). So müssen Akkreditierungsstellen unabhängig von Konformitätsbewertungsstellen sein und dürfen keinen kommerziellen Interessen folgen (Artikel 8 Nr. 1). Da der zuletzt genannte Punkt (vgl. bereits die angesprochene Pflicht zur nicht gewinnorientierten Arbeit der Akkreditierungsstellen nach Artikel 4 Absatz 7) in der Verordnung mehrfach erwähnt und somit ausdrücklich betont wird, ist er besonders bedeutsam. Die EU will dadurch erreichen, dass sich die Akkreditierungsstellen voll und ganz auf ihre Aufgabentätigkeit konzentrieren und auf diese Weise maximal für die Sicherheit von Produkten sorgen.

Wie bereits in den Erwägungsgründen erwähnt wird, ist es wichtig, dass die Akkreditierungsstellen die Vertraulichkeit von erlangten Informationen gewährleisten (Artikel 8 Nr. 4). Daneben müssen die Akkreditierungsstellen Verfahren zur internen Kontrolle (Artikel 8 Nr. 6) sowie zur Überwachung der eigenen Mitarbeiter (Artikel 8 Nr. 9) schaffen.

Zudem müssen die Akkreditierungsstellen überprüfen, dass die von ihnen überwachten Konformitätsbewertungsstellen ihre Bewertungen in einer Art und Weise durchführen, die die entsprechenden Betriebe möglichst gering belasten (Artikel 8 Nr. 10). Schließlich müssen die Akkreditierungsstellen ihre Jahresbilanzen veröffentlichen (Artikel 8 Nr. 11).

6. Überwachung der Akkreditierungsstellen

Die Kontrolle und Überwachung der nationalen Akkreditierungsstellen muss der jeweilige EU-Mitgliedstaat, dem die Akkreditierungsstelle angehört, sicherstellen und ggf. für entsprechende Korrekturmaßnahmen sorgen (Artikel 9). Insbesondere müssen die EU-Mitgliedstaaten darauf achten, dass ihre nationalen Akkreditierungsstellen die Anforderungen aus der EG-Verordnung erfüllen.

Auch auf EU-Ebene sieht die EG-Verordnung eine Überwachung der nationalen Akkreditierungsstellen vor (sog. „Beurteilung unter Gleichrangigen“ nach Artikel 10). Das Ergebnis dieser Überprüfung auf EU-Ebene wird veröffentlicht und den anderen EU-Mitgliedstaaten sowie der EU-Kommission mitgeteilt (Artikel 10 Absatz 6). Bei denjenigen nationalen Akkreditierungsstellen, die sich der angesprochenen „Beurteilung unter Gleichrangigen“ unterzogen haben, wird von Gesetzes wegen vermutet, dass sie die einschlägigen Anforderungen für Akkreditierungsstellen erfüllen (Artikel 11 Absatz 1). Wegen dieser EU-weiten Kontrolle und der damit verbundenen einheitlichen Standards der verschiedenen nationalen Akkreditierungsstellen in der EU sollen die nationalen Behörden eines Mitgliedstaates die EU-geprüften Akkreditierungsstellen der anderen Mitgliedstaaten sowie die von diesen ausgestellten Akkreditierungsurkunden anerkennen. Auf diese Weise soll eine EU-weite Harmonisierung auf Grundlage gegenseitigen Vertrauens in Bezug auf die Markt- und Produktüberwachung in der EU erreicht werden.

7. Weiterentwicklung der Akkreditierung auf EU-Ebene

Eine sog. „anerkannte Stelle“ soll auf EU-Ebene das Akkreditierungssystem weiter ausbauen und zu einer noch größeren Harmonisierung innerhalb der EU führen (Artikel 13 und 14).

Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die EG-Verordnung Nr. 765/2008 lediglich ein grober Rechtsrahmen sein soll, innerhalb dessen die Markt- und Produktüberwachung in der EU weiterentwickelt werden soll. Das ist der Grund, weshalb sich die Regelungen in der Verordnung recht abstrakt lesen. Sie bedürfen weiterer Konkretisierung, nicht nur auf der Ebene der EU-Mitgliedstaaten, sondern auch auf der Ebene der EU selbst.

V. Die Marktüberwachung durch die Mitgliedstaaten

Das dritte Kapitel der Verordnung behandelt die gemeinschaftliche, d.h. EU-weite Marktüberwachung. Welche Produkte von dieser Marktüberwachung betroffen sind und welche Behörden in diesem Zusammenhang eingreifen, soll ausführlich im Folgenden dargestellt werden.

1. Was bedeutet Marktüberwachung?

Marktüberwachung ist ein vielschichtiges und komplexes Vorhaben. Man unterscheidet dabei generell zwischen der sog. reaktiven Marktüberwachung, bei der die entsprechenden Marktüberwachungsbehörden auf an sie herangetragene Informationen reagieren und aus diesem Grund tätig werden, sowie der sog. pro-aktiven Marktüberwachung, bei der die Marktüberwachungsbehörden von selbst tätig werden.

Bei ihrer Tätigkeit haben die (nationalen) Marktüberwachungsbehörden verschiedene Aufgaben. Zum einen sollen sie den Marktakteuren, insbesondere den Hersteller-Unternehmen, Informationen über ihre rechtlichen Verpflichtungen zur Verfügung stellen. Zum anderen sollen die Behörden Informationen verarbeiten. So sollen sie Unfallberichte und Testzeitschriften auswerten sowie Beschwerden von Verbrauchern entgegennehmen. Zudem sollen die Marktüberwachungsbehörden möglichst eng mit den Zollbehörden zusammenarbeiten, um gefährliche Produkte identifizieren und unschädlich machen zu können. Schließlich sollen die Behörden eine Art Jahresplan aufstellen, in dem Handlungsfelder und Zielvorgaben sowie Vorschläge für mögliche Aktionen enthalten sind. In Deutschland enthielt dieser Plan für die Jahre 2010 – 2013 beispielsweise das Ziel der Optimierung der zielgruppenbezogenen Informationen und stellte Billigprodukte aus Drittländern sowie die Sicherheit von Produkten für Kinder in den Fokus.

Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollen die Marktüberwachungsbehörden stets freiwillige Maßnahmen der Wirtschaftsakteure berücksichtigen.

2. Geltungsbereich der Marktüberwachung

Die Marktüberwachung, die die EG-Verordnung Nr. 765/2008 anspricht, bezieht sich auf die Produkte, die unter die Harmonisierungsvorschriften der EU fallen (Artikel 15 Absatz 1). Dabei gibt es gibt eine Vielzahl von EG-Richtlinien und EG-Verordnungen, die Anforderungen an die Produkte, die in der EU gehandelt werden, stellen. Die Regelungen über die Marktüberwachung nach der EG-Verordnung Nr. 765/2008 beziehen sich nur auf solche Produkte. Wenn die Marktüberwachungsbehörden aufgrund anderer EU-Vorschriften speziellere Maßnahmen als nach der Verordnung vornehmen dürfen, so sind sie nach der Verordnung nicht generell daran gehindert, diese spezielleren Maßnahmen zu ergreifen (Artikel 15 Absatz 3). Wird jedoch nach den anderen Vorschriften dasselbe Ziel wie in der Verordnung verfolgt, so sollen nur die Vorschriften der Verordnung anwendbar sein (Artikel 15 Absatz 2).

In der Verordnung meint der Begriff „Produkt“ einen Stoff, eine Zubereitung oder eine Ware, der bzw. die durch den Fertigungsprozess hergestellt worden ist, außer Lebensmitteln, Futtermitteln, lebenden Pflanzen und Tieren, Erzeugnissen menschlichen Ursprungs und Erzeugnissen von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen (Artikel 15 Absatz 4).

3. Allgemeine Anforderungen an die Marktüberwachung

Laut der Verordnung erfolgt die Marktüberwachung nicht auf der Ebene der EU, sondern auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Dies bedeutet, dass alle EU-Mitgliedstaaten nach den Vorgaben und Rahmenbedingungen aus der EG-Verordnung die Marktüberwachung organisieren müssen, so dass im Ergebnis in der gesamten EU eine nach einheitlichen Kriterien strukturierte Marktüberwachung stattfindet (Artikel 16 Absatz 1).

Die Hauptaufgabe der jeweiligen nationalen Marktüberwachung ist es, dass die Produkte, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung oder bei einer solchen Verwendung, die man ohne Weiteres vorhersehen kann, und bei ordnungsgemäßer Installation und Wartung die Gesundheit oder die Sicherheit der Benutzer gefährden können, vom Markt genommen werden (Artikel 16 Absatz 2). Dasselbe gilt für Produkte, die die Anforderungen, die in den harmonisierten EU-Vorschriften an sie gestellt werden, nicht erfüllen (Artikel 16 Absatz 2). Zudem müssen die Marktüberwachungsbehörden die Öffentlichkeit, die EU-Kommission sowie die anderen Mitgliedstaaten über solche Vorfälle und Maßnahmen informieren (Artikel 16 Absatz 2).

Darüber hinaus müssen die Marktüberwachungsbehörden für die verschiedenen Produktarten Programme – also bestimmte Arten von Plänen – aufstellen, auf deren Grundlage sie den Markt für diese Produkte überwachen und so für sichere Produkte am Markt sorgen.

4. Information und Organisation

Die nationalen Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten sind verpflichtet, möglichst transparent zu arbeiten. So müssen sie u.a. ihre Struktur und ihren Zuständigkeitsbereich der EU-Kommission melden. Diese wiederum gibt die Informationen an die anderen Mitgliedstaaten weiter (Artikel 17 Absatz 1). Dasselbe gilt für die Öffentlichkeit: die Marktüberwachungsbehörden, von denen es je nach innerstaatlicher Organisation mehrere – etwa für verschiedene Produktkategorien – geben kann, müssen über ihr Dasein und ihren Zuständigkeitsbereich die Öffentlichkeit, d.h. die Bürger, Hersteller, Händler usw. informieren (Artikel 17 Absatz 2). Die Marktüberwachungsbehörden müssen zudem kundtun, wie man Kontakt zu ihnen aufnehmen kann – etwa um Beschwerden über Produkte loszuwerden.

Selbstverständlich ist, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Marktüberwachungsbehörden mit genügend Ressourcen (Budget) und Befugnissen ausstatten müssen, so dass sie ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen können (Artikel 19 Absatz 3). Zudem müssen sie ihre Marktüberwachung so organisieren, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen nationalen Marktüberwachungsbehörden funktioniert (Artikel 19 Absatz 1) und die Behandlung von Beschwerden und Berichten über von Produkten ausgehenden Gefahren sowie die Überprüfung von Unfällen und Gesundheitsschäden, die möglicherweise von Produkten ausgehen, geregelt ist (Artikel 19 Absatz 2 lit. a und lit. b).

Schließlich ist vorgesehen, dass die einzelnen EU-Mitgliedstaaten allgemeine oder sektorspezifische Marktüberwachungsprogramme aufstellen und darüber die EU-Kommission und die anderen EU-Mitgliedstaaten informieren (Artikel 19 Absatz 5). Sie müssen auch die Öffentlichkeit, beispielsweise im Internet, über diese Programme aufklären.

5. Konkrete Maßnahmen der Marktüberwachung

Die Grundzüge der Arbeitsweise der nationalen Marktüberwachungsbehörden sind in der Verordnung vorgegeben (Artikel 19). So müssen sich die Behörden an den folgenden Grundsätzen orientieren:

  • Sie sollen stichprobenartige Kontrollen von Unterlagen über Produkte (z.B. Pläne) sowie physische Kontrollen und Laboruntersuchungen durchführen.
  • Die Behörden können Unternehmen, d.h. insbesondere Hersteller und Händler, dazu bewegen, relevante Unterlagen herauszugeben. Daneben dürfen sie Geschäftsräume betreten, wenn dies nötig ist. Dabei müssen die Behörden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.
  • Neben Beschwerden und allgemeinen Informationen, die ihnen zur Verfügung stehen, berücksichtigen die Marktüberwachungsbehörden bei ihrer Arbeit bereits vorhandene Prüfberichte und Konformitätsbewertungen von Konformitätsbewertungsstellen.
  • Ggf. sprechen die Behörden Warnungen vor gefährlichen Produkten in der Öffentlichkeit aus, um auf diese Weise die von diesen Produkten ausgehenden Gefahren zu minimieren.
  • Die Marktüberwachungsbehörden müssen unabhängig, unparteiisch und unvoreingenommen agieren.
  • Die Behörden müssen nach Möglichkeit die Vertraulichkeit von Betriebsgeheimnissen wahren. Allerdings sind sie gleichfalls verpflichtet, Informationen an die Öffentlichkeit weiterzugeben, wenn dies für die Gewährung der Sicherheit und Gesundheit bzw. die Abwendung von Gefahren erforderlich ist.
  • Falls von Produkten ernste Gefahren ausgehen, müssen die EU-Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass schnell reagiert wird: insbesondere muss das Produkt schnell vom Markt genommen bzw. zurückgerufen werden können (Artikel 20). Daneben muss die EU-Kommission so schnell wie möglich informiert werden (Artikel 22 Absatz 1).
  • Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörden, die dazu führen, dass Produkte vom Markt genommen werden müssen o.ä., müssen verhältnismäßig sein und begründet werden (Artikel 21 Absatz 1). Zudem soll – nach Möglichkeit, es sei denn, zur Bannung der Gefahr muss im Einzelfall besonders schnell gehandelt werden – das betroffene Unternehmen (Hersteller, Händler etc.) im Vorfeld der Maßnahme angehört werden (Artikel 21 Absatz 3). Jedenfalls aber ist das betroffene Unternehmen über entsprechende Maßnahmen sowie dagegen mögliche Rechtsmittel zu informieren bzw. zu belehren (Artikel 21 Absatz 2).

Wenn ein Unternehmen nachweisen kann, dass es selbst wirksame Maßnahmen gegen Gefahren, die von ihren Produkten ausgehen, unternommen haben, so muss die Marktüberwachungsbehörde die eigenen Maßnahmen sofort zurücknehmen oder abändern (Artikel 21 Absatz 4).

6. Zusammenarbeit zwischen der EU-Kommission und den EU-Mitgliedstaaten

Neben der Etablierung EU-einheitlicher Standards bei der Durchführung von Kontrollen der Marktüberwachungsbehörden hat die EG-Verordnung Nr. 765/2008 zum Ziel, die Kommunikation, den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden, d.h. zwischen den Mitgliedstaaten untereinander und im Verhältnis zu EU-Kommission zu verbessern.

So soll ein Schnellinformationssystem zur Warnung vor ernsthaft gefährlichen Produkten aufgebaut werden (Artikel 22). Daneben soll ein allgemeines elektronisches System für das Informationsmanagement unterhalten werden (Artikel 23), in das die einzelnen Behörden ihre Informationen aus der Marktüberwachung, insbesondere über gefährliche Produkte, eingeben und auf diese Weise miteinander teilen.

Für die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission sind in der Verordnung eine Reihe von Grundsätzen festgelegt (Artikel 24):

  • Generell müssen die einzelnen EU-Mitgliedstaaten einen zuverlässig funktionierenden Informationsaustausch zwischen den eigenen nationalen Behörden, denen der anderen Mitgliedstaaten sowie im Verhältnis zur EU-Kommission gewährleisten.
  • Amtshilfe zwischen den Behörden verschiedener Mitgliedstaaten soll in der Form möglich sein, dass Unterlagen und Informationen grenzüberschreitend genutzt werden können.
  • Darüber hinaus gibt es Anweisungen, wie die Informationen zu kennzeichnen sind.

Schließlich sollen zwischen den Marktüberwachungsbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten nach Möglichkeit Schulungs- und Austauschprogramme stattfinden (Artikel 25 Absatz 2 lit. a). Zudem ist vorgesehen, dass Systeme bzw. Datenbanken zur gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und Fachwissen aufgebaut werden können (Artikel 25 Absatz 1).

Im Übrigen können die nationalen Marktüberwachungsbehörden auch mit den entsprechenden Behörden von Drittstaaten, also von Nicht-EU-Ländern, zusammenarbeiten und die EU-Marktüberwachung auf diese Weise fördern und stärken (Artikel 26).

VI. Kontrolle von Produkten aus Drittländern

Anders als bei Produkten, die in der EU hergestellt werden und in der EU in den Handel gelangen, gibt es bei Produkten, die aus sog. Drittländern, d.h. aus Nicht-EU-Staaten, in die EU eingeführt werden, ein standardisiertes Kontrollverfahren.

In Deutschland gibt es für diesen Bereich beispielsweise die Zollbehörden, die die Einfuhr von Produkten kontrollieren. Die EG-Verordnung Nr. 765/2008 sieht vor, dass die für die Kontrolle der EU-Außengrenzen zuständigen Behörden (in Deutschland folglich die Zollbehörden) mit den anderen (Marktüberwachungs-)Behörden eng zusammenarbeiten und Informationen austauschen (Artikel 27).

Dabei sollen folgende Grundsätze Beachtung finden:

  • Die für die Kontrolle der EU-Außengrenzen zuständigen Behörden (in Deutschland die entsprechenden Zollbehörden) sollen teilweise als Marktüberwachungsbehörden für die in die EU eingeführten Produkte fungieren (Artikel 27 Absatz 1) und eng mit den (anderen) nationalen Marktüberwachungsbehörden zusammenarbeiten, insbesondere in Bezug auf den gegenseitigen Informationsaustausch (Artikel 27 Absatz 2).
  • Die Behörden, die die Außengrenzen kontrollieren, können die Freigabe der aus Drittländern eingeführten Produkte aussetzen, d.h. verhindern, dass diese Produkte in den EU-Markt kommen, wenn diese Produkte bei bestimmungsgemäßer Verwendung und/oder ordnungsgemäßer Installation und Wartung eine „ernste Gefahr“ für die Gesundheit, Sicherheit, Umwelt oder andere öffentliche Interessen darstellt, nicht die im EU-Recht vorgeschriebenen (elektronischen) Erklärungen bzw. Unterlagen oder Kennzeichnung(en) enthält oder die CE-Kennzeichnung in irreführender Weise angebracht worden ist (Artikel 27 Absatz 2).
  • Nachdem die Behörden, die für die Kontrolle an den Außengrenzen zuständig sind, die Freigabe von Produkten in den EU-Markt ausgesetzt haben, weil die Produkte eine ernste Gefahr darstellen oder nicht mit den produktspezifischen EU-Vorschriften in Einklang stehen, treten die (anderen) nationalen Marktüberwachungsbehörden auf den Plan. Sie müssen die Produkte für den EU-Marktzugang wieder freigeben, wenn sie nach ihrer eigenen Überprüfung feststellen, dass tatsächlich keine ernste Gefahr besteht oder die erforderlichen EU-Vorschriften eingehalten werden (Artikel 28 Absatz 2).
  • Wenn die Marktüberwachungsbehörden allerdings feststellen, dass von den jeweiligen Produkte in der Tat eine ernste Gefahr ausgeht, so verhindern sie das Inverkehrbringen dieser Produkte in den EU-Markt und fordern die für die Kontrolle der Außengrenzen zuständigen Behörden dazu auf, diese Produkte bzw. deren Warenbegleitunterlagen entsprechend zu kennzeichnen (Artikel 29 Absatz 1).
  • Falls die Produkte nicht mit den produktspezifischen EU-Vorschriften in Einklang stehen, treffen die Marktüberwachungsbehörden gleichfalls geeignete Maßnahmen bis hin – falls erforderlich – zum Verbot des Inverkehrbringens der Produkte. Zudem fordern sie die für die Kontrolle der Außengrenzen zuständige Behörde dazu auf, diese Produkte bzw. die entsprechenden Warenbegleitunterlagen mit einer Kennzeichnung zu versehen, dass die Produkte nicht mit den einschlägigen EU-Vorschriften in Einklang stehen (Artikel 29 Absatz 2).
  • Grundsätzlich können zudem die (jeweils dafür zuständigen) Behörden der EU-Mitgliedstaaten Produkte, die eine ernste Gefahr für die Sicherheit, Gesundheit etc. darstellen, vernichten, wenn sie dies für erforderlich und verhältnismäßig halten (Artikel 29 Absatz 4).

VII. Die CE-Kennzeichnung

Gebündelt in Artikel 30 werden in der Verordnung einige allgemeine Grundsätze für die CE-Kennzeichnung festgelegt.

Demnach gilt Folgendes:

  • Die CE-Kennzeichnung – mit der ausgedrückt wird, dass das damit gekennzeichnete Produkt mit den für dieses Produkt einschlägigen EU-Vorschriften in Einklang steht – darf allein vom Hersteller oder einem vom Hersteller dazu Bevollmächtigten auf dem jeweiligen Produkt angebracht werden (Artikel 30 Absatz ).
  • Allerdings darf die CE-Kennzeichnung – die als Grafik im Anhang II der Verordnung abgebildet ist – nur auf denjenigen Produkten angebracht werden, für die das EU-Recht die Anbringung explizit auch vorschreibt (Artikel 30 Absatz 2).
  • Durch die Anbringung der CE-Kennzeichnung auf seinen Produkten übernimmt ein Hersteller die Verantwortung dafür, dass das Produkt die einschlägigen EU-Vorschriften tatsächlich beachtet (Artikel 30 Absatz 3).
  • Auf den Produkten dürfen keine Zeichen oder Kennzeichnungen etc. angebracht werden, die der CE-Kennzeichnung ähneln und daher mit dieser verwechselt werden können. Zudem darf die Erkennbarkeit der CE-Kennzeichnung nicht durch die Anbringung anderer Zeichen o.ä. beeinträchtigt werden (Artikel 30 Absatz 5).
  • Für die ordnungsgemäße Durchführung des Systems der CE-Kennzeichnung sind die einzelnen EU-Mitgliedstaaten zuständig. Dies bedeutet, dass jeder EU-Mitgliedstaat gegen die missbräuchliche Verwendung in seinem Hoheitsgebiet einschreiten und für Verstöße (ggf. auch strafrechtliche) Sanktionen vorsehen muss (Artikel 30 Absatz 6).

VIII. Fazit

Das in der EG-Verordnung Nr. 765/2008 dargestellte „New Legislative Framework“, d.h. der neue Rechtsrahmen für die Markt- und Produktüberwachung in der EU ist ein komplexes Thema, in das sich der unbedarfte Laie nur äußerst mühsam einarbeiten kann. Das hängt u.a. damit zusammen, dass in der Verordnung nicht etwa ganz konkrete Handlungsanweisungen, sondern lediglich abstrakt formulierte Grundsätze und Zielvorstellungen enthalten sind.

So schreibt die EU in der Verordnung ihren Mitgliedstaaten vor, wie diese ihre Akkreditierungsstellen einzurichten und zu unterhalten haben und wie die in erster Linie dafür zuständigen EU-Mitgliedstaaten die Markt- und Produktüberwachung organisieren müssen. Dabei hat die EU die Vorstellung, dass durch die gemeinsame Basis ein EU-weit einheitlicher Qualitätsstandard für die Überwachung der Sicherheit von Produkten erreicht wird. Diese gemeinsame Basis soll zudem in den nächsten Jahren durch eine umfassende, enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden der einzelnen EU-Mitgliedstaaten untereinander sowie im Verhältnis zur EU-Kommission und insbesondere durch regen Informationsaustausch zementiert werden.

Zu beachten ist dabei, dass für spezielle Produktarten ebenso spezielle EU-Vorschriften gelten (können), die entweder ausschließlich oder ggf. im Zusammenspiel bzw. in Ergänzung mit der EG-Verordnung Nr. 765/2008 Wirkung entfalten. Durch diese Regelungsweise hat die EU ein komplexes, recht unübersichtliches Regelungskonstrukt geschaffen. Das führt dazu, dass es für Hersteller unglaublich schwierig ist, die für sie bzw. ihre Produkte einschlägigen Regelungen zu finden, um sie in der Folge auch beachten zu können.

Bei Rückfragen und Problemen zu diesem Thema steht Ihnen das Team der IT-Recht Kanzlei selbstverständlich gerne zur Verfügung.

 

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2 Kommentare

R
Rudolf Weinzierl 16.02.2017, 13:04 Uhr
Dipl.-Ing. (FH)
............. und wie lautet die Antwort auf die Frage von Jolli11
?

Grüße
RW
J
Jole11 05.09.2012, 16:01 Uhr
fehlende Kontaktdaten auf Produkten
Wiederholt fällt mir auf, dass beispielsweise auf Produkten wie "kompatible Tintenpatronen" die nach dem ProdSG geforderten Herstellerangaben etc. fehlen.

Die Händler dieser Produkte wissen in der Regel gar nicht, was man als Verbraucher diesbezüg- lich von ihnen fordert.
Sie verweigern schlichtweg -auch im Schadensfall die Herstellerangabe und dies mit der Begründung eines entsprechenden Betriebsgeheimnisses.

Nun meine Frage:
Interessieren sich die Marktüberwachungsbehörden überhaupt für solche Fälle und ggf., warum
werden solche Produkte (oftmals aus China) in dieser Masse ohne Einhaltung entsprechender Vorschriften fortdauernd gehandelt?
Man schaue sich insoweit nur das Internet und dort u. a. die Plattform "Ebay" an!

Gerne höre ich insoweit kurz von Ihnen und verbleibe im Übrigen

m.f.G.

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