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Zweiwöchiges Widerrufsrecht bei Amazon doch nicht wettbewerbswidrig?

26.06.2007, 00:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Zweiwöchiges Widerrufsrecht bei Amazon doch nicht wettbewerbswidrig?

Wie der Mediendienst www.shopbetreiber-blog.de berichtet, hat das Landgericht Berlin mit Urteil v. 24.5.2007 (16 O 149/07) entschieden, dass die Verwendung einer Widerrufsbelehrung, die auf eine zweiwöchige Widerrufsfrist für Verbraucher hinweist, im Zusammenhang mit Verkaufsgeschäften über die Internetplattform amazon-Marketplace in der Regel nicht unzulässig und/oder wettbewerbswidrig ist.

Nach Auffassung des Gerichts stellen die auf der Internetplattform amazon-Marketplace angebotenen Artikel im Gegensatz zu Angeboten auf der Verkaufsplattform eBay in der Regel noch kein verbindliches Angebot des Verkäufers zum Abschluss eines Kaufvertrages dar. Der Verkäufer fordere den Käufer hier vielmehr zur Abgabe eines entsprechenden Angebots auf (sog. invitatio ad offerendum). Der Vertrag komme in solchen Fällen daher regelmäßig erst durch eine Bestätigungs-E-Mail des Verkäufers, in der die Annahme des Angebots erklärt wird, zustande. Dies ergebe sich aus einer interessengerechten Auslegung der bei amazon-Marketplace abgegebenen Willenserklärungen. Anders als bei eBay werde bei amazon nicht in den AGB festgelegt, wann letztlich der Vertragsschluss erfolgt. Dies habe wiederum zur Folge, dass eine Widerrufsbelehrung, die dem Käufer in der entsprechenden Bestätigungs-E-Mail mitgeteilt wird „bei Vertragsschluss” in Textform erfolge und daher den Lauf einer zweiwöchigen Widerrufsfrist in Gang setze. Der Verbraucher müsse in solchen Fällen daher nicht über ein einmonatiges Widerrufsrecht informiert werden.

„(…)Die unter www.amazon.de abrufbare Offerte der Antragsgegnerin, bestehend aus der Artikelbeschreibung eines Multifunktionsgerätes Lexmark P 6350 nebst Preisangabe und sonstigen Kaufinformationen beinhaltet noch keine bindende, auf den Verkauf der Ware gerichtete Willenserklärung im Sinne des § 145 BGB, sondern stellt lediglich eine Aufforderung an den Betrachter dar, seinerseits ein Kaufangebot abzugeben (so genannte invitatio ad offerendum). Der Vertrag kommt erst mit Annahme dieses Angebotes durch die Antragsgegnerin zustande. Das geschieht nach ihren Angaben in der Widerspruchsschrift durch Versendung einer den Vertragsschluss bestätigenden Email, der eine Widerrufsbelehrung beigefügt ist. Die Verkörperung der Belehrung in einer Email wahrt das Textformerfordernis des § 126b BGB, weil die Botschaft dem Empfänger übermittelt wird und er sie jederzeit von seinem eigenen Server abrufen und speichern kann (Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., Rdnr. 3 zu § 126b). Die Antragsgegnerin belehrt ihre Kunden daher schon bei Vertragsschluss über ihr Recht zum Widerruf. Es verbleibt mithin bei der zweiwöchigen Widerrufsfrist. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB, denn der Gesetzgeber knüpft den längeren Fristlauf nach dieser Bestimmung ausdrücklich an die Voraussetzung einer erst nach – und nicht bei – Vertragsschluss erfolgten Belehrung. (…)”

Außerdem hielt das Gericht die Verwendung der Formulierung „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung” – anders als zuvor das Kammergericht Berlin (Az:5 W 295/06) und das OLG Hamm (Az. 4 W 1/07) – nicht für wettbewerbswidrig, da der verständige Verbraucher nicht annehmen würde, dass bereits mit Lektüre der Bildschirmbelehrung der Fristlauf beginnt.

”(…)Soweit sich die Antragsgegnerin daneben gegen die Angabe zum Beginn des Fristenlaufs mit „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung” wendet, steht ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht zu. Sie beanstandet die Information, die die Antragsgegnerin dem Verbraucher zukommen lässt, bevor er seine Vertragserklärung abgibt. Es kommt daher § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB zur Anwendung. Danach ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich die Information zur Verfügung zu stellen, für die dies u.a. in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV bestimmt ist. Dazu zählen Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen des Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung etc. Zwar erweist sich die Angabe zum Fristbeginn danach als unklar, weil sie nicht mit Erhalt dieser, gerade angezeigten Widerrufsbelehrung zu laufen beginnt, sondern erst mit der in Textform noch gesondert mitzuteilenden Belehrung, die dem Verbraucher mit der den Vertragsschluss bestätigenden Email übermittelt wird. Unter diesen Umständen entfaltet die objektiv unzutreffende Belehrung nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB aber keine wettbewerbliche Relevanz, weil sie den Verbraucher in der Wahrnehmung seiner Rechte nicht behindert. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Empfänger der Nachricht annähme, die Widerrufsfrist beginne schon in dem Zeitpunkt, in dem er die Widerrufsbelehrung erstmals am Bildschirm wahrgenommen hat. In diesem Fall wäre die Frist um die Zeit verkürzt, die bis zum Erhalt der Email verstrichen ist. Ein solches Verständnis eines durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbrauchers erscheint allerdings fern liegend. Nahe liegend ist die (zutreffende) Annahme, die gerade empfangene elektronische Post beinhalte den „Erhalt” der Belehrung und setze den Fristlauf in Gang. Der Verbraucher, der einen Kaufvertrag abgeschlossen hat, ist daher nicht gehindert, seine Vertragserklärung fristgerecht zu widerrufen. Anders wäre es dann, wenn der Kunde die Email – sei es generell, sei es im Einzelfall – nicht erhielte. Einen solchen Sachverhalt trägt die Antragsgegnerin aber nicht vor. (…)”

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Fazit

Die Entscheidung des LG Berlin beinhaltet neuen Zündstoff, der die Diskussion um die geltenden Verbraucherschutznormen im Fernabsatz weiter anheizen wird. Keinesfalls sollte aus dem Urteil der Schluss gezogen werden, man könne als Shop-Betreiber bei amazon nun stets über ein zweiwöchiges Widerrufsrecht belehren, da der Vertrag mit dem Verbraucher ohnehin erst durch eine entsprechende Bestätigungsmail des Verkäufers zustande komme. Die Entscheidung des LG Berlin macht insoweit deutlich, dass der Zeitpunkt des Vertragsschlusses grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln ist. Diese Auslegung kann in einem anders gelagerten Fall, als dem vom Gericht entschiedenen, zu einem anderen Ergebnis führen. Zur Vermeidung von Missverständnissen sollten Online-Shop-Betreiber gegenüber Verbrauchern klarstellen, wann der Vertragsschluss erfolgt. Dies kann etwa durch eine entsprechende Klausel in AGB oder durch einen entsprechenden Hinweis in der Bestätigungsmail des Verkäufers erfolgen.

Mit Vorsicht ist die Entscheidung zu genießen, soweit darin festgestellt wird, dass die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung” zum Beginn der Widerrufsfrist wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist. Dies wurde – wie oben dargestellt - bereits von zwei höherrangigen Gerichten anders beurteilt. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Entscheidung insoweit überhaupt rechtlichen Bestand haben wird.

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Bildquelle:
Kurt F. Domnik / PIXELIO

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