Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet – Gerichtszuständigkeit und anwendbares Recht bei internationalen Sachverhalten
Weltweit nutzen über 2 Milliarden Menschen das World Wide Web. Auseinandersetzungen, die die Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit einerseits und das Recht auf Schutz der Ehre und Persönlichkeit andererseits betreffen, bleiben nicht aus. Geht es um die Verletzung des Persönlichkeitsrechts wegen einer Veröffentlichung im Internet, sind vor dem Gang zu Gericht folgende Fragen zu klären: Welches Gericht ist für die Entscheidung zuständig und welches nationale Recht ist anzuwenden? …
Inhaltsverzeichnis
Besonders wichtig ist die Klärung der Frage der Gerichtszuständigkeit und des anwendbaren Rechts bei internationalen Sachverhalten.
Beispiel: Eine Person mit Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Deutschland fühlt sich wegen eines Berichts eines ausländischen News-Portals in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt.
1. Gerichtszuständigkeit
Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet kommen drei Gerichtsstände in Betracht. Der Kläger kann wählen zwischen
- Klage am Beklagtensitz
Hinweis: Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) legt den Beklagtengerichtsstand fest.
- Klage an dem Interessenmittelpunkt des Klägers
Hinweis: Ein neben dem Beklagtengerichtsstand zusätzlicher besonderer Gerichtsstand für Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ist an dem Ort begründet, an dem das schädigende Ereignis entstanden ist oder einzutreten droht. Das gilt gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO wenn es um einer unerlaubte Handlung geht. Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
Der Ort, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht, kann, so der Europäische Gerichtshof (EuGH) am besten von dem Gericht des Ortes beurteilt werden, an dem das mutmaßliche Opfer den Mittelpunkt seiner Interessen habe. Dieser entspreche im Allgemeinen seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort oder dem Ort der beruflichen Tätigkeit.
- auf nationale Teilschäden beschränkte Einzelklagen in jedem Staat, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war.##
2. Anwendbares Recht
Nach Art. 40 Abs. 1 S.2 EGBGB kann der Verletzte bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung verlangen, dass statt des Rechts des Handlungsortes das Recht des Erfolgsortes angewendet wird:
- Handlungsort wäre der ausländische Sitz des Webseitenbetreibers, danach wäre deutsches Recht nicht anwendbar.
- Der in Deutschland wohnhafte Verletzte kann sich aber auf den Erfolgsort berufen, so dass deutsches Recht anwendbar ist. Der Erfolgsort ist in Deutschland, weil der „Achtungsanspruch“ des Betroffenen an seinem Wohnort gestört wird.
3. Reichweite des Persönlichkeitsschutz
Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als so genanntes Rahmenrecht ist seine Reichweite nicht genau festgesetzt. Vielmehr ist sie durch Abwägung grundrechtlich geschützter Belange zu bestimmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls, die betroffenen Grundrechte und die Europäischen Menschenrechtskonvention heranzuziehen.
Es liegt daher nur dann ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt, was über eine Interessenabwägung im Einzelfall entschieden wird.
4. Fazit
Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers wegen einer Veröffentlichung im Internet ist nur dann rechtswidrig, wenn das von dem Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und sein Recht auf freie Meinungsäußerung hinter dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens zurücktritt. Das Gericht wird in solchen Fällen eine Einzelfallabwägung vornehmen.
Vor Einreichung einer einstweiligen Verfügung oder Klage müssen bei internationalen Sachverhalten die Vorfragen der Gerichtszuständigkeit und des anwendbaren Rechts geklärt werden.
Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet stehen drei Gerichtsstände zur Verfügung. Der Verletzte wird sich aus Praktikabilitätsgründen meist für ein gerichtliches Vorgehen an seinem eigenen Interessenmittelpunkt entscheiden. Dieser entspricht in der Regel seinem gewöhnlichen Aufenthalt oder beruflichen Tätigkeitsort.
Im oben genannten Beispiel sind die deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO jedenfalls laut EuGH zuständig, da der Verletzte seinen Wohnsitz in Deutschland hat und in Deutschland sozial und familiär eingebunden ist (Interessenmittelpunkt).
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© smackthat - Fotolia.com
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