Im Laden geschlossener Fernabsatzvertrag: Auch das gibt’s!
Ein Kunde betritt ein Ladengeschäft, lässt sich allgemein beraten, und schließt dann einen Fernabsatzvertrag – gibt’s nicht? Nach Ansicht des Amtsgerichtes Frankfurt am Main schon: Nämlich dann, wenn der Kunde sich vor Ort unverbindlich beraten lässt und später ein konkretes Angebot per e-Mail erhält (vgl. AG Frankfurt a.M., Urt. v. 06.06.2011, Az. 31 C 2577/10).
Und so kam’s: Ein Ehepaar wollte sich einen Kaminofen zulegen und sah sich verschiedene Modelle in den Verkaufsräumen eines Händlers an. Der Händler schickte später ein Angebot mit detaillierten Informationen per e-Mail, das später – ebenfalls elektronisch – angenommen wurde. Nachdem sich jedoch herausstellte, dass der Außenwandanschluss optisch nicht den Vorstellungen der Käufer entsprach, bestritten diese den wirksamen Abschluss des Kaufvertrags.
Und zwar völlig zu Recht, wie im Amtsgericht Frankfurt a.M. entschieden wurde. Eine klassische Anfechtung des Vertrags kam zwar nicht infrage, wohl aber ein Widerruf – schließlich lag durch den Abschluss per e-Mail ein Fernabsatzvertrag vor; der vorhergehende Besuch des Verkaufslokals ändert daran nichts (AG Frankfurt a.M., Urt. v. 06.06.2011, Az. 31 C 2577/10; mit weiteren Nachweisen):
„Die Kläger konnten ihre auf Annahme des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung […] widerrufen. Ihnen stand ein Widerrufsrecht zu, weil es sich um einen Fernabsatzvertrag nach §§ 312b ff. BGB handelt. Ein Fernabsatzvertrag setzt voraus, dass der Vertrag ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird (§ 312b Abs. 1 BGB) . Angebot und Annahme des Kaufvertrages wurden per E-Mail und damit einem Fernkommunikationsmittel erklärt.
Zwar ist ausweislich § 312b Abs. 2 BGB auch zu beachten, ob im Rahmen der Vertragsanbahnung persönliche Kontakte bestanden. Käme es nur auf die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen an, ließe man die Vorgaben der Fernabsatzrichtlinie außer Acht und entferne sich vom Schutzzweck des Gesetzes […]. Grundgedanke der Fernabsatzrichtline ist, dass der Verbraucher bei einem mit Fernkommunikationsmitteln geschlossenen Vertrag in der Praxis keine Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen […].“
Zwar haben die Kunden hier in der Tat das spätere Kaufobjekt „live“ sehen können, das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass ein Fernabsatzvertrag geschlossen wurde:
„Dennoch steht hier nicht entgegen, dass die Kläger vor Vertragsschluss das Ladengeschäft der Beklagten aufsuchten; unabhängig davon, was vor Ort zwischen den Parteien erörtert wurde. Um die §§ 312b ff. BGB auszuschließen ist entscheidend, ob sich der Verbraucher während des Anbahnungskontakts über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Umstände informiert hat und der Vertrag im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesem persönlichen Kontakt zustande gekommen ist […].“
Dieser unmittelbare zeitliche Zusammenhang war im vorliegenden Fall nicht gewährleistet. Dementsprechend durften die Käufer den Kaufvertrag kommentarlos widerrufen – und mussten sich dabei nicht einmal an die zweiwöchige Frist halten, da ja der Händler im festen Glauben, es handele sich um einen persönlich geschlossenen Vertrag, keine entsprechende Belehrung erteilt hatte.
Kleiner Unterschied, große Wirkung: Hätte der Händler die Herrschaften zum Vertragsabschluss noch einmal in seine Verkaufsräume gebeten, hätten die Käufer keinen Widerruf geltend machen können. Es sei Händlern also dringend angeraten, jeglichen Kundenkontakt der per e-Mail (oder anderen Medien, auch Fax oder Telefon) erfolgt und zu einen Vertragsabschluss führt, als Fernabsatz zu behandeln, d.h. im Zweifel auch mit einer Rücktritts- oder Widerrufsbelehrung zu kombinieren.
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