Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Dr. Thomas Petri, stellte am 01.02.2011 den 24. Tätigkeitsbericht 2010 vor. Der Bericht enthält neben zahlreichen Beiträgen zur Gesetzgebung und Rechtsprechung auch festgestellte Missstände aufgrund von Bürgerbeschwerden und Überprüfungen von Amts wegen bei bayerischen öffentlichen Stellen. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass Bayerns Behörden im Bereich Datenschutz oft zu leichtsinnig sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Tendenz zur Zentralisierung der staatlichen Datenverarbeitung
Der Bericht kritisiert den gegenwärtig Trend in Bayern, die IT-Ressourcen des Freistaats in wenigen Standorten zusammenzufassen. Durch diese Zentralisierung der staatlichen Datenverarbeitung erhoffte man sich niedrigere Gesamtkosten. Auch wenn diese Zielsetzung nachvollziehbar sei, so Petri, werfe die Grundsatzentscheidung unter dem Gesichtspunkt der Datensicherheit und des Datenschutzes erhebliche Fragen auf. Der Bericht betont daher sehr deutlich seine Skepsis gegenüber der zentralen Administration der Verzeichnisdienste (Active Directory) und der daraus folgende Zentralisierung von Exchange-Servern (elektronische Postfächer, Terminkalender, u.ä.).
2. Cloud Computing
Hinsichtlich der Nutzung des sogenannten Cloud Computing durch öffentliche Stellen ruft der Bericht zur äußersten Zurückhaltung wegen der hiermit verbundenen datenschutz-rechtlichen Risiken auf.
3. Google Analytics
Der Bericht stellte mit Erschrecken fest, dass über 200 öffentliche Stellen auf ihren Internetseiten das Programm „Google Analytics“ einsetzen. Damit könne man erforschen, welche Inhalte des Internetangebots die Besucher nutzen. Allerdings werde dabei auch die sogenannte IP-Adresse des Nutzer-Computers gespeichert. Der Nutzer sei damit nicht mehr anonym, was laut Petri geltendem Recht widerspreche. Zudem könnten die gespeicherten Daten ohne Wissen der Betroffenen an den Internet-Giganten Google übermittelt werden
4. Missstände
Der Bericht rügte u. a folgende gefundenen Missstände:
- Ein Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge nahm flächendeckend Drogentests bei der Einstellung neuer Mitarbeiter vor. Datenschutzrechtlich zulässig sei aber nur (so Petri), neu einzustellende Beschäftigte mit deren schriftlicher Einwilligung auf Alkohol- und Drogenabhängigkeit untersuchen zu lassen, sofern dies erforderlich sei, um die Eignung für die konkret vorgesehene Tätigkeit festzustellen. Ein flächendeckender Drogentest sei deshalb unzulässig.
- Bei einem Finanzamt wurden Kollegen wiederholt durch obszöne und beleidigende Briefe, die angeblich von Kollegen stammten, belästigt. Die Ermittlungen der eingeschalteten Polizei verlaufen im Sande. Darauf beschloss das Finanzamt, DNA-Reihentests unter seinen Mitarbeitern durchführen lassen. Dies konnte aber verhindert werden, weil sich die Finanzamtsleitung belehren ließ, dass derartige DNA-Unter-suchungen allein dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vorbehalten sind.
- Die Datenspeicherung in polizeilichen Informationssystemen stellte oft ein Ärgernis dar. Der Spruch „einmal erfasst, immer erfasst“ scheint auch bei polizeilichen Informationssystemen zutreffend zu sein. So wurden die Daten einer Frau, trotz gerichtlichen Freispruchs, wegen Verstöße gegen das Betäubungsmittel-gesetz im Kriminalaktennachweis gespeichert. In zwei weiteren Fällen blieben die einmal erfassten Daten unschuldiger Jugendlicher gespeichert, obwohl kein Tatverdacht erhärtet werden konnte.
- Vor allem bei Sport-Großveranstaltungen wie der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009, der FIFA U 20-Frauen-Weltmeisterschaft 2010 sowie aktuell der Ski-Welt-meisterschaft 2011 wurden Zuverlässigkeitsüberprüfungen unter Einbindung von Sicherheitsbehörden durchgeführt. So wurden die Daten von Betroffenen mit Dateien des Landeskriminalamtes und des Verfassungsschutzes abgeglichen. Als Rechtsgrundlage wurde erneut lediglich die Einwilligung der Betroffenen herange-zogen. Bezüglich der Freiwilligkeit solcher Einwilligungen meldete Petri Zweifel an, weil Betroffene oft unzumutbare Nachteile befürchten müssten, wenn sie ihre Einwilligung verweigerten. Der Bericht wies darauf hin, dass die Verwaltung die wesentlichen Entscheidungen über die Voraussetzungen, Umstände und Folgen von Grundrechtseingriffen nicht an sich ziehen dürfe, sondern sie dem Gesetzgeber überlassen müsse.
- In zwei bekannt gewordenen Fällen veranlasste die Staatsanwaltschaft, dass Zeugen unter Hypnose vernommen wurden. Es sollte hierdurch ermittelt werden, ob sich ein Zeuge an ein Kfz-Kennzeichen erinnern könne. Der Bericht mahnte an, dass selbst wenn die betroffenen Zeugen einem solchen Verfahren zustimmen, sei eine solche Vorgehensweise unzulässig, weil sie grundlegende Schutzvorschriften der Strafprozessordnung umgehe. Leider konnte insoweit kein Einvernehmen mit dem zuständigen Staatsministerium für Justiz und Verbraucherschutz erzielt werden!
- Mehrere Rügen betrafen Kontenabfragen durch Staatsanwaltschaften. In einem Fall wurde eine Kontenabfrage bereits zeitgleich mit der Beschuldigtenvernehmung angeordnet. In einem anderen Fall hatte die Staatsanwaltschaft Kontounterlagen eines nicht beschuldigten Rechtsanwalts angefordert, der diesem Verfahren nicht zugestimmt hatte.
- In einer Justizvollzugsanstalt wohnten weibliche Vollzugsbeamte der ärztlichen Sprechstunde des Anstaltsarztes für weibliche Gefangene bei. Die Anwesenheit sei erforderlich, um den Anstaltsarzt vor ungerechtfertigten Anschuldigungen zu schützen. Der Bericht vertrat aber die Auffassung, dass eine solche Verfahrensweise die ärztliche Schweigepflicht berühre.
- Ein 12-jähriger Junge beschwerte sich bei einer Verwaltungsgemeinschaft, nachdem er von mehreren nicht angeleinten Hunden einer Hundehalterin bedrängt worden war. Die Verwaltungsgemeinschaft wies daraufhin die Hundehalterin in allgemeiner Form auf die Anleinpflicht hin. Als diese den Namen des Anzeigenden erfragte, gab die Verwaltungsgemeinschaft Name und Anschrift des Kindes bekannt. Darauf suchte die Hundehalterin das Kind in Abwesenheit der Eltern auf und griff es verbal an.
- Auf einem öffentlich zugänglichen Internetportal machten sich Mitarbeiter einer bayerischen Sozialbehörde über die Vornamen von Kindern von Hartz-IV-Empfängern lustig. Damit seien Kinder und Eltern „für deren Umfeld als Leistungsbezieher identifizierbar“ gewesen. Er könne den Behörden nur raten, für die Internet-Nutzung der eigenen Mitarbeiter klare Regeln aufzustellen und auch technische Neuerungen wie etwa „Apps“ fürs Handy nur „sehr sparsam einzusetzen“, so Petri.
- Die Videoüberwachung in und an öffentlichen Gebäuden und Plätzen stellte auch in diesem Berichtszeitraum einen erheblichen Teil der Kontrolltätigkeit dar. Bei Prüfungen ergaben sich häufig erhebliche Unsicherheiten im Umgang mit der neuen gesetzlichen Vorschrift zur Videoüberwachung im Bayerischen Datenschutzgesetz.
- Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern betreibt im Auftrag der gesetzlichen Pflegekassen in Bayern den "Pflegeservice Bayern" mit einer kostenlosen Rufnummer für Pflegebedürftige. Bei dieser Servicenummer wurde erst am Ende des Telefonats und eher beiläufig mitgeteilt, das Gespräch werde zur Sicherheit der Anrufer aufgezeichnet. Eine Löschung erfolgte nur bei ausdrücklichem Widerspruch der betroffenen Anrufer.
- Der Bericht kritisiert auch die datenschutzrechtlich verbotene Weitergabe von Schülerdaten zu Werbezwecken durch Schulen.
- Elektronische Fallakten werden gegenwärtig datenschutzrechtlich heftig diskutiert, weil sie auch klinikübergreifende Zugriffe auf Patientendaten ermöglichen. Der Datenschutzbeauftragte führte aus, soweit solche Datenzugriffe nur zu notwendigen Heilbehandlungen erfolgten, sei dies nicht zu beanstanden. Problematisch sei vor allem das erhebliche Risiko unzulässiger Zugriffe.
Der Tätigkeitsbericht 2010 ist - wie die vorangegangenen Tätigkeitsberichte des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz - im Internet unter http://www.datenschutz-bayern.de/ abrufbar.
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