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Übermittlung von Patientendaten an Hausarztverbände zu Abrechnungszwecken derzeit rechtswidrig?

03.08.2010, 11:37 Uhr | Lesezeit: 3 min
von Dr. Sebastian Kraska
Übermittlung von Patientendaten an Hausarztverbände zu Abrechnungszwecken derzeit rechtswidrig?

Das Thema wird unter Datenschützern schon seit längerem diskutiert: dürfen Hausärzte Patienten-Daten an die jeweiligen Hausarztverbände übermitteln, damit diese (unter Zuhilfenahme weiterer Dienstleister) die Abrechnungen über erbrachte Arztleistungen erstellen? Die Aufsichtsbehörde in Schleswig-Holstein macht nun als erste Behörde Nägel mit Köpfen und sagt: “Nein, nicht in dieser Form”.

 

Hintergrund

Den Kassenärzten und kassenärztlichen Vereinigungen droht Streit mit den Datenschutz-Aufsichtsbehörden. Generell ist es bei den meisten Hausärzten in Deutschland üblich, dass diese die Arztleistungen nicht selbst abrechnen sondern die Patientendaten an die für sie zuständige hausärztliche Vereinigung übermitteln, die im Auftrag der Ärzte die Abrechnungsleistungen erbringen. Hierbei beauftragen die hausärztlichen Vereinigungen häufig Service-Unternehmen.

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Entscheidung in Schleswig-Holstein: Untersagungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung

Diese Praxis verstößt nach Ansicht der Datenschutz-Aufsichtsbehörde in Schleswig-Holstein gegen geltendes Datenschutzrecht. Die Aufsichtsbehörde hat nun eine Untersagungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung erlassen und die sofortige Vollziehung angeordnet, wie in einer aktuellen Pressemitteilung zu lesen ist.
“Damit sind die in der HÄV SH (Anm.: “Hausärzteverband Schleswig-Holstein e. V.”) zusammengeschlossenen Hausärztinnen und Hausärzte nicht berechtigt, Abrechnungsdaten auf dem im Vertrag vorgesehenen elektronischen Weg zu übermitteln”, heißt es in der Meldung.

Zu der Begründung führt die Behörde aus:

“An dem Rahmenvertrag, der das Verhältnis zwischen dem HÄV SH, Dienstleistern und den einzelnen Ärztinnen und Ärzten festlegt, sind Letztere überhaupt nicht beteiligt. Darin werden diese gezwungen, auf ihren Praxissystemen Software gemäß den Vorgaben des Hausärzteverbandes zu installieren, womit das Auftragsverhältnis geradezu auf den Kopf gestellt wird. Ihnen wird sogar vertraglich verboten, Kenntnis von wesentlichen Elementen der Software zu nehmen, so dass sie faktisch keine vollständige Kontrolle mehr über die Daten auf ihrem System hätten.

Damit würden sie nicht nur ihre Datenschutzpflichten verletzen, sondern auch ihre ärztliche Schweigepflicht. Ein Auftragsverhältnis ist rechtlich zudem dadurch ausgeschlossen, dass der Hausärzteverband, der ausschließlich im Interesse und nach Weisung der einzelnen Ärzte die Daten verarbeiten sollte, ein eigenes Interesse an diesen Daten hat.”

Übermittlung von Patientendaten an Dienstleister generell fragwürdig

Gerade in dem zuletzt zitierten Satz (“eigenes Interesse der kassenärztlichen Vereinigung an den Daten”) liegt meines Erachtens ein weiteres Problem: § 28 Abs. 6 BDSG sieht an sich nur wenige Ausnahmen für die Übermittlung von Patientendaten (so genannte “besondere Arten personenbezogener Daten”) ohne Einwilligung des Patienten vor. Diese Ausnahmen greifen nach meiner persönlichen Rechtsauffassung vorliegend aber nicht ein.

Rein praktisch dürfte – wenn man dieser Ansicht folgt – das derzeit praktizierte Abrechnungssystem in Deutschland damit nur zu halten sein, wenn man auf Einwilligungen der Patienten zurückgreift. Da Einwilligungen aber jederzeit widerruflich sein müssen, bliebe betroffenen Ärzten im Fall der Verweigerung oder des Widerrufs dieser Einwilligung nur die Möglichkeit, die Abrechnung der Arztleistung selbst vorzunehmen.

Fazit

Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde in Schleswig-Holstein betrifft rein von der Sachlage her die Kassenärzte in ganz Deutschland. Generell besteht meiner Erfahrung nach gerade im Gesundheitsbereich ein hohes Defizit im Bereich des Datenschutzes. Die Entscheidung der Behörde selbst ist in der Sache völlig zutreffend – das Datenschutzrecht sieht schlicht keine Ausnahmen für diesen Fall vor. Langfristig bleiben zwei Alternativen: a) der Rückgriff auf Einwilligungen der Patienten als Lösungskonzept (mit großen Fragezeichen im Detail), oder b) die Schaffung eines eigenen Patienten-Datenschutzgesetzes, um der besonderen Komplexität und Sachlage des Themas gerecht zu werden.

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1 Kommentar

M
Mathias Jung 09.08.2010, 08:49 Uhr
Patientendaten
Bei dem derzeitigen Arbeitspensum eines Arztes frage ich mich, wie er auch noch vollständig in die Abrechnung miteingebunden werden soll? Und wieso soll er am Abrechnungsprozess beteiligt sein, wenn er im Zweifel davon gar keine Ahnung hat? Der Bäcker ist auch nicht dazu verpflichtet erst das Mehl selbst zu mahlen, bevor er es verarbeitet... Die Anforderung des Datenschutzes in aller Ehren, aber hier wird der Bock zum Gärtner gemacht!

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