BGH: Keine Belastung des Verbrauchers mit den Kosten für die Hinsendung der Ware bei einem Fernabsatzgeschäft
Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Verkäufer von Waren im Fernabsatzgeschäft einen Verbraucher nicht mit den Versandkosten für die Hinsendung der Ware an den Verbraucher belasten darf, wenn dieser von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch macht. Damit hat der BGH nun die Entscheidung des EuGH umgesetzt.
Der Kläger ist ein Verbraucherverband. Die Beklagte betreibt ein Versandhandelsunternehmen. Sie stellt ihren Kunden für die Zusendung der Ware einen Versandkostenanteil von pauschal 4,95 € pro Bestellung in Rechnung. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Erhebung solcher Kosten nach Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts bei Fernabsatzgeschäften in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.
Die Revision des Versandhandelsunternehmens hatte keinen Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des BGH hatte das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatz-Richtlinie) dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat (Beschluss vom 1. Oktober 2008, Pressemitteilung Nr. 184/2008).
Dies hat der EuGH bejaht und zur Begründung ausgeführt, dass mit Artikel 6 der Fernabsatz-Richtlinie eindeutig das Ziel verfolgt wird, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Deshalb liefe eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubt wäre, eine Regelung vorzusehen, die dem Verbraucher im Fall eines solchen Widerrufs die Kosten der Zusendung in Rechnung stellt, diesem Ziel zuwider (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - Rs. C-511/08, NJW 2010, 1941).
Aufgrund dieser für die nationalen Gerichte bindenden Auslegung der Fernabsatz-Richtlinie durch den EuGH ist § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 312d, 357 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dem Verbraucher nach dem Widerruf eines Fernabsatzvertrages ein Anspruch auf Rückgewähr geleisteter Hinsendekosten zusteht. Dementsprechend ist es Verkäufern von Waren im Fernabsatzgeschäft – wie der Beklagten im entschiedenen Fall – verwehrt, Verbrauchern die Kosten für die Hinsendung der von ihr vertriebenen Waren auch dann aufzuerlegen, wenn diese von ihrem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch machen.
Art. 6 Fernabsatzrichtlinie
Widerrufsrecht
(1) Der Verbraucher kann jeden Vertragsabschluß im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung widerrufen. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.
…
(2) Übt der Verbraucher das Recht auf Widerruf gemäß diesem Artikel aus, so hat der Lieferer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Erstattung hat so bald wie möglich in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen zu erfolgen.
§ 312d BGB: Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen
Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden.
(…)
§ 357 BGB: Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe
(1) Auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht finden, soweit nicht ein an
deres bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung.
(…)
§ 346 BGB: Wirkungen des Rücktritts
Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(…)
Urteil vom 7. Juli 2010 – VIII ZR 268/07
LG Karlsruhe - Urteil vom 19. Dezember 2005 – 10 O 794/05 (MMR 2006, 245)OLG Karlsruhe - Urteil vom 5. September 2007 – 15 U 226/06 (WM 2008, 419 = MMR 2008, 46)Karlsruhe, den 7. Juli 2010
Quelle: Pressemitteilung BGH Nr.139/2010
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6 Kommentare
Darüber hinaus nur 2 Beispiele:
- wenn jemand in einen Laden einkaufen fährt, dann bekommt er weder Spritkosten noch Parkgebühren vom Ladenbesitzer erstattet - warum also von uns Versandhändlern?
- wenn jemand Bewerbungsunterlagen an Städte oder Firmen versendet und er abgelehnt wird, bekommt er die Versendungskosten seiner Unterlagen selbstverständlich nicht ersetzt, obwohl in diesem Fall noch nicht einmal er selbst die Ablehnung in die Wege geleitet hat - warum also von uns Versandhändlern, obwohl der Kunde selbst den Widerruf einleitet?
Und warum darf ich in meinem eigenen Geschäft (wenn auch in Form eines Online-Shops) nicht selbst entscheiden wen ich unter welchen Voraussetzungen beliefere? Jeder Ladenbesitzer kann das, nur wir Versender sind gezwungen aufgrund der unsagbar ungerechten rechtlichen Regelungen jede Unverschämtheit der Kunden zu akzeptieren. Warum muss ich im Falle einer Rücksendung alle Kosten dafür tragen und der Kunde Null Komma Null? Welchem Richter nicht klar ist, dass das widerrechtlich da ungerecht ist und wohin das führt, sollte schnellstens in Rente gehen. Aber mit wirtschaftlichen und psychologischen Fragen scheinen leider Richter vollkommen überfordert und hier völlig inkompetent zu sein. Das ist genau so als ob ein Bauarbeiter (nichts gegen die) eine Diagnose über Zahnschmerzen abgeben soll.
Bleibt nur zu hoffen, dass es schnellstens zu einer Änderung aufgrund von Massenklagen kommt, die dann zu einer wirtschaftlich tragbaren und vor allem gerechten Regelung führt, mit der sowohl der Kunde als auch der Versender leben kann und die uns Versandhändlern die Zwangsjacke ein wenig lockert.
Wir prüfen derzeit die möglichen Vorgehensweisen um eine Änderung durchzusetzen.
Jörg Kemppainen
Bike&Sport Kemppainen
Niederhagen 20
42929 Wermelskirchen
vertreten durch: Jörg Kemppainen
(Inhaber - Diplom Verwaltungswirt)
ONLINE-SHOP: www.active-out.eu
mail@active-out.de
fon: 0 2196 - 883651 (Mo-Fr. 09:00-15:00 Uhr)
UStId: DE231169359
Stelle Dir vor:
Man bestellt, schickt zurück, bestellt andere Farbe, schickt zurück, bestellt noch eine andere Farbe und schickt zurück.
Kosten für den Händler: 6 x Porto!!! 0 x für den Käufer. Was ist die Essenz? Viele Händler kalkulieren das Porto in den Verkaufspreis mit ein, bieten sog. Versandkostenfreien Versand an. D.h. Die Verbraucherpreise steigen (was den Kunden auch nicht recht ist) und auf einmal tauchen die Wettbewerbsschützer auf und sagen: Ab sofort darf es keinen kostenlosen Versand mehr geben. Was machen die Händler? Ändern den Preis nicht, setzen einfach noch Portokosten mit an. Nochmals tiefer in die Tasche greife (als Verbraucher).
Noch ein Punkt:
Schon mal darüber nachgedacht, was die Händler für einen Aufwand tragen müssen, wenn Ware zurückgeschickt wird? Von der Wareneingangskontrolle über die Buchungen und eventuelle Auszahlung? (Alleine die Arbeitszeit)......
Sorry, aber bei solchen Äußerungen wurde wohl nicht bedacht, weshalb viele Onlinehändler sehr schnell verschwinden und warum es so viele schwarze Schafe gibt......
In meinen Augen: Wieder ein Urteil an der Realität vorbei.....
ich finde das eine nicht vertretbare Benachteiligung der Händler. Als Kunde muss ich ja nicht dort bestellen, insofern bin ich auch nicht gezwungen, die Kosten zu tragen. Der Händler kann sich seine Kunden/Vertragspartner nicht aussuchen, ich als Verbraucher schon.