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Kollisionskurs: Zur Verwechslungsgefahr im Markenrecht

24.03.2015, 19:01 Uhr | Lesezeit: 6 min
von Yanina Bloch
Kollisionskurs: Zur Verwechslungsgefahr im Markenrecht

Die Verwechslungsgefahr im Markenrecht - alt aber immer anders: Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG kann die Eintragung einer Marke gelöscht werden, wenn wegen Identität oder Ähnlichkeit dieses Zeichens mit einer anderen Marke die Gefahr einer Verwechslung für die angesprochenen Verkehrskreise besteht. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Zur Veranschaulichung dieser fundamentalen Thematik im Markenrecht kann dabei der Beschluss vom 27. November 2014 des Bundespatentgerichts (Az.: 29 W (pat) 63/11) zu den Vergleichsmarken „P.M.“ und „PMCOM9ASS“ herangezogen werden.

I. Das Problem

Die Herkunftsfunktion der Marke ist verletzt, wenn die angesprochenen Verkehrskreise fälschlicherweise annehmen, dass bestimmte Waren oder Dienstleistungen aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. Dann hat sich nämlich die markenrechtliche Verwechslungsgefahr verwirklicht.

Der Käufer entscheidet sich hier zum Kauf eines Produkts weil er annimmt es gehöre zu der Marke, der er seit langem sein Vertrauen schenkt oder weil er schlichtweg annahm das Produkt sei dasjenige, das ihm aus der Werbung bekannt sei. Im Ergebnis hat die Verwechslung beider Marken durch den Verbraucher also dazu geführt, dass der Gewinn beispielsweise aus den investierten Werbemitteln letztlich in die „falsche Börse“ floss. Genau dies will § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verhindern.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wobei eine Wechselwirkung zwischen folgenden Faktoren maßgeblich ist:

1) Die Ähnlichkeit der Marken
2) Die Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen
3) Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke

Dabei muss unbedingt beachtet werden, dass nicht nur ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann, sondern dass dies auch umgekehrt gilt.

Wie eine solche Abwägung in der Rechtspraxis gehandhabt wird, illustrierte beispielsweise erst wieder der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 27. November 2014, welcher die Beschwerde der prioritätsälteren Wortmarke „P.M.“ gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke „PMCOM9ASS“ (Az.: 29 W (pat) 63/11) zum Gegenstand hatte.

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II. Die Entscheidung

Das Bundespatentgericht stellte dabei fest, dass zwischen den Vergleichsmarken „PMCOM9ASS“ und „P.M.“ insoweit eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen gem. § 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 HS. 2 2 MarkenG besteht. Im Übrigen, so das Gericht, sei aber eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen und daher die Beschwerde der Wortmarke „P.M.“ zurückzuweisen.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen.

Das BPatG stellte vorab fest, dass zwischen den sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen teilweise Identität und teilweise Ähnlichkeit bestehe. Eine abschließende Prüfung, ob und in welchem Umfang und mit welchem konkreten Grad eine Ähnlichkeit vorliegt, müsse jedoch nicht erfolgen, da eine Verwechslungsgefahr ohnehin nur für einen Teil der im Identitätsbereich liegenden Waren und Dienstleistungen erkannt werden könne.

Ferner ging der Senat des BPatG bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke für einen Teil der Waren und Dienstleistungen aus. Im Umfang der „periodischen Druckerzeugnisse“ und damit eng verwandter Waren und Dienstleistungen ging das Gericht dagegen sogar von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft aufgrund der Bekanntheit der Widerspruchsmarke aus.

"Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist auf Grund der unstreitigen langjährigen Benutzung und weiten Verbreitung der Marke auf periodisch erscheinenden populärwissenschaftlichen Magazinen für „Periodische Druckereierzeugnisse“ gesteigert. Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft durch eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Marktanteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur Förderung der Marke sowie ggf. zu demoskopischen Befragungen zwecks Ermittlung des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen."

Die Richter kamen ausgehend von den dargestellten Kriterium zu dem Schluss, dass der Abstand, den die angegriffene Marke zu der Widerspruchsmarke aufweist, bezüglich der Warengruppe „Periodische Druckerzeugnisse“ etc., nicht ausreiche, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.

"Denn im Bereich identischer Waren und Dienstleistungen und bei gleichzeitig erhöhter Kennzeichnungskraft der älteren Marke kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein noch beachtlicher Teil des Verkehrs die angegriffene Marke aufgrund ihres mit der Widerspruchsmarke „P.M.“ klangidentischen Bestandteils „PM“ im Hinblick auf dessen selbstständig kennzeichnende Stellung in der angegriffenen Marke mit dieser im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 MarkenG gedanklich in Verbindung bringt."

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den gegenüberstehenden Marken „PMCOM9ASS“ und „P.M.“ sei jedoch nicht anzunehmen, da die Marken sich in ihrer Gesamtheit klanglich, schriftbildlich und begrifflich deutlich durch den in der jüngeren Marke enthaltenen zusätzlichen Wortteil „COMPASS“ und die grafische Gestaltung unterscheiden.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr käme daher nur dann in Betracht, wenn die in der angegriffenen Marke enthaltene Buchstabenfolge „PM“ eine kollisionsbegründende Stellung einnimmt, indem sie eine die Gesamtmarke prägende Funktion aufweist. Von einer derartigen kann jedoch weder in schriftbildlicher oder klanglicher Hinsicht ausgegangen werden.

Dadurch wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass wegen der klangidentischen Buchstabenfolge der Verkehr die beiden Marken irrtümlich dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet.

Wegen der gesteigerten Verkehrsgeltung der älteren Marke im Bereich der periodischen Druckereierzeugnisse und des Verlagswesens, so die Entscheidung, werden nämlich relevante Teile des Verkehrs jedenfalls dann, wenn sie der angegriffenen Marke „PMCOMPASS“ im mündlichen Geschäftsverkehr begegnen, nicht erkennen können, ob es sich bei dem Zeichenanfang um die Buchstabenfolge „PM“ oder die Abkürzung „P.M.“ handelt. Zudem entspräche es in der hier genannten Branche den Kennzeichnungsgewohnheiten, dass der als „eigentlichem“ Produktnamen empfundene Marke ein häufig auch warenbeschreibender Zusatz hinzugefügt wird.

"Tritt der hier klanglich übereinstimmende Bestandteil in der jüngeren Marke aber deutlich wahrnehmbar hervor, während der weitere Bestandteil „COMPASS“ bei der akustischen Wiedergabe als üblicher Zusatz wahrgenommen wird, kann die Gefahr einer irrtümlichen gedanklichen Zuordnung zu der bekannten älteren klangidentischen Marke „P.M.“ nicht ausgeschlossen werden."

Dies gilt aber nur in Bezug auf die Warengruppe „Periodische Druckereierzeugnisse“, „Druckereierzeugnisse, die über Datennetze übermittelt werden“, „Druckereierzeugnisse auf Datenträgern“ und „Verlagsdienstleistungen“, welche im Identitätsbereich zu denjenigen Widerspruchswaren liegen, für die auch eine erhöhte Kennzeichnungskraft festgestellt wurde.

III. Unser Fazit

Wann genau eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken besteht, ist also offensichtlich erst nach eingehender Prüfung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu ermitteln. Bei einer solchen Prüfung im Vorfeld der Anmeldung bzw. Benutzung eines Zeichens sollte daher keinerlei Kosten und Mühen gescheut werden, da das Markenrecht dem Markeninhaber der Priorität genießenden Marke nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bei Vorliegen der Verwechslungsgefahr einen Löschungsanspruch gegen die jüngere Marke einräumt.

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