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Sperrige Güter (Speditionsgüter): Wer ist im Versandhandel mit Verbrauchern für den Rücktransport verantwortlich?

12.08.2021, 14:03 Uhr | Lesezeit: 9 min
Sperrige Güter (Speditionsgüter): Wer ist im Versandhandel mit Verbrauchern für den Rücktransport verantwortlich?

Der Verkauf sperriger Güter führt im Versandhandel immer wieder zu Streitigkeiten darüber, welche Partei im Falle des Widerrufs oder im Falle der Mängelhaftung für den Rücktransport der Ware zum Verkäufer verantwortlich ist. Neben dem nicht unerheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand, der mit dem Abbau und Verpacken solcher Waren verbunden sein kann, geht es dabei häufig auch um die Frage, wer für die Kosten des Rücktransportes zum Verkäufer aufkommen muss. Wir gehen der Frage im nachfolgenden Beitrag auf den Grund.

I. Rechtslage im Falle des Widerrufs

Handelt es sich bei dem Käufer um einen Verbraucher, so steht ihm bei Verträgen, die im Fernabsatz zustande kommen, ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu.

1) Ausdrückliche Regelung nur für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge

Widerruft ein Verbraucher einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbrauchervertrag, so bestimmt die Regelung des § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB, dass der Unternehmer die Waren beim Verbraucher abholen muss, wenn diese so beschaffen sind, dass sie vom Verbraucher nicht per Post an den Unternehmer zurückgesandt werden können.

Die Vorschrift betrifft allerdings nur außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, also gemäß § 312b Absatz 1 BGB Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden. Gemeint sind damit insbesondere Verträge, die im Rahmen von Kaffeefahrten, mit fliegenden Händlern oder bei Vertreterbesuchen in der Wohnung des Verbrauchers geschlossen werden.

Von der Kostenregelung nach § 357 Absatz 6 Satz 3 BGB ausdrücklich nicht betroffen sind Fernabsatzverträge, also Verträge, bei denen der Verbraucher die Waren im Online-Shop eines Unternehmers oder via Katalog bestellt.

2) Freie Bestimmbarkeit durch den Unternehmer

In solchen Fällen kann der Unternehmer etwa in seiner Widerrufsbelehrung frei bestimmen, ob der Verbraucher die Ware zurücksenden muss oder sie vom Unternehmer abgeholt wird und ob der Unternehmer oder der Verbraucher ggf. die Kosten der Rücksendung zu tragen hat.

Dies ergibt sich aus der Regelung des § 357 Abs. 5 BGB, wonach der Verbraucher nicht verpflichtet ist, die empfangenen Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen. Im Umkehrschluss trifft diese Verpflichtung jedoch den Verbraucher, wenn der Unternehmer nicht angeboten hat, die Waren abzuholen.

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3) Entgegenstehende Rechtsprechung des EuGH?

Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 23.05.2019 (Az.: C-52/18). Darin hatte der EuGH entschieden, dass ein Verbraucher grundsätzlich nicht verpflichtet ist, eine mangelhafte Ware an den Verkäufer zur Mangelbeseitigung zurückzusenden, wenn dies mit „erheblichen Unannehmlichkeiten“ für den Verbraucher verbunden ist. Allerdings bezog sich diese Entscheidung ausschließlich auf die gesetzliche Mängelhaftung und nicht auf das gesetzliche Widerrufsrecht.

Fraglich ist allerdings, ob die vom EuGH in der vorgenannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze nicht auch entsprechend auf das gesetzliche Widerrufsrecht anzuwenden sind.

Dafür könnte sprechen, dass der Verbraucher auch im Falle des Widerrufs schutzwürdig ist und ihm eine Rücksendung sperriger Güter ggf. nicht zumutbar ist, insbesondere, wenn die Ware zuvor aufwändig demontiert werden muss.

Dagegen spricht jedoch, dass der Gesetzgeber hierzu eine Regelung zugunsten des Unternehmers getroffen hat, der auf der anderen Seite bereits mit dem unternehmerischen Risiko des Widerrufs belastet ist. Zudem ist der Verbraucher im Falle eines Mangels der Kaufsache schutzwürdiger als der Unternehmer, da dieser seine Leistungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und das Vertrauen des Verbrauchers auf eine mangelfreie Lieferung enttäuscht hat.

4) Ergebnis

Bei Kaufverträgen zur Lieferung von sperrigen Gütern, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im Fernabsatz geschlossen werden, kann der Unternehmer etwa in seiner Widerrufsbelehrung frei bestimmen, ob der Verbraucher die Ware im Falle des Widerrufs zurücksenden muss oder sie vom Unternehmer abgeholt wird und ob der Unternehmer oder der Verbraucher ggf. die Kosten der Rücksendung zu tragen hat.

Hat der Unternehmer hierzu nichts Abweichendes geregelt, so muss der Verbraucher die Ware im Falle des Widerrufs auf eigene Kosten demontieren, verpacken und an den Unternehmer zurücksenden.

Hinweis: Möchte der Unternehmer dem Verbraucher die Kosten der Rücksendung via Spedition auferlegen, so muss er deren Höhe schätzen und den Schätzbetrag in seiner Widerrufsbelehrung angeben. Dabei ist wiederum darauf zu achten, dass der Schätzbetrag möglichst nah an der Realität ist. Denn gibt der Unternehmer einen zu hohen Betrag an, könnte dies den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten. Gibt der Unternehmer dagegen einen zu niedrigen Betrag an, so würde der Verbraucher über die tatsächliche Höhe getäuscht, mit der Folge, dass die Widerrufsbelehrung ggf. nicht mehr dem Transparenzerfordernis des Art. 246a § 4 EGBGB genügt.

II. Rechtslage im Falle der Mängelhaftung (Gewährleistung)

Ganz anders beurteilt sich die Rechtslage, wenn die gelieferte Ware mangelhaft ist und der Verbraucher seine Rechte aus §§ 437 ff. BGB, insbesondere seine Rechte auf Nacherfüllung im Wege der Reparatur oder der Ersatzlieferung, geltend machen möchte.

1) Erfüllungsort der Nacherfüllung

Insoweit ist der Erfüllungsort der Nacherfüllung maßgeblich, also der Ort, an dem die Nacherfüllungsleistung zu erbringen ist.

Der BGH entschied hierzu im Jahre 2011 (Urteil vom 13. April 2011, Az.: VIII ZR 220/10), dass sich mangels spezieller Regelung im Kaufrecht der Ort, an dem die Nacherfüllung zu erbringen sei nach der allgemeinen Regelung des § 269 Abs. 1 BGB richte.

Demnach ist grundsätzlich der Wohnsitz des Schuldners, also des Verkäufers, maßgeblicher Erfüllungsort. Wenn der Käufer also eine mangelhafte Sache im Wege des Fernabsatzes erworben hat, hat die Nacherfüllung am Sitz des Verkäufers zu erfolgen.

Dieser Grundsatz gelte jedoch nur, sofern keine abweichende individuelle Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen wurde bzw. sich eine abweichende Beurteilung aus den Umständen des Einzelfalles ergibt.

Diese Entscheidung des BGH erschien dem Amtsgericht Norderstedt aber als nicht mit der Richtlinie 1999/44 vereinbar, da die Rücksendung sperriger Waren für den Käufer eine „erhebliche Unannehmlichkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 darstellen könne und rief zur Klärung der Frage den EuGH an.

Der EuGH entschied mit Urteil vom 23.05.2019 (Az.: C-52/18), dass ein Verbraucher grundsätzlich nicht verpflichtet ist, eine mangelhafte Ware an den Verkäufer zur Mangelbeseitigung zurückzusenden, wenn dies mit „erheblichen Unannehmlichkeiten“ für den Verbraucher verbunden ist.

Nach Ansicht des EuGH muss bei einem Nacherfüllungsverlangen immer im Wege einer Einzelfallbetrachtung beurteilt werden, ob die Organisation bzw. Durchführung eine Rücksendung/eines Rücktransports der mangelhaften Ware für den Käufer eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellt. Ist diese Frage zu bejahen, muss der Verkäufer anrücken, und die Ware vor Ort in Stand setzen bzw. selbst die Rückführung organisieren bzw. selbst übernehmen.

Indizien für das Vorliegen einer solchen erheblichen Unannehmlichkeit können insbesondere sein:

  • Hohes Gewicht der Ware
  • Sperrige Maße der Ware
  • Besondere Schutzbedürftigkeit der Ware (also Ware, die sehr leicht beim Transport beschädigt werden kann)
  • Abbau, Demontage, Rückbau der Ware vor dem Rückversand erforderlich

Der EuGH kam im zu entscheidenden Fall zu der Ansicht, dass der Rückversand eines Partyzelts mit den Maßen 5 Meter auf 6 Meter für den Käufer eine solche „erhebliche Unannehmlichkeit“ darstellen könnte.

Zwar ist aus der Entscheidung des EuGH nicht eindeutig abzulesen, in welchen Fällen konkret von einer „erhebliche Unannehmlichkeit“ für den Verbraucher auszugehen ist. Allerdings dürfte dies unter Berücksichtigung der vom EuGH genannten Indizien bei besonders sperrigen Gütern in der Regel der Fall sein. Dies muss erst recht gelten, wenn es sich dabei um eine Ware handelt, die nur mit größerem Arbeits- und Zeitaufwand montiert bzw. demontiert werden kann.

2) Erfüllungsort bei Lieferung „frei Bordsteinkante“

Eine besondere Relevanz hat die Frage nach dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, wenn die Ware vom Verkäufer nicht bis in die Wohnung des Käufers sondern lediglich „frei Bordsteinkante“ geliefert wurde. Muss der Käufer die Ware in diesem Fall selbst abbauen, verpacken und zur Abholung an der nächstgelegenen Bordsteinkante bereitstellen?

Legt man die vorgenannten Grundsätze des EuGH zugrunde, wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dies dem Käufer nicht zuzumuten ist.

Zwar war die Leistungspflicht des Verkäufers bezüglich des Transportes an der Bordsteinkante beendet. Es ist jedoch typischerweise damit zu rechnen, dass die Ware bis zur Feststellung eines Mangels nicht dort verbleibt, sondern zunächst zum eigentlichen Aufstellort verbracht wird. Somit ist der Erfüllungsort der Nacherfüllung in solchen Fällen nicht an der Bordsteinkante sondern an dem tatsächlichen Aufstellort des Käufers gelegen.

3) Kosten der Nacherfüllung

Bezüglich der Kosten des Rücktransports an den Verkäufer verhält sich § 439 Abs. 2 BGB eindeutig: Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Der Verbraucher darf hierbei also nicht mit den Kosten des erforderlichen Speditionsversands belastet werden. Entsprechendes gilt für solche Kosten, die ggf. für die Demontage sperriger Güter entstehen.

Handelt es sich bei der Kaufsache um eine Ware, die gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht wird (z. B. Einbauküche, Fliesen, Teppichboden etc.), ist der Verkäufer gemäß § 439 Abs. 3 BGB im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.

Der Käufer hat in den vorgenannten Fällen jedoch eine Mitwirkungsobliegenheit. So muss er sicherstellen, dass dem Verkäufer bzw. den von ihm beauftragten Unternehmen eine Demontage und Abholung der mangelhaften Ware ermöglicht wird (nach erfolgter Terminvereinbarung).

4) Ergebnis

Nach Auffassung des EuGH ist ein Verbraucher grundsätzlich nicht verpflichtet ist, eine mangelhafte Ware an den Verkäufer zur Mangelbeseitigung zurückzusenden, wenn dies mit „erheblichen Unannehmlichkeiten“ für den Verbraucher verbunden ist.

Zwar ist aus der Entscheidung des EuGH nicht eindeutig abzulesen, in welchen Fällen konkret von einer „erhebliche Unannehmlichkeit“ für den Verbraucher auszugehen ist. Allerdings dürfte dies unter Berücksichtigung der vom EuGH genannten Indizien bei besonders sperrigen Gütern in der Regel der Fall sein. Dies muss erst recht gelten, wenn es sich dabei um eine Ware handelt, die nur mit größerem Arbeits- und Zeitaufwand montiert bzw. demontiert werden kann.

Gemäß § 439 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Handelt es sich bei der Kaufsache um eine Ware, die gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht wird (z. B. Einbauküche, Fliesen, Teppichboden etc.), ist der Verkäufer gemäß § 439 Abs. 3 BGB im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.

Update:

Inzwischen regelt § 475 Abs. 5 BGB ausdrücklich, dass der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen hat, wobei die Art der Ware sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Ware benötigt, zu berücksichtigen sind. Damit wurde die vorgenannte Rechtsprechung des EuGH in deutsches Recht umgesetzt.

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